Wohl kein zweiter bayerischer Tourismusort steht so gut für die Möglichkeit des grundsätzlichen Imagewandels wie Oberstaufen. Noch vor rund 20 Jahren kursierte über den Wintersport- und Wanderort im Landkreis Oberallgäu der wenig schmeichelhafte Spruch: „Willst Du vögeln oder saufen – fahr nach Oberstaufen.“ Eine Art Ballermann in den Allgäuer Alpen sozusagen. Doch anno 2016 ist davon nichts mehr zu spüren: Oberstaufen ist mittlerweile eine Vorbilddestination für Erholungsreisende – darunter ältere Semester genau so wie Familien mit kleinen Kindern. Die Hotellerie muss sich nicht mehr vor Österreich verstecken.
Bevor Oberstaufen in den 1980er und 1990er Jahren als Reiseziel für Hedonisten zu eher zweifelhaftem Ruhm kam, punktete der Ort vor allem als Zentrum der sogenannten Schrothkur. Diese gibt es auch noch heute – traditionell oder, auf Wunsch, auch angereichert durch Elemente des Wellness.
Alles geht zurück auf den Fuhrmann Johann Schroth. Dieser litt vor gut 200 Jahren an einem verletzten Knie. Nachdem er einige andere Methoden ausprobiert hatte, versuchte es der gute Mann mit Hilfe feuchtkalter Wickel und voilá: Die Beschwerden ließen nach. „Was für das Knie gut ist, kann dem restlichen Mensch nicht schaden“, sagte sich Johann Schroth und entwickelte daraufhin den Ganzkörperwickel. In diesen werden die Kurgäste bereits am frühen Morgen eingepackt. Hinzu kommt eine – allerdings ziemlich strenge – Diät und die Verpflichtung, möglichst viel zu trinken.
Entwickelt im frühen 19. Jahrhundert
Entwickelt wurde die Schrothkur zwar um 1829 im damals noch schlesischen Niederlindewiese (heute das tschechische Dolni Lipová), aber so richtig populär im deutschsprachigen Raum wurde es erst durch die Anwendungen in Oberstaufen. Der schlesische Arzt Hermann Brosig entschied sich 1947, aus der Kriegsgefangenschaft besser doch nicht in die russische Besatzungszone heimzukehren, sondern sich in Oberstaufen niederzulassen. Mehr als 30 Jahre führte er dann in seinem neuen Zuhause Schrothkuren durch, im Jahre 1956 wurde das damals noch sehr abgelegene Oberstaufen als erster deutscher Schrothkurort anerkannt, 1969 kam dann die Bezeichnung Heilklimatischer Kurort hinzu. Sozusagen eine Kombination aus beiden Titeln erlangte die Kommune dann 1991 mit der Anerkennung als Schroth-Heilbad – als bisher einziger Ort dieser Art in Deutschland.
Inzwischen wird die Behandlung natürlich auch längst nicht mehr nur bei lädierten Knien angewendet. Gute Erfolge feiert man auch bei Erkrankungen des vegetativen Nervensystems, den sogenannten somatoformen Störungen. Diese reichen von Kopf- und Rückenschmerzen über Herzrasen und Übelkeit bis zu Schweißausbrüchen und depressiven Verstimmungen. Da formal gesehen keine organischen Erkrankungen vorliegen, ist die traditionelle Schulmedizin mit der Behandlung meist überfordert.
Kerngedanke der Schrothkur ist es nun, durch die sogenannten vier Säulen – Diätkost, Wickel, Trinkverordnung, Wechsel von Ruhe und Bewegung – den Körper von überschüssigen Säuren und Schadstoffen zu entschlacken. Angenehmer Nebeneffekt ist eine – meist aber nicht lang anhaltende – Gewichtsabnahme. Allerdings steht diese nicht im Vordergrund.
Die Original Oberstaufener Schrothkur wird von den Krankenkassen als ambulante und stationäre Vorsorgeleistung anerkannt. Rund 55 gastronomische Einrichtungen in der 7400 Einwohner zählenden Gemeinde sind dafür zertifizierter Betrieb – vom Kurheim über den Landgasthof bis zum Luxushotel.
Deutscher Tourismuspreis für innovative Gästekarte
Zu diesen gehört auch das 87 Zimmer, Suiten und Studios umfassende Vier-Sterne-Haus Lindner Parkhotel & Spa. Das in einer Mischung aus modernem Design und traditioneller Allgäuer Gemütlichkeit errichtete Haus befindet sich sehr zentral direkt am Staufenpark und nur wenige Gehminuten vom Ortszentrum entfernt. Eine optische Besonderheit im Haus ist das Laurentius- und Kirschbaum-Stüberl. Wellnesstechnisch wiederum stellt das Bergwiesen-Spa des Lindner eine Besonderheit dar. Küchenchef Wagenblast, der seit rund einem Vierteljahrhundert den Kochlöffel für das Hotel schwingt, plant seine kulinarischen Kreationen nach dem Motto: „Gegen alles ist ein Kraut gewachsen.“ Dass der Nachschub nicht aufhört, dafür bürgt der eigene Kräutergarten des Hotels.
Das Fünf-Sterne-Hotel Allgäu-Sonne – es wurde erst kürzlich umfassend umgebaut, weniger alpin-traditionell, mehr zeitlose Eleganz – bietet im Gegenzug eine Lage am Ortsrand, dafür höher gelegen am Berg. Hier wird der Sport besonders groß geschrieben, kann sich die Allgäu-Sonne doch rühmen, den schönsten Hotel-Fitnessraum Deutschlands zu besitzen– samt Panoramablick durch die raumhohe, aufschiebbare Fensterfront in die Bergwelt. Dem bewegungsaffinen Gast stehen sage und schreibe 28 verschiedene Ausdauer-, Kraft- und Dehnungsgeräte auf neuestem technischen Stand zur Verfügung. Wer lieber an der frischen Luft sportelt, auf den warten die täglich um 13.30 Uhr stattfindenden Wanderungen. Noch immer nicht genug Bewegung: Im Stießbergstüberl kann allabendlich das Tanzbein geschwungen werden.
Erholung funktioniert aber auch ohne erhöhten Puls: Gemeinsam mit den beiden Kirchgemeinden entwickelte die örtliche Tourismusagentur das Projekt „Atempausen“. Dazu gehören neben regelmäßigen Berggottesdiensten und gemeinsamen Meditationen auch diverse Gesprächs- und Musikabende.
Für seine innovative Gästekarte „Oberstaufen Plus“ erhielt der Kurort im Jahr 2009 den Deutschen Tourismuspreis. Dieses Mehrwertpaket von rund 300 Gastgebern befreit die Urlauber von andernorts unvermeidlichen Nebenkosten. Der Gast kann jeden Tag aufs neue frei entscheiden, ob die Karte ihm das Freiticket für eine der drei Bergbahnen, als Skipass für eines der vier Skigebiete, als Freikarte für die Sauna- und Erlebnislandschaft beziehungsweise die Museen oder die freie Mitfahrt mit den Buslinien im südlichen Landkreis Oberallgäu ermöglichen soll. Sein Renommee als „digitalster Kurort Deutschlands“ (Google) erhält sich Oberstaufen dank seines freien W-Lan an allen wichtigen Punkten im Ort sowie an den Bergbahnen. (André Paul)
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