Kommunales

Oft kommt es zu Zweckentfremdungen in den Alttextilbehältern – für die kommerziellen Sammler*innen bedeutet das einen Mehraufwand bei der Entsorgung und damit eine Reduzierung ihrer Gewinne. (Foto: dpa/Wolfgang Kumm)

29.05.2020

Altkleidergeschäft bricht ein

Fachverband Textilrecycling: Kommunen sollen kommerziellen Sammler*innen finanziell unter die Arme greifen

Die Corona-Krise hat auch Auswirkungen auf den kommerziellen Alttextilmarkt. Die Lager sind voll – allein in Bayern kamen im vergangenen Jahr rund 126 000 Tonnen zusammen – und die Preise im Keller; im Schnitt fielen sie in den vergangenen Jahren um rund 20 Prozent. Hinzu kommt, dass viele Bürger*innen die Corona-Beschränkungen nutzten, um daheim auch mal im Kleiderschrank richtig auszumisten – die zu engen Jeans, verwaschenen Hemden und ausgeleierten Pullover aber nicht so entsorgten, wie sich das der Fachverband Textilrecycling (FTR) wünscht.

„In das Entsorgungsverhalten der Bürger hat sich in den letzten Wochen eine für den FTR besorgniserregende Entwicklung etabliert“, klagt der Verbandsvorsitzende Martin Wittmann. Kleiderspenden und textilfremde Abfälle seien neben die Altkleidercontainer gestellt und die Plätze „regelrecht vermüllt“ worden. Er fordert: „Sollten Container überfüllt oder verschlossen sein, nehmen Sie die ausgemusterte Bekleidung und Schuhe wieder mit nach Hause und werfen diese zu einem späteren Zeitpunkt ein.“ Wittmann beklagt einen „doppelten Verlust. Wertvolle Textilien gehen verloren und es entstehen enorme Zusatzkosten, da die unbrauchbar gewordenen Altkleider von unseren Unternehmen kostenpflichtig entsorgt werden müssen. Das ist weder umweltfreundlich noch wirtschaftlich.“

Begrenzte Lagerkapazität

Unverschuldet sei seine Branche in Not geraten, so der Verbandschef weiter: „Seit Wochen gibt es durch die Schließung der weltweiten Alttextilmärkte keinerlei Möglichkeiten mehr, Erträge zur Finanzierung der Recycling- und Entsorgungskosten zu erzielen. So geraten immer mehr Sammler in finanzielle Schieflage und können ohne Hilfe von Dritten ihrer Sammlerpflicht kaum noch nachkommen. Auch das Erreichen der begrenzten Lagerkapazität für Sammelware führt unabdingbar zur Einstellung von Sammlungen und somit zum Abzug oder Sperrung von Altkleidercontainern in vielen Regionen.“

Deshalb sollen jetzt die Kommunen dem FTR kräftig unter die Arme greifen. Unter anderem fordert Martin Wittmann die Einstellung von Vergütungen an die Kommunen sowie die Befreiung von Mietzahlungen für die gewerblichen Altkleidercontainer. „Darüber hinaus muss bei künftigen Ausschreibungen der Sammlung von Alttextilien für die Entsorgung der ungewollten Störstoffe dringend eine Kostenübernahme durch die kommunalen Auftraggeber enthalten sein.“ Für die bereits jetzt vorhandenen sogenannten Störtstoffe – also Müll, mit dem die Alttextilbranche nichts anfangen kann – verlangt der FTR-Chef „möglichst kurzfristig kostenfreie Entsorgungsmöglichkeiten“.

Im Klartext: Die privaten Sammler*innen möchten fortan nur noch die Vorteile in Anspruch nehmen, für die parallel entstehenden Unkosten durch mögliches Fehlverhalten der Bürger*innen sollen dagegen die Kommunen aufkommen. Einige Kommunen berichten sogar, von kommerziellen Anbietern angesprochen und aufgefordert worden zu sein, eine direkte, „ausschreibungsfreie“ Beauftragung von Entsorgungsdienstleistungen für Altkleider zu veranlassen – was freilich schon aus vergaberechtlichen Gründen schwer praktikabel ist. Wovor die Kommerziellen Angst haben: dass die Kommunen die Sammlung komplett in die eigene Hand nehmen. Dafür ist das Geschäft dann doch zu lukrativ.

Bis zu 700 Euro je Tonne noch vor wenigen Jahren

Wahr ist nämlich auch: Fremde Müllsäcke rund um die Textilcontainer sind weder neu noch ein Spezifikum der Corona-Krise. In der Regel enthalten bereits die betreffenden Entsorgungsverträge Vorgaben zur Sauberhaltung und Beräumung. Der Einnahmenrückgang steht zwar auch im Zusammenhang mit der Krise, ist aber eben auch Teil des für einen volatilen Markt typischen Kalkulationsrisikos. Entsprechendes gilt für die Kostenseite – und sei es für Mietzahlungen für Abfallbehälter. Als Altkleider vor wenigen Jahren noch bis zu 700 Euro je Tonne einbrachten, gab es auch keine freiwilligen Erlösbeteiligungen der Kommerziellen zugunsten von Kommunen.

Beim Bayerischen Landkreistag hat man nach den Worten des Geschäftsführers Johann Keller zwar „großes Verständnis für die durch Corona ausgelöste Notlage, die derzeit viele Gewerbetreibende trifft. Dies gilt besonders auch für langjährige verlässliche Partner. Unsere Wirtschaft wieder in die richtigen Bahnen zu lenken, hat oberste Priorität.“ Doch auch die Kommunen, so Keller weiter, stünden „vor enormen Herausforderungen wegen wegbrechender Steuereinnahmen und der Auswirkungen auf die kommunalen Haushalte. Der Umfang der Beeinträchtigungen ist heute noch nicht abschätzbar. Die staatliche Ebene arbeitet unter Hochdruck an Lösungen. Wir bitten um Verständnis, dass Sonderregelungen für einen sehr begrenzten Bereich problematisch sind.“ (André Paul)

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