In Frankreich köpft ein Islamist einen Lehrer, der im Unterricht Mohammed-Karikaturen zeigte. In Berlin droht ein Schüler muslimischen Glaubens seiner Lehrerin mit Enthauptung, sollten sich für die Familie Konsequenzen aus der Nicht-Teilnahme seiner Eltern am Elternabend ergeben. Was trauen sich angesichts dieser Brutalität Bayerns Lehrer noch zum Thema Islam sagen?
Offenbar nicht viel, wie die Recherche an mehreren Schulen im Freistaat ergab – beziehungsweise möchten sie nicht verraten, wie und in welchem Umfang. Ob „Islamismus im Rahmen des Unterrichts eine Rolle spielt und thematisiert wird, kann ich Ihnen nur begrenzt beantworten, weil ich dazu meine Lehrkräfte en detail befragen müsste. Ich gehe aber klar davon aus, dass alle Kolleginnen und Kollegen die Fachlehrpläne vollumfassend erfüllen“, gibt sich Sabine Billinger, die Rektorin der Realschule Geisenfeld, ziemlich zugeknöpft. Noch schmallippiger fällt die schriftliche Antwort der Mittelschule am Gerhart-Hauptmann-Ring in München aus: „Von unserer Seite dürfen Sie keine Stellungnahme erwarten.“ Nicht mal namentlich gekennzeichnet ist diese Nicht-Antwort.
Lediglich der Rektor des Hallertau-Gymnasiums Wolnzach, Christian Heller, ist bereit zu einer Antwort. Er gehe davon aus, „dass das in den entsprechenden Fächern – Geschichte, Sozialkunde und Französisch – aufgegriffen wird. Meinungsfreiheit ist immer wieder ein Thema. Aber bei 80 Lehrkräften kann ich nicht verlässlich Auskunft geben über die jeweiligen Unterrichtsinhalte“. Wie um die Harmonie an seiner Lehranstalt zu unterstreichen, berichtet Heller von einer Schülerin, „die bis zum Abitur ein Kopftuch getragen hat, aber meines Wissens nicht vom Sportunterricht befreit werden wollte“. Allerdings gibt der Rektor offen zu: „Wir sind hier wohl noch eine Insel der Seligen, was solche Probleme betrifft.“
"Nur nichts sagen, was dem Kultusministerium missfällt"
Dabei geht unter Bayerns Lehrern längst die Angst um, wie Simone Fleischmann, die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, gegenüber der Welt zugab: Sie wisse von vielen Kolleg*innen, die aus Angst vor Anfeindungen und anderen negativen Konsequenzen auf eine kritische Behandlung des Themas Islam im Unterricht verzichten, so Fleischmann. Das ist insofern bemerkenswert, weil sich Schulen bei der Frage nach Initiativen, Unterrichtsinhalten und Projekten gegen Rechtsextremismus deutlich auskunftsfreudiger zeigen.
Von wem politische Gewalt ausgeht, ist augenscheinlich nicht ganz unwesentlich bei der Frage, welchen Stellenwert sie in der öffentlichen Debatte spielt - was aber durchaus mit dem Verhalten führender politischer Akteure korrespondiert. Während etwa an die zwei Opfer des rechtsextremen Anschlags von Halle am 9. Oktober 2019 zum Jahrestag ausführlich erinnert und gedacht wurde, können die Angehörigen der zwölf von einem Islamisten am 19. Dezember 2016 am Berliner Breitscheidplatz ermordeten Menschen nicht im gleichen Maße mit staatlicher Empathie rechnen.
Martin Löwe, Vorsitzender des Bayerischen Elternverbands, wundert deshalb dieses zugeknöpfte Verhalten der Rektoren vor Ort nicht. „Bei diesem Thema mauern die Schulen in der Regel. Man möchte nichts sagen, was womöglich nicht die Zustimmung des bayerischen Kultusministeriums findet.“Auch die Angst, von gewissen Parteien und gesellschaftlichen Akteuren gleich als islamophob in die rechte Ecke gestellt zu werden, gehört dazu.
Besagtes Ministerium antwortet allerdings sehr ausführlich auf eine Anfrage. „Bei strafrechtlich relevanten Vorfällen an Schulen gilt: In Bayern haben die Schulen unverzüglich die Strafverfolgungsbehörden zu informieren, sobald konkrete Tatsachen darauf hindeuten, dass eine Straftat bevorsteht“, so ein Sprecher von Ressortchef Michael Piazolo (FW). „Wenn Lehrkräfte extremistische Vorfälle, die unterhalb der Strafbarkeitsschwelle liegen, wahrnehmen, greift die Lehrkraft den Vorfall zunächst selbst auf und thematisiert ihn in geeigneter und auf die Klasse beziehungsweise die Betroffenen abgestimmter Weise. Die Beratung mit Kollegen, der Schulleitung und den Eltern ist dann ein weiterer Schritt“, heißt es in der Stellungnahme weiter.
Zahl der Gewaltbereiten hat sich seit 2015 verdoppelt
Und dann folgen noch zahlreiche Tipps und Hinweise, wie man mit islamistischem Verhalten von Schülern umgehen soll und wo es Hilfe und Beistand gibt. Doch eine klare Aussage, wie und in welcher Form ein Lehrer aktuell den politischen Islam im Unterricht behandeln soll, ob er Kritik an Religionen praktizieren darf und muss – die fehlt in der Mail.
Falls die bayerischen Pädagogen angesichts der grausamen Ermordung ihres französischen Kollegen Samuel Paty sicherheitshalber andere Dinge thematisieren und das Wort Mohammed gar nicht erst in den Mund nehmen – dann scheint das im Kultusministerium niemanden groß zu stören. Wer wollte es den Lehrern also verdenken?
Viele nicht-muslimische Schüler gehen sowieso bereits sicherheitshalber auf Tauchstation, wenn in ihren Klassen der Anteil frommer muslimischer Klassenkameraden besonders hoch ist. „Alman“ oder „Schweinefleischfresser“ sind Beschimpfungen, die nicht wenige von ihnen zu hören bekommen. So wird etwa von selbsternannten jungen Scharia-Wächtern in den Klassen darauf geachtet, dass türkische oder arabische Mädchen auch ja das Kopftuch tragen und dass Muslime sich im Ramadan an die Fastenregeln halten.
Das aus muslimischer Sicht "unreine" Schweinefleisch haben viele Schulen in München derweil längst vom Speiseplan genommen, um Fromme nicht zu verärgern - ein Trend, der sich in den nächsten Jahren nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung noch verstärken wird.
Sozialkundelehrer versus Imame
Die allgemeine politische Lage im Zusammenhang mit dem militanten Islam wird derweil immer gefährlicher. Das bayerische Landesamt für Verfassungsschutz geht davon aus, dass es mittlerweile rund 150 gewaltbereite Islamisten in Bayern gibt – doppelt so viele wie noch vor fünf Jahren. Insgesamt liege die Zahl radikaler Islamisten, die in Bayern leben, bei rund 760, sagte der Präsident des Landesamts, Burkhard Körner, der Nürnberger Zeitung.
Der Jugendpsychologe und Autor Ahmad Mansour warnte in Bild, dass es nicht ausreicht, wenn einzelne Lehrer im Unterricht Mut zeigen und erläutern, dass über eine historische Figur wie Mohammed in einer liberalen, demokratischen Gesellschaft sehr wohl Witze gemacht werden dürfen. Denn nach dem staatlichen Sozialkundeunterricht gingen viele Kinder aus gläubigen Familien in die privaten Koranschulen – und bekämen dort vom Imam zu hören, dass „Lästerungen“ über den Propheten mindesten verboten, wenn nicht gar mit dem Tod bestraft werden müssen. (André Paul)
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