Die Therme in Bad Wörishofen ist ein Besuchermagnet - und ein Streitobjekt: Bürgermeister und Stadträte können sich nicht über den Fremdenverkehrsbeitrag einigen. Inzwischen hat der Rathauschef die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Die Räte fordern seinen Rücktritt.
Auf den ersten Blick trübt nichts die Idylle im Allgäuer Kneippkurort Bad Wörishofen. Im Park blühen die Frühlingsblumen, Kurgäste sonnen sich auf den Café-Terrassen und auf einem Plakat kündigt Swing-Legende Bill Ramsey für Anfang Juni seinen Besuch im Kurhaus an. Ganz anders die Stimmung im Rathaus: Hier streiten Stadträte und Bürgermeister seit Monaten um Geld - genaugenommen um Fremdenverkehrsbeiträge der örtlichen Therme. Wird von dem Besuchermagneten des Kurortes zu wenig eingefordert? Dazu gehen die Meinungen weit auseinander.
Mit rund 16 000 Einwohnern ist Bad Wörishofen die größte Stadt im Landkreis Unterallgäu. Für sie will Paul Gruschka nur das Beste. Das hat der Bürgermeister von den Freien Wählern bei einer Sondersitzung des Stadtrates am Mittwochabend immer wieder betont. "Es ist abträglich für die Stadt Bad Wörishofen, was hier abgeht", sagte Gruschka. Für die Fremdenverkehrsbeiträge eine geringstmögliche Höhe festzusetzen, sieht er als "falsch verstandene Wirtschaftsförderung". "Möglichst niedrige Beiträge mögen dem Unternehmen und dem Amtsvorgänger nützen, sie schaden aber der Stadt."
Zahlreiche Bürger verfolgten die hitzig geführte Debatte im Rathaus, in der Gruschka vorgeworfen wurde, er diskreditiere den Stadtrat in der Öffentlichkeit. "Wir fühlen uns verleumdet", sagte CSU-Fraktionsvorsitzende Christiane-Maria Rapp. "Es ist einmalig in der Bundesrepublik Deutschland, dass ein Bürgermeister seinen Stadtrat anzeigt." Ihre Parteikollegin Marion Böhmer-Kistler fühlt sich "an den Pranger gestellt" und "öffentlich kriminalisiert". "Wie sollen wir da in Zukunft konstruktiv zusammenarbeiten?" fragte sie.
Vertrauen nachhaltig gestört
Dass das Vertrauensverhältnis zwischen Gruschka und den Stadträten nachhaltig gestört ist, ist spätestens seit Anfang Mai bekannt. In einer Sitzung hatten die Räte Gruschka den Rücktritt nahe gelegt. Der Grund: Der Bürgermeister hatte einen Stadtratsbeschluss der Staatsanwaltschaft zur "strafrechtlichen Überprüfung" übergeben.
Im Dezember 2015 hatte das Gremium nach einem langen Mediationsverfahren dafür gestimmt, dass für die Therme rückwirkend für die Jahre 2004 bis 2014 ein Vorteilssatz von 30 Prozent des Fremdenverkehrsbeitrags gelten soll. Gruschka hatte als einziger dagegen gestimmt. Er hält den Satz für zu niedrig und den Beschluss daher für rechtswidrig. Weil er sich nicht strafbar machen will, weigert sich der Bürgermeister, die Erlassbescheide zu fertigen.
"Das Prinzip der Mehrheitsentscheidung soll juristisch ausgehebelt werden, weil das Ergebnis dem Vorsitzenden nicht gefällt", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der Fraktionen der CSU, SPD und Grünen. Die Sondersitzung am Mittwoch hatten die Stadträte aber vor allem wegen einer Pressemitteilung Gruschkas beantragt. Darin hieß es, "der Fall Therme" sei komplex und könne vom Stadtrat intern nicht aufgearbeitet werden. Dies auch, weil viele Stadträte von damals noch heute in dem Gremium säßen.
Seit mehr als einem Jahr ermittelt die Staatsanwaltschaft
Die Abgabe von Fremdenverkehrsbeiträgen ist in der Kneippstadt schon lange ein Streitthema. Seit Anfang 2015 ermittelt in dieser Sache auch die Staatsanwaltschaft. Sie prüft Untreue-Vorwürfe gegen den CSU-Landtagsabgeordneten Klaus Holetschek. Dabei geht es um die Frage, ob Holetschek in seiner Amtszeit als Bürgermeister von Bad Wörishofen (2002 bis 2013) zu niedrige Beiträge der Therme eingefordert hat. Medienberichten zufolge könnte der Stadt dadurch ein Schaden von knapp 700 000 Euro entstanden sein. Holetschek ist auch Vorsitzender des Bayerischen Heilbäderverbandes.
Doch die Ermittlungen ziehen sich hin. Mitte April waren die Therme und das Rathaus von der Kripo durchsucht worden. Dabei wurden nach Angaben der Staatsanwaltschaft Unterlagen sichergestellt, die derzeit gesichtet werden. Wann eine Entscheidung fällt, ob gegen Holetschek Anklage erhoben wird, ist noch offen. "Es handelt sich um eine ausgesprochen schwierige und komplexe Materie", sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Memmingen am Donnerstag. Es gebe mehrere Rechtsgutachten, die sich widersprächen. Holetschek selbst unterstützt die Aufklärung, äußert sich aber seit längerem nicht mehr konkret zu den Vorwürfen.
Wie der Streit im Rathaus von Bad Wörishofen beigelegt werden kann, ist noch ungewiss. Gruschka, der seit März 2014 im Amt ist, sieht für einen Rücktritt keinen Grund. Er hat einen anderen Weg gewählt: "Ich habe in der vergangenen Woche den Dienstweg beschritten", sagte er am Mittwochabend. Er habe das bayerische Ministerium des Inneren, für Bau und Verkehr um Prüfung und Mitteilung gebeten, "wie ich mich rechtmäßig zu verhalten habe". (Birgit Ellinger, dpa)
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