Freizeit und Reise

Elena Hammerschmid und Sebastian Josef Danner sind das neue Paar der Agnes Bernauer Festspiele 2024. (Foto: Agnes-Bernauer-Festspielverein, Jürgen Sperl)

03.06.2024

Eine Frage der Ehre

Die Agnes Bernauer Festspiele 2024 in Straubing: Ein spannendes Stück Geschichte der Wittelsbacher Herzöge

Alle vier Jahre, so auch heuer (21. Juni bis 21. Juli 2024), finden in Straubing die Agnes Bernauer-Festspiele statt. Auslöser der Geschichte: Eine Agnes Bernauer wird in der Donau ertränkt. Das ist auch im Festspiel 2024 so. Für Werner Schäfer, Bürgermeister der Stadt Straubing und Bernauer-Forscher, war dies eine Frage der Ehre im damaligen Adel der Reichsstände-Herzöge: „Agnes Bernauer, eine Frau von niedrigem Stand, war, wohl heimlich, aber inzwischen in der Bernauer-Forschung weitestgehend unbestritten, mit Herzog Albrecht III. verheiratet. Und das war ein Skandal.“ Das Festspiel will die Geschichte im Wahrheitskern wiedergeben. Und das seit 1935 in verschiedenen Varianten. Schäfer sagt: „Man hat immer versucht, die geschichtlich tatsächlichen Hintergründe, mit dem, was man theatralisch umsetzen kann, zu verbinden.“

Für das Theatralische zeichnet in diesem Jahr der Regisseur und Autor Thomas Stammberger verantwortlich. Der gebürtige Bad Kötztinger hat das Stück neu geschrieben und inszeniert. Ein normaler Vorgang, um Szenerie und Sprache dem Zeitgeist anzupassen. Hat man das Festspiel schon einmal gesehen, erlebt man es in diesem Jahr mit neuen Augen. Stammberger erzählt, wie er sich dem Bühnenstück und der Rolle der Agnes angenähert hat.

„Ich habe gut zwei Jahre Recherche und Auseinandersetzung gebraucht, bis ich diese Figur spüren konnte, bis ich als Autor so in sie hineinschlüpfen konnte, dass ich jetzt zu wissen glaube, wie sie tickt. Anders als in den bisherigen Bühnenfassungen erzähle ich ja ganz nah dran an Agnes, weitgehend aus ihrer Perspektive. Wir erleben, wie sie Herzog Albrecht kennenlernt, wie sie an den Hof nach München geholt wird, wie sie dort von der einfachen Baderin zur Frau an Albrechts Seite aufsteigt. Einerseits ist sie klug und selbstbewusst, andererseits aber auch ziemlich überfordert mit all den Gepflogenheiten und Ränkespielen der höfischen Welt. Aber sie kämpft um ihren Platz und dabei macht sie sich erstaunlich gut. Neben Mut, Entschlossenheit und Gerechtigkeitssinn hat sie vor allem auch Humor. Das ist die Basis der Liebe zwischen ihr und Albrecht. Und am Ende ist sie tapfer. Tapfer und entschlossen bis in den Tod.“

Heimliche Ehe

Seit Professor Siegmund von Ritzler, Lehrstuhlinhaber für Bayerische Landesgeschichte an der Universität München, schienen ein Turnier in Augsburg im Fasching 1428, an dem der Wittelsbacher Herzog Albrecht III. teilnahm, und ein anschließender Badebesuch den Beginn der Bekanntschaft des Münchner Erbprinzen mit Agnes zu markieren.

Die Entdeckung einer Steuerliste 1996 wirft ein neues Licht auf die dunklen Anfänge: Das Dokument aus dem Frühjahr 1428 mit einer fragmentarisch enthaltenden Namensliste von Albrechts Hofgesinde weist mit dem Namen „pernawerin“ eine erste bislang bekannte Nennung der Agnes Bernauer auf. Sie zahlte als Angehörige des Gesindes der Herzoginmutter Elisabeth den geringsten Steuerbetrag und gehörte damit offenbar zu den niedrigsten Hofbediensteten. „Damit wird das Kernproblem des Falles Agnes Bernauer deutlich unterstrichen“, sagt Schäfer, „der soziale Unterschied zwischen ihr und dem Münchner Herzogssohn.

Bis zum Dekret „Tametsi“ des Konzils von Trient im Jahr 1563 blieb die Ehe durch die reine Übereinstimmung der Partner begründbar. Aus Sicht der Aristokratie beruhte die Ehe Albrecht III. und von Agnes Bernauer auf keiner „ehrlichen Heirat“. Sie war unebenbürtig, unstandesgemäß, eine Lust- und Winkelehe, eine Missheirat. Sie war ein Verstoß gegen die Ständegesellschaft, gegen die Ständehierarchie und die Ständeideologie. Die Ehe durfte wohl Ende 1432, Anfang 1433 geschlossen worden sein. Schäfer erzählt: „Im Januar 1433 geschah etwas Seltsames. Herzog Albrecht schenkt ein Bauerngut in Niedermenzing an die ‚ersame Junckfrawen Agnes der Pernawerin und allen Iren erben’. Eine Liebesheirat wird materiell abgesichert oder es ist Teil einer Eheschließung?“

In den geschichtlichen Aufzeichnungen und im Festspiel ist Herzogin Beatrix eine Treiberin. Die Schwester des Herzogs Albrecht III. sieht in Agnes einen Emporkömmling und beschimpft die Verbindung ihres Bruders mit der „hoch- und großfaisten Bernauerin“, bei einem Empfang des Münchner Stadtrats und Patriziats öffentlich aufs Schärfste. Sie sei eine „aufgeblasene, anmaßende Nessen“, was die verballhornende Form für Agnes ist.
Thomas Stammberger kennt die Welt des Theaters und Fernsehens aus Arbeiten in Hamburg, Berlin, Köln und München. Zusammen mit Johannes Reitmeier hat er bereits 1995 ein Agnes-Bernauer-Festspiel für Straubing verfasst, das über mehrere Spielzeiten erfolgreich aufgeführt wurde. „Mit dem neuen Stück habe ich mir zum Ziel gesetzt, ‚filmischer’ zu sein, schneller, zeitgemäßer und emotional so nah wie möglich bei den Figuren und damit auch beim Zuschauer. Ich möchte Emotionen wecken, möchte ein Publikum, das Freude hat, aber auch ins Nachdenken kommt. Ein Publikum, das fühlen kann, wie dramatisch diese Geschichte damals vor 600 Jahren lief. Es soll ein emotionales Stück sein.“

„Agnes Bernauer ist über satte sieben Jahre das Sandkorn im Getriebe des Herzogtums Bayern-München. Das ganze Haus Wittelsbach sieht mit Verachtung auf die unstandesgemäße Verbindung zwischen Baderin und Herzogssohn. So lange Agnes lebt, ist Albrecht als Thronfolger für eine legitime Heirat und legitime Erben geblockt. Der Adel, die Kirche, das Bürgertum, die Ritterschaft, die herzogliche Familie – fast alle begegnen der Bernauerin mit Hass, Druck, Intrige. Das ganze Stück ist gespickt mit Widerständen, denen sich die Baderstochter am Hof in München und Straubing ausgesetzt sieht“, beschreibt Stammberger die Szenerie, „Am Ende jedenfalls bricht über alle ein Alptraum herein, aus dem es nur einen Ausweg gibt: den Mord.“

„Das Schicksal der Agnes Bernauer ist ein Szenenrand in der Geschichte, wenngleich ein tragisches menschliches Schicksal“, fasst Schäfer zusammen. „Es geht darum, wie es nach Albrecht III. weitergeht. Fakt ist, die aristokratische Ehre wird durch die Eheschließung verletzt. Doch die politischen Umstände waren mehr als schwierig. Die Ritterschaft im Umfeld von Straubing verlangt Entschädigungen für Verluste bei den Hussitenkriegen und auch familiäre Geldauseinandersetzungen spielen eine Rolle.“

Die Jagd

Mit der großen Landesteilung im November 1392 bestanden im Hausbereich der altbayerischen Wittelsbacher vier selbständige Teilherzogtümer: Bayern-München, Bayern-Landshut, Bayern-Ingolstadt und Bayern-Straubing-Holland. 1425 kam Straubing im Rahmen eines Erbfalls zu München. Herzog Ernst I. und Herzog Wilhelm III. regierten zusammen. 1432 betrieb der Münchner Hof Heiratspläne für Albrecht mit dem letzten holländischen Nachkommen, Jakobäa von Bayern. Doch diese heiratete heimlich Ritter Frank von Borselen. Herzog Albrecht kam dies nicht unrecht, kannte er wohl schon seine Agnes.

Im November 1434 wurde Albrecht bei einem Ritterturnier in Regensburg gedemütigt. Er wurde „wegen seiner Geliebten, wegen der er, wie man glaubte, sich weigerte, eine legitime Gattin zu nehmen, angegriffen und geschlagen“. Dokumentiert ist auch der Zorn von Beatrix, Albrechts Schwetser, bei einem Adventsbesuch in München „herzog Albrechts wegen, das er nit auch ein schonen frawen her“. Hintergrund ist sicher, dass Herzogin Margarethe, die Ehefrau von Wilhelm III., am 7. Januar ihren Sohn Adolf zur Welt brachte und damit neben Albrecht einen weiteren potenziellen Nachfolger für Bayern-München. Beatrix sieht die Linie ihres Vaters Ernst I. in Gefahr. Agnes und ihre „unehrenhafte“ Verbindung zu Albrecht bleibt also gesellschaftlich wie politisch im Gespräch.

Im Januar 1433 wurde Herzog Albrecht Stadthalter in Straubing. Es kam reihenweise zu Konflikten. Herzog Ernst warf seinem Sohn mangelnden Gehorsam vor. Im Juni 1435 wurde Albrecht aus Straubing verstoßen oder er zog sich freiwillig zurück. Er ist nun auf Schloss Vohburg. Am 13. September 1435 starb überraschend Wilhelm III., das Totenamt wurde für den 16. Oktober in Straubing geplant. Interessant ist ein Eintrag, datiert vor dem 16. Oktober, den ein Münchner Stadtschreiber in seinem Kammerbuch vermerkte: „Item 13 Schilling 10 Pfennig haben wir zalt dem Lysaltz mit unserm gnädigen herrn herzog Ernsten gen kelhaim zu zerung, do die fursten und hern ein underred mit einander hetn von herzog Lud und von der Bernawerin wegen“.

Kurzer Prozess

Wurde in Kelheim ein Plan geschmiedet, der die „Bernauer-Affaire“ beenden sollte? Die Geschichte um Agnes Bernauer spitzt sich zu. Am 6. Oktober 1435 erreicht Albrecht die Einladung zur Jagd nach Landshut. Am 16. Oktober musste er in Straubing sein, wollte aber davor am 13. Oktober in Landshut sein. Er konnte also am 11./12. Oktober nicht in Straubing sein. Während Albrecht also den Umweg über Landshut nahm, reiste Agnes direkt nach Straubing, ahnungslos, was sie dort erwartete.

Bei einem Prozess vor dem Straubinger Hofgericht wurde der Bernauerin ein sprichwörtlich kurzer Prozess gemacht, vielleicht sogar mit falschen Zeugen. Herzog Albrecht konnte nicht eingreifen, er war in Landshut. Am 12. Oktober stieß man Agnes in Straubing von der äußeren Donaubrücke und ertränkte sie.

Was legte man ihr zu Last? Schäfer beschäftigte sich intensiv damit und nimmt Bezug auf eine Handlungsanleitung für den Boten, den Herzog Ernst mit einer Nachricht zu Kaiser Sigmund entsandte. Er erklärte es so: „Daraus lassen sich Vorwürfe des Schadens- und Liebeszauber, des Hochverrats und der Landschädlichkeit ableiten. Sie wird des Hochmuts, der Arroganz und der Anmaßung bezichtigt, alles beurteilbar als Todsünde. Kaiser Sigmund sollte das Urteil legitimieren. Damit wird wieder ein wesentlicher Aspekt des fürstlichen Gewaltakts deutlich: Der Verlust der adeligen Ehre in Zusammenhang mit Albrechts unebenbürtiger Verbindung mit Agnes Bernauer. Der Kaiser sollte auf Albrecht einwirken.“

Eine Aussöhnung war zunächst nicht in Sicht. Erst im Mai 1436 zeigt sich wieder ein gutes Einvernehmen zwischen Vater und Sohn. Im November 1436 ehelichte Albrecht Anna, die Tochter des Herzogs Erich von Braunschweig-Grubenhagen. Mit ihr hat er dann zehn Kinder, darunter Albrecht IV., seinen Nachfolger. Die Ehre ist wieder hergestellt.

Thomas Stammberger philosophiert über die Frage, was am Ende bleibt: „Ich beschäftige mich jetzt seit vielen Monaten mit dem Bernauer-Stoff und je länger ich draufschaue, desto mehr glaube ich zu wissen, warum er die Jahrhunderte überdauert hat: Es ist eine Geschichte, aus der man einige Erkenntnis ziehen kann, über uns Menschen, über die Menschen im Mittelalter und über uns Menschen in der Gegenwart, über unsere Affekte, unsere Träume, über das Leben als solches, über unsere Art zu wünschen, zu hoffen, zu begehren, unsere Art die Welt zu sehen. Jeder von uns geht seinen Weg auf seine ganz eigene Weise, jeder von uns hat seinen eigenen Kopf und sein eigenes Bild von der Welt. Sehr oft, zu oft schauen wir nicht nach links und nicht nach rechts. Das ist das Problem. Und das ist das Verhängnis. Heute und in der Tragödie um Agnes. Können wir daraus etwas lernen, aus dem Geschehen auf der Bühne? Ich weiß es nicht. Als Theatermacher hofft man das. Lassen wir uns überraschen.“ (Ulrike Eberl-Walter)

www.agnes-bernauer-festspiele.de

 

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