Sommer in Weihenstephan ist ein besonderes, florales Erlebnis, denn auf einer Fläche von gärtnerisch ganz unterschiedlich gestalteten 18 Hektar blühen, wachsen und gedeihen Blumen, Sträucher, Stauden und Gehölze um die Wette. Hochgewachsene, stattliche Buchen, Linden oder Weiden bieten Schatten und rahmen das reichhaltige Pflanzsortiment. Die Blumen- und Pflanzenpracht ist nicht nur ein ästhetischer Genuss, das bunte Potpourri, vor allem im fünf Hektar großen Sichtungsgarten für Stauden, Freilandzierpflanzen und Gehölze, dient als Lehr- und Versuchsgarten für die Ausbildung der Studierenden der Hochschule Weihenstephan-
Triesdorf. Bernd Hertle, Professor für Gartenbauwissenschaft, leitet seit 1996 den Lehr- und Versuchsgarten. Er kennt und analysiert jede Blüte und Pflanze, kennt die komplizierten lateinischen Bezeichnungen und hat das richtige Gespür, Pflanzen farblich zu kombinieren.
„Die Sehnsucht der Menschen nach einem grünen Umfeld und Leben in Einklang mit der Natur wird immer größer, sozusagen als Gegenpol zur technischen Welt“, so Hertles Meinung. „Ich bin der Überzeugung, dass Menschen ihr grünes Umfeld selbst gestalten möchten. Dabei geht es für mich sowohl um Erholung und Ausgleich als auch um die Ästhetik, die mit Wuchsformen, Texturen und Farben im Garten einhergehen“. Damit spricht der Gartenexperte die weitreichende Wirkung der Pflanzenwelt an, die abgesehen von der Schönheit, die Gesundheit und Ökologie betrifft. Hertle bevorzugt es, vor Ort im Freilandlabor ganz pragmatisch zu lehren. Er spricht in diesem Zusammenhang das duale Prinzip an, das bei der Gartenbauausbildung in Weihenstephan angeboten wird.
Bei einem Rundgang durch den Sichtungsgarten führen mehrere 20 Meter lange und drei Meter breite Rasenwege durch den Garten und links sowie rechts gestalten Pflanzen in unterschiedlichen Höhen, Farben und Formen sommerlich blühende Beete. Da zwar Besucher kostenlos von 1. April bis 31. Oktober, 9.00 bis 18.00 Uhr auch an Sonn- und Feiertagen immer willkommen sind, dient die Anlage in erster Linie dazu, kulturwürdige Arten, deren perfekten Pflanzplatz und die geeigneten Nachbarpflanzen zu finden.
Geprüft werden zum Beispiel die Konkurrenzstärke (Verhalten gegenüber anderen Pflanzen), Stress-strategie (Höhe der Lebensdauer) oder Anfälligkeit für Krankheiten wie Mehltau. Die Komposition variiert je nach Jahreszeiten als „Mixed Borders“. In den Sommermonaten dominieren die Gelbtöne, die mit dem Blau der Salvien und dem Rosarot der Phlox Stauden korrespondieren. Luzifer Mombrezien und Fackellilien in leuchtendem Rot mischen sich effektvoll in ein anderes sommerliches Pflanzenmeer. Bei den Indianernesseln
bleibt Hertle stehen und betrachtet die hochwachsenden Sommerblüher, die, wie er sagt, einen erfrischenden Pfefferminzgeschmack besitzen und deren getrocknete Blätter den Indianern in Nordamerika einst als heilende Teemischung dienten.
Die Rosenbeete in prächtigen Farben, mit betörendem Duft und unterschiedlichen Formen sowie Größen befinden sich etwas separat. „In Weihenstephan haben wird die strengste Rosenprüfung der Welt“, erklärt Hertle. Anhand der ADR-Prüfung (Allgemeine Deutsche Rosenneuheitsprüfung), die deutschlandweit in elf anderen Prüfgärten durchgeführt wird, werden die Rosen gepflanzt und drei bis vier Jahre ohne chemische Pflanzenschutzmittel auf ihren Gartenwert beurteilt. Die besten neuen Sorten bekommen das ADR Prädikat. Drei Sterne sind die höchste Auszeichnung. Dabei werden bis zu 50 neue Sorten entdeckt. „Nach der Prädikatsprüfung wird hier alles abgeschnitten, um Platz zu machen für die nächste Rosenpflanzung“, ergänzt Hertle.
Bevor es auf den Weihenstephaner Berg, hinauf in den ehemaligen Klostergarten geht, besuchen wir noch eine Kleingartenanlage. Hier bekommt der Besucher Tipps und interessante Informationen zum Thema Urban Gardening. Welche Mischkulturen gehören in ein Hochbeet, wie bepflanzt man ein Kleingewächshaus und wie funktioniert eine automatische Bewässerungsanlage. Als Anschauungsmaterial dienen zum Beispiel Artischocken, pralle Krautköpfe, Kohlrabi und Mangold, die in Reih und Glied in den Beeten wachsen.
Im Hofgarten, oben am ehemaligen Kloster, wurde in den 1990er-Jahren das Salettl, das barocke Gartencasino der Weihenstephaner Äbte, restauriert und bildet seither den architektonischen Hingucker. Eine ausladende Rasenfläche wird gerahmt von Rabatten, die farblich Ton in Ton bestückt sind mit Sommerblumen wie Löwenmaul, Dahlien und Zinnien. Im Schatten von 100-jährigen Laubbäumen wie Blut-Buchen, Silber-Ahorn und Gingko lässt es sich genussvoll in die Ferne blicken. Bei guter Sicht ist sogar im Süden die Alpenkette zu sehen.
Unregelmäßig geformte Gevierte, bepflanzt mit Gräsern, Blattpflanzen und Hecken dominieren im Parterregarten. Sommerlicher gelber Blumenflor lockert das Gesamtbild auf. Leuchtend rosarote Kletterrosen ranken im Spalier, geschützt in dem Rundbogenrelief einer Ziermauer. Von hier aus schließt der Oberdieckgarten an, der in Terrassen und rechtwinkligen Gevierten gegliedert ist. Unterteilt in verschiedene Gartenthemen durchquert hier der Besucher unterschiedliche Themenbereiche. Rosen und Arzneipflanzen, Freilandorchideen Hortensien und unterschiedliche Stauden und Gehölze sind zu bewundern. Überraschende Einblicke in Teichanlagen, wo prächtige Seerosen das malerische Idyll ergänzen, erhöhen den meditativen Charakter.
Der Reiz all der Weihenstehpaner Gärten ist zum einen die Vielfalt, der ästhetische Genuss sowie der Lehr- und Lerneffekt und zum anderen meint Hertle: „Am besten kann man einen Garten verstehen, wenn man ihn über das ganze Jahr hinweg, zu unterschiedlichen Tageszeiten erlebt.“ Da diesen Vorzug nicht Jedermann nutzen kann, empfiehlt es sich, öfter die Gärten zu besuchen Denn je nach Wechsel der Jahreszeiten ändert sich ihr Aussehen und dem Besucher werden wieder ganz neue Eindrücke präsentiert. (Eva-Maria Mayring)
(Bernd Hertle im Staudengarten und das Salettl - Fotos: Eva-Maria Mayring)
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