Freizeit und Reise

Mitglieder des Holzknechtvereins Ruhpolding beim Deichelbohren. (Foto: Friedrich H. Hettler)

27.05.2019

Die älteste Pipeline der Welt

Jubiläum: 400 Jahre Soleleitung von Bad Reichenhall nach Traunstein

Salzmuseum und Salinenpark, historische Reichenbach’sche Wassersäulenmaschinen, Salzmaier-Spaziergänge und ein Premiumwanderweg namens SalzAlpenSteig erinnern im Chiemgau an eine Zeit, als Salz ein wichtiger Wirtschaftsfaktor war. So wichtig, dass das kleine Traunstein für kurze Zeit eine der bedeutendsten Städte Bayerns war.

Funde deuten darauf hin, dass in Bad Reichenhall schon in der Bronzezeit Salz gewonnen wurde; erstmals schriftlich erwähnt wurden die Sudpfannen im 7. Jahrhundert. 1000 Jahre später betrug der Abbau rund 370.000 Zentner Salz pro Jahr. Als um 1600 herum neue ergiebige Solequellen bei Reichenhall entdeckt wurden, konnte die Produktion jedoch nicht ausgeweitet werden, da zusätzliches Holz für die Befeuerung der Sudpfannen nicht zur Verfügung stand. Um dennoch die Produktion und damit den Profit zu erhöhen, wurde eine neue Salinie im holzreichen Traunstein errichtet, die über eine Soleleitung mit gelöstem Kochsalz versorgt wurde.

Salz war über Jahrhunderte die zuverlässigste Einnahmequelle des Wittelsbacher Herrscherhauses und zugleich das wichtigste Exportgut Bayerns. Die Grundlage dazu hatte der Landshuter Herzog Georg der Reiche geschaffen als er 1493 damit begann, den Reichenhaller Patrizierfamilien ihre Sudhäuser und ihren Anteil an den Solequellen nach und nach abzukaufen. Richtig ertragreich wurde das Salzgeschäft für die Herzöge jedoch erst dann als Wilhelm V. um 1587 auch noch die bürgerlichen Salzführer und die Salzgroßhändler in ganz Bayern enteignete und neben dem Salz-Produktionsmonopol zusätzlich ein staatliches Salz-Handelsmonopol schuf. Rechtliche Einwände ignorierte der Herzog. Privilegien und altes Herkommen seinen für ihn widerruflich und hätten deswegen „einziehbaren Charakter“.

9000 Holzrohre

Über 200 Jahre blieben die Wittelsbacher die größten Salzproduzenten und die mächtigsten Salz-Großhändler Süddeutschlands. Bei der Verteidigung des Monopols war man nicht zimperlich. Das bekamen die Salzburger Erzbischöfe zu spüren. Vom Importverbot für Halleiner Salz, der Sperrung der Salzach für Salztransporte bis zur militärischen Besetzung Salzburgs war jedes Mittel recht. „Salz ist des Herzogtums Schatzkammer“, schrieb ein Zeitgenosse. Rechnet man zu den Gesamteinnahmen aus dem Salzgeschäft die indirekten Einnahmen aus der Salzmaut hinzu, dann zeigt sich, dass der mittlerweile kurfürstliche Hof – zumindest 1651 – zu fast 40 Prozent aus dem Salzwesen finanziert wurde.

Das Projekt Soleleitung und der Bau einer Saline in Traunstein waren für Herzog Maximilian I. daher kein finanzielles Abenteuer. Im Gegenteil – sie gilt als die gewinnbringendste Investition, die die Wittelsbacher bis dato getätigt hatten.

Die Entscheidung, eine Soleleitung nach Traunstein zu bauen ließ die Salzfuhrleute der Region um ihre Arbeit fürchten. Sie konnten auch nicht glauben, dass es gelingen kann, die Sole in Leitungen über die Vorgebirgslandschaft zu transportieren. „Alles Wasser auf der ganzen Welt läuft abwärts, aber nie den Berg hinauf. Dann wird es auch die Sole nicht tun“, so ist der wütende Ausspruch eines Fuhrmanns überliefert.

Die 32 Kilometer lange Soleleitung wurde trotz des Widerstands gebaut – aus 9000 Holzstämmen, die mit einfachen Werkzeugen von Hand durchbohrt werden mussten. Diese Holzrohre, auch Deichel genannt, waren keine Besonderheit der Soleleitungen, sondern entsprachen dem Stand der Technik. Der Name Deichel kommt vermutlich daher, dass man die Holzrohre jahrelang im Wasser in extra dafür ausgehobenen Teichen zum „Beizen“ lagerte. Die Rohre bestanden in der Regel aus Tannenstämmen. In die Soleleitung eingebaut, sorgte das Salzwasser für eine gute Konservierung des Holzes und damit für eine relativ lange Lebensdauer – Eisen wäre von der Sole zerfressen worden. Beim Bau der ersten Soleleitung wurden die Deichel noch mit einem Innen- und Außenkonus versehen und muffenartig ineinander gesteckt.

Von 1619 bis 1912 floss die Sole von Bad Reichenhall zur Saline nach Traunstein – dank sieben Pumpstationen, wo anfangs die Reiffenstuel-Solehebemaschine und ab dem Jahr 1810 dann die Reichenbach’sche Wassersäulenmaschine die Sole nach oben pumpte. So konnten die Höhenunterschiede – insgesamt 250 Meter – bezwungen werden. Die Soleleitung war damals die erste Pipeline der Welt. Die Pumpen sind nach ihren Konstrukteuren benannt: Hanns Reiffenstuel (1548 - 1620) war ab 1597 Hofbaumeister von Herzog Maximilian I. und leitete den Bau der Soleleitung von 1617 bis 1619. Georg Friedrich von Reichenbach (1771 - 1826) war ein bayerischer Erfinder und Ingenieur.

Am Oswaldtag (5. August) 1619 wurde in Traunstein der Betrieb der Saline aufgenommen. Ab diesem Zeitpunkt wurde das „weiße Gold“ vor Ort in der Au hergestellt und war bis 1912 der eigentliche Wirtschaftsfaktor für die Stadt. 1786/1787 expandierte die Saline. Kurfürst Karl Theodor ließ eine größere Siedeanlage bauen. So entstand das nach ihm benannte, kreuzförmige Sudhaus. Hinzu kamen weitere Neubauten wie Brunnhaus und Magazingebäude. Viele der damaligen Salinenhäuser sind heute noch im Original zu sehen, wie auch die vermutlich größte Kapelle Deutschlands.

Chef der damals eigenständigen Saline war der Salzmaier. Er hatte einen hohen gesellschaftlichen Rang und die Brunnhauswärter, die an den Pumpstationen den Betrieb überwachten, waren angesehene Bürger.

Traunstein legt derzeit anlässlich des Jubiläums einen Salinenpark entlang der barocken Salinenhäuser an, der am 12. Juli 2019 eröffnet werden soll. Hauptattraktionen werden der sechs Meter hohe Nachbau einer Reiffenstuelpumpe sowie eine originale, funktionsfähige Reichenbachpumpe aus dem 19. Jahrhundert sein. Neben dem Freilichtmuseum gibt es eine Ausstellung im Albertistock zu 400 Jahre Soleleitung. Sie ist konzipiert als Ergänzung zum Salinenpark und konzentriert sich einzig und allein auf die erste bayerische Soleleitung von 1619. Daneben gibt es auch noch historische Stadtführungen mit dem Salzmaier, der über das Leben und die Arbeit in der Stadt und ihrer Saline um das Jahr 1800 erzählt, aber auch Interessantes aus seinem Leben preisgibt. Josef Knott schlüpft dabei überaus authentisch in die Rolle des Salzmaiers.

Attraktive Wanderwege

Darüber hinaus sind die Salzstädte im Chiemgau nicht nur historisch interessant, sondern auch durch attraktive Wanderwege und Steige miteinander verbunden. So kommt man beispielsweise auf einem Teilstück des SalzAlpenSteigs in der Nähe von Inzell Richtung Weißbachschlucht an den beeindruckenden Weißbachfällen vorbei. Ganz in der Nähe kann man dann die „Himmelsleiter“ erklimmen, die den Wanderer nach 420 Stufen zu einem historischen Hochbehälter bringt, der Teil der Soleleitung war. Nach einer rund einstündigen Wanderung durch schattenspendenden Bergwald gelangt man dann zur Moaralm, wo es eine gute Brotzeit und einen hervorragenden Kaiserschmarrn gibt.

1810 wurde eine dritte Saline in Rosenheim eröffnet. Der Grund dafür war, Napoleon hatte gerade erst die politische Landkarte Europas durcheinandergewirbelt, Bayern war nun Flächenstaat und Königreich und hatte Schulden. Der Salzverkauf war unverändert eine der wichtigsten Staatseinnahmen und der technische Fortschritt machte es möglich, die Leitung von 1619 bis nach Rosenheim zu verlängern. Die zweite Soleleitung war entstanden. Bauprinzip war stets, die Sole mit dem natürlichen Gefälle in hölzernen Rohren zu leiten. In bestimmten Abständen wurde die Sole dann wieder in die Höhe gehoben.

Eine dieser Pumpstationen war das Klaushäusel. Es ist die einzige vollständig erhaltene Solepumpstation und war bis 1958 – bis zur Stilllegung der Rosenheimer Saline – in Betrieb. Die Sole wurde, wie bereits kurz erwähnt, von eigens entwickelten Wassersäulenmaschinen gepumpt, für die der bayerische Ingenieur Georg von Reichenbach die Dampfmaschine abgewandelt hatte. Um Holz zu sparen, wurde sie mit Druckwasser statt Dampf angetrieben. Eine Original-Maschine steht im Klaushäusel, als letzte in ihrer Original-Umgebung.
(Friedrich H. Hettler)

(Ein neuer und ein historischer Deichel; Jodef Knott las Salzmaier und das Profil der Soleleitung von Reichenhall nach Traunstein. Die Reichenbach'sche Wassersäulenmaschine und die "Himmelsleiter" - Fotos: Friedrich H. Hettler)

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