Freizeit und Reise

Die mechanische Krippe von Karl Klauda. (Foto: Gabi Dräger)

20.12.2016

Krippen und Christkindl-Postamt

Traditionsreiche Weihnachtszeit im Steyrer Stadtteil Christkindl

Von Steyr kommt man bequem und gemütlich mit dem Oldtimer-Postbus aus den fünfziger Jahren von Steyr in den Stadtteil „Christkindl“. Die vom Schnee leicht überzuckerte Landschaft sorgt schon für eine weihnachtliche Stimmung. In Christkindl angekommen treibt einen die Neugierde zuerst in das weltberühmte Postamt Christkindl, das 1950 eingerichtet wurde. Hier hat das Christkind alle Hände voll zu tun. Alle Wunschzettel und Briefe an das Christkind werden handschriftlich beantwortet. Etwa zwei Millionen Briefsendungen werden mit einer Weihnachtsmarke versehen und mit einem Sonderstempelabdruck auf die Reise in die ganze Welt geschickt. Gleich nebenan kann man im Christkindl-Shop noch ein paar weihnachtliche Artikel erstehen. Für die weltlichen Genüsse gibt es den „Christkindlwirt“, den es schon seit 200 Jahren gibt, er ist auf den Grundmauern der ersten Einsiedelei gebaut worden. „Mama, schau ein Engel“, ruft die kleine Anna mit leuchtend großen Kinderaugen. Auf der mechanischen Krippe von Karl Klauda pulsiert das Leben, da gibt es viel zu entdecken. Für Kinder ist diese Krippe ein absoluter Magnet. Ja, es ist Weihnachtszeit, das spürt man beim Anblick der Krippe. Oben ziehen die Heiligen Drei Könige mit Gefolge in Bethlehem ein und eine Burgwache ist auf ihrem Kontrollgang. Darunter kommen Maria und Josef nach Bethlehem und genau im Zentrum der Krippe ist die Geburtsgrotte mit der Heiligen Familie und den Hirten dargestellt. Auch das Jesuskind bewegt sich, es setzt sich auf, grüßt winkend mit einer Hand oder spendet einen Segen und legt sich wieder nieder. Kann es sein, dass man ein leises „ciao“ gehört hat? In der nächsten Ebene rennen Schafe im Eiltempo zur Weide während historische und biblische Figuren langsam und majestätisch vorbeigleiten. Da sieht man Eva und Adam, Paradiesengel, Noah, Isaak und Abraham, Moses, König David, Jesus als Zwölfjährigen mit seinen Eltern, Johannes den Täufer, Jesus mit den Aposteln, Paulus, Kaiserin Helena, Kaiser Konstantin und Karl der Große. Besonders schön und ergreifend sind die Szenen mit einfachen Leuten in den darunterliegenden Gewölben. Da arbeiten ein Steinmetz, Schmied, Tischler, Fassbinder, Perlmuttschnitzer und Frauen an Getreidemühlen, dazu musiziert in der Mitte ein Engelorchester. Auch zwei Wassergötter sind zu sehen, sie symbolisieren die Flüsse Enns und Steyr, so hat Karl Klauda auch den Bezug zur Stadt Steyr hergestellt. 40 Jahre arbeitete Karl Klauda an dieser großartigen Krippe. Sie ist nicht nur ein Meisterwerk der Schnitzkunst, Landschaft und Hintergrundmalerei, sondern vor allem der Mechanik. Ein gut ausgeklügeltes System mit Fahrradketten, Zahnrädern, Walzen und Wellen bringt Bewegung in 300 Figuren aus Lindenholz. Früher wurde mit einer Handkurbel per Muskelkraft die Krippenmechanik bedient, heute setzt ein Elektromotor die Figuren in Bewegung. Eine böhmische Walzenorgel, die für die musikalische Untermalung sorgt, wird inzwischen auch elektrisch angetrieben. Die Landschaft baute Klauda aus Korkeiche, denn das Holz ist bei Holzwürmern nicht sehr beliebt. Als Karl Klauda den Rahmen der Krippe schnitzte, war er schon 83 Jahre alt. Klauda (1855-1939) kam von Böhmen nach Steyr und arbeitete als Schlosser in den Werndl-Werken. 1954 kaufte Pfarrer Alois Hartl von Christkindl die mechanische Krippe von Klaudas Nachfahren, seitdem steht die mechanische Krippe im Pfarramt in Christkindl und ist ein Magnet für Menschen die von weltweit herkommen um die Krippe zu bestaunen. In zwölf Sprachen gibt es Texte. Dass sich die Figuren der mechanischen Krippe heute noch bewegen, ist das Werk von Walter Schmidt, der „Doktor Kripperl“ genannt wird. Er hat sich schon als Maurerlehrling um die Krippe gekümmert. Er ist für die Reinigung, Schmierung und Reparaturen verantwortlich. Bei den Reparaturarbeiten hat er die Mechanik bis ins kleinste Teil kennengelernt. Seit Schmidts 70. Geburtstag fährt „Doktor Kripperl“ als Dank und Anerkennung selbst als Figur in dem mechanischen Krippenspiel mit. Die mechanische Krippe von Christkindl ist eine der größten mechanischen Weihnachtskrippen Österreichs. Sprachlos steht man vor der großen orientalischen Pöttmesser Landschaftskrippe. Die Größe ist unglaublich, 18 Meter ist die Krippe lang. Sie hat eine Landschaft von 58 Quadratmetern auf der 778 Figuren stehen. Sie zählt mit zu den größten Krippen der Welt. Die Szenerie der Pöttmesser Krippe ist in vier Landschaften unterteilt. Das erste Bild stellt Hirten mit der Verkündigung dar. Die Hauptszene ist die Geburt Jesu in einer Felsengrotte, und darüber ist in einem Wolkengebilde Gottvater zu sehen, der über alles wacht. Die dritte Landschaft zeigt Frauen am Brunnen und Händler und Einkäufer auf dem Beduinenmarkt. Das letzte Bild zeigt die Heiligen Drei Könige mit ihrem Gefolge vor dem Hintergrund einer orientalischen Stadt. Die Gewänder sind aus wertvollen Stoffen mit Stickereien, Bordüren und Bändern verziert, ganz im damaligen Stil des Orients. Auf einer Bank kann man der Geschichte der Krippe per Tonband folgen. Die Figuren sind ein Werk des Südtirolers Ferdinand Pöttmesser, er wurde 1895 in Meran geboren. Nach einer Ausbildung zum Kaufmann, gab er dann doch seinen Beruf auf, um sich ganz der Leidenschaft der Krippenschnitzerei zu widmen. Ab 1930 baute er vier Jahre lang im Schloss Bruneck eine über 50 Quadratmeter große orientalische Krippe. Diese Krippe wurde später nach Maria Einsiedeln in die Schweiz verkauft. Doch in Maria Einsiedeln wurde aus feuerpolizeilichen Auflagen für die Krippe ein neuer Krippenberg gebaut. So bekam Pöttmesser seine Krippenlandschaft zurück. Bei einer Pilgerreise ins Heilige Land lernte Pöttmesser 1954 den Pfarrer Alois Hartl aus Christkindl kennen, und bietet ihm eine Großkrippe an. Er fing an eine zweite Garnitur Krippenfiguren für die Krippenlandschaft zu schnitzen. Seine 20 bis 30 Zentimeter großen Figuren aus Lindenholz haben Kugelgelenke, damit man ihnen Kleidung anziehen kann. Kurz vor Pöttmessers Tod erwarb 1972 Pfarrer Hartl die Krippe für sich privat, die daraufhin nach Christkindl gebracht und in Kisten gelagert wurde. Der Pfarrer Alois Dinböck kaufte 1988 die Krippe aus dem Privatbesitz seines Vorgängers Hartl für die Pfarrei Christkindl. Bei der Gelegenheit wurden die Kisten geöffnet und festgestellt, dass die Krippe sehr wertvoll und viel zu schade ist, in einer Kiste zu schlummern. Außerdem stellte man fest, dass ein Teil der Krippenlandschaft fehlte. Es wurde beschlossen die Krippe aufzustellen, um sie der Öffentlichkeit zu zeigen. Es konnten immer nur Teile der Krippe, weil sie so groß war, im Schloß Lamberg, im Innerberger Stadl und in der Stiftskirche Garsten aufgestellt werden. Durch das Auf- und Abbauen war die Krippenlandschaft aus Papiermaché und Gips ziemlich ramponiert. So schuf der Krippenbaumeister Josef Seidl aus Christkindl eine neue Landschaft und dabei wurde die Krippe auch vergrößert. Nach der Renovierung des Pfarrhauses 1999 hat die Krippe nun hier endgültig ihren Platz gefunden. Beide Krippen, die mechanische Krippe und Pöttmesser Krippe stehen nun ständig aufgestellt im Wirtschaftsgebäude der Pfarrei Chistkindl. Wem die Zeit bis Weihnachten zu lang ist, kann auf Vereinbarung, sogar im Sommer die Krippen anschauen. Der Obmann des Krippenvereins Ferry Jakob bietet gerne Führungen an. Er weiß alles über die Krippen. Der Kapellmeister und Feuerwehrmann Ferdinand Sertl litt an Epilepsie und ging oft in die Einsamkeit, um zu beten. Häufig besuchte er den kleinen Wald oberhalb des Ufers der Steyr bei der Ortschaft Unterhimmel. 1696 kaufte er für 30 Kreuzer ein zehn Zentimeter großes Christkind aus Wachs. Es war eine Nachbildung des „Loretokindes“ in Salzburg, das in der erhobenen linken Hand ein Kreuz, und in der rechten Hand eine Dornenkorne, hält. Er legte es in die Baumhöhle eines Fichtenstamms. Sertl ging nun mehrmals in der Woche zu dem Baum mit dem Christuskind und betete. Bald hatte er keine epileptischen Anfälle mehr, so glaubte er, dass seine Gebete erhört worden waren. Er wollte es geheim halten, doch seine Heilung sprach sich bald herum und der Baum wurde von vielen Menschen besucht. So hat man 1699 zum Schutz um den Baum eine einfache Kapelle aus Holz und eine Einsiedelei errichtet. Der Abt Anselm Angerer von Garsten bat den Bischof von Passau um eine Prüfung der Heilung, und den Bau einer Kirche zu genehmigen. Doch die Anerkennung und Genehmigung blieben aus, so veranlasste 1702 Abt Anselm den Bau der heutigen Kirche und bat den Bischof von Passau erneut um die Genehmigung eine Kirche zu bauen. Doch Passau erließ den Befehl, den angefangenen Bau der Kirche einzustellen und das Jesuskind aus Wachs in ein Kloster, Stift oder eine Kirche zu geben. Obwohl die Zahl der Pilger zum Jesuskind ständig wuchs musste Abt Anselm den Bau der Kirche 1703 einstellen und der bayrisch-österreichische Krieg erschwerte sowieso die Beziehung zu Bayern. Die Kirche wurde nach Entwürfen von Giovanni Battista Carlone und Jakob Prandtauer im Barock gebaut. Erst 1708 erhielt Abt Anselm die ersehnte Genehmigung zum Weiterbau und 1709 wurde die noch nicht ganz fertige Kirche von ihm gesegnet. Erst im Juli 1725 erfolgte die feierliche Einweihung der Kirche durch den Bischof von Passau Josef Dominik Graf von Lamberg. Die Kirche wurde um den ursprünglichen Fichtenstamm mit dem Gnadenbild gebaut. Der Fichtenstamm wurde konserviert und befindet sich heute teilweise sichtbar in der Mitte des Hochaltars. Im Hochaltar ist über einem Tabernakel, in Form einer Weltkugel, das Christkind aus Wachs von einem Strahlenkranz umgeben, zu sehen. Eine unerklärliche und besondere Stimmung geht aus, wenn man zum Altar sieht. Fazit: Nirgends ist die Weihnachtszeit prächtiger, traditionsreicher und festlicher als in Christkindl. So ist man für die Heilige Nacht und das Weihnachtsfest schon eingestimmt. (Gabi Dräger) (Das Christkind aus Wachs, umgeben von einem Strahlenkranz; Detail aus der Pöttmesser Krippe und die Wallfahrtskirche Christkindl - Fotos: Gabi Dräger)

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