Freizeit und Reise

Die Hexe - im Kostüm steckt ein Mann - führt als Zeremoniemeisterin die Gruppe der Perchten an. (Foto: Neuhauser Lea)

14.11.2024

Schaurig schön

Die Perchtenläufe aus dem Tiroler Alpbachtal

Die Perchtenläufe im Tiroler Alpbachtal sind mehr als nur ein uraltes Ritual: Hier wird ein Brauchtum gepflegt, das seit Jahrhunderten über Generationen weitergegeben wird. Während der Ort Breitenbach am Inn noch strikt am Überlieferten festhält, zeigt sich in anderen Orten, wie das Traditionelle behutsam mit der Zeit gehen kann – und auf einmal zur Pariser Fashion Week eingeladen wird. Die Perchten, das sind wilde Gestalten mit schaurigen Holzmasken und schweren Kostümen aus getrockneten Maisblättern, die, begleitet von krachenden Trommel-Rhythmen, durch das Dorf ziehen, um die bösen Geister des Winters zu vertreiben. Wer dieses faszinierende Spektakel erleben möchte, der sollte am 5. oder 6. Dezember die Tourismusregion Alpbachtal besuchen.

Wenn sich Anfang Dezember die Dämmerung über das Tiroler Unterland legt, verwandeln sich die Dörfer im Alpbachtal in mystische Schauplätze des Perchtenbrauchtums. Das „Peaschtl-laffn“ ist hier nicht nur eine Tradition, sondern ein fest verwurzelter Bestandteil des Dorflebens – und ein Spektakel. Die Wiege des Brauchs liegt in Breitenbach am Inn – so sagt man. Wenn hier Kinder das Wort „Peaschtln“ hören, bekommen sie glänzende Augen. Denn für die Kinder von Breitenbach am Inn ist er der absolute Höhepunkt des Jahres. Deswegen gibt es auch zahlreiche Kinder-Passen, in denen sich junge Buben mit leidenschaftlichen Herzen einer Tradition widmen, die schon ihre Vorväter gepflegt haben. Rund um das Jahr 1900 hielt man den wunderbaren Brauch erstmals schriftlich fest. Alle Passen - das sind Gruppen aus Breitenbach am Inn, Angerberg und Mariastein - halten sich auch heute noch genau an die alten Rituale, denn schließlich handelt es sich um keinen Faschingsumzug mit Masken aus Plastik. Das Peaschtln ist ein urtümlicher Brauch aus längst vergangenen Tiroler Zeiten.

Mit Kettensägen geschnitzt: Die Kunst der Holzmasken und Larven 

Deswegen existieren auch noch die schaurig schönen alten Holzmasken. Die Namen der damaligen Holzschnitzmeister werden von den Einheimischen noch immer mit Ehrfurcht ausgesprochen. Die Schnitzer haben in den Dörfern nahezu Kultstatus. Aber natürlich werden auch heute noch Masken geschnitzt, wenngleich sich die Methoden ein wenig verändert haben. Schließlich werden die „Larven“, also die Masken, mit Motorsägen aus Zirbenholz-Blöcken geschnitten. Dazu bedarf es viel Geschick und Präzision. Die furchteinflößenden Hörner werden dann anschließend montiert. „Früher haben die Männer Ruß ins Gesicht geschmiert, da sie ja noch keine oder nur spärliche Larven besaßen“, ergänzt Barbara Moser. Die Breitenbacherin ist eine absolute Expertin für diesen Brauch und hat schon mehrere Bücher darüber verfasst. In den umliegenden Orten hat sich die Tradition um den Ruß weiterentwickelt und es wird heute oft auch das Gesicht unter den Larven geschwärzt.   

Hexen, Hupfer und Trommler in den Ursprungsgemeinden und Tamperer 

Was muss man sich also unter dem originalen „Peaschtln“ vorstellen? In etwa 25 Männer schließen sich zu einer Gruppe, die Pass genannt wird, zusammen. Wobei jeder in eine bestimmte Rolle schlüpft. Dem Zug voraus geht die „Hex“ (ein Mann), denn schließlich ist sie die Zeremonienmeisterin. Dann folgen die „Trommler“ und die „Blaser“. „Und zwar immer in der gleichen Reihenfolge, denn die Aufstellung des Zuges ist strikt festgelegt“, erklärt Barbara Moser. Die Trommler, oder auch Tamperer genannt, erzeugen mit Holzschlägeln auf alten Benzinkanistern ganz bestimmte Rhythmen. Die Blaser sorgen für schaurige Klänge, wenn sie mit Bock- und Signalhörnern den Zug anfeuern. In Breitenbach gibt es nur einen Rhythmus, in den umliegenden Orten haben die Gruppen in etwa 15 verschiedene Rhythmen im Repertoire – pro Saison. 

Gewänder aus Maisblättern 

Den Abschluss bilden in Breitenbach am Inn die sogenannten „Hupfer“, also Springer, die Glocken und Schellen an ihren Gewändern haben. Apropos Kostüme. Die Mitglieder der Passen arbeiten bereits im Sommer an den Kostümen, denn es ist sehr viel Arbeit, die imposanten Gewänder aus getrockneten Maisblättern herzustellen. Dafür sehen sie sensationell aus, die „Maisbratschen-Gewänder“, die richtig schwer werden können. Die Hupfer sind leichter, schließlich wird die Höhe ihrer Luftsprünge darüber entscheiden, wie hoch das Getreide und die anderen Feldpflanzen wachsen werden. Die Luftsprünge sollen auch Glück und Gesundheit bringen.

Die Hexe kehrt die bösen Geister aus dem Haus

Die verschiedenen Passen ziehen von Haus zu Haus. Angeführt von der Hex. „Nur beim Verlassen der Häuser ändert sich die Reihenfolge, denn da geht die Hex als Letzte“, erzählt Moser. Aber das ist ja auch logisch, schließlich kehrt sie mit ihrem Besen die bösen Geister aus dem Haus hinaus. Vor dem Haus steht dann oftmals schon die nächste Gruppe, die zu Besuch kommt. Allein in Breitenbach am Inn gibt es rund 50 Passen. Da ist ordentlich Bewegung und Lärm im Ort. Nicht vor der Kirche: Denn so will es der Brauch. An dem Haus des Herren ziehen die Perchten in andächtigem Schweigen vorbei.

Die moderne Seite eines uralten Brauchs

Natürlich steht auch dieser Brauch im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne. Deutlich sieht man das bei der „Seidä Pass“ aus Kramsach. Hier und in den umliegenden Dörfern des Alpbachtals haben die Gruppen dem Brauch ganz neue Elemente hinzugefügt. Martin Knapp, Tamperer des Seidä Pass, erklärt: „Die Wurzeln respektieren wir sehr, aber es gibt immer auch Raum für Neues.“ So trifft man in diesen Passen auf viel schwerere Gewänder mit bis zu 50 Kilogramm, längeren Hörnern und feurige Hexentänze. Zudem gibt es statt den „Hupfern“ die so genannten „Läufer“, wendige Fellteufel, welche mit Martinshörnern - der sogenannten „Bahnerla“ - die Rhythmen hupend untermalen und so manchen Zusehern auch Ruß ins Gesicht schmieren. „Wir sind nicht nur Bewahrer, sondern auch Gestalter,“ lacht Knapp, der seit über 15 Jahren dabei ist. Damit alles im Takt läuft, wird im Herbst regelmäßig geprobt. Und weil das Üben auf Metallkanistern einen ohrenbetäubenden Lärm in der Nachbarschaft auslösen würde, schlägt man kurzerhand auf Holz. „Wir üben Rhythmen grundsätzlich auf Holztischen, das ist leiser und die Schläge werden aufgrund des geringeren Halls präziser“, so Knapp. (BSZ)

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