Kommunales

Der Tourismusforscher sieht die Hotellerie bereits durch den ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 statt 19 Prozent ausreichend entlastet. Und diese könnten ja auch höhere Nächtigungspreise verlangen. (Foto: dpa/Ralph Sondermann)

09.12.2022

"Das kann man auf die Gäste überwälzen"

Tourismusforscher Matthias Firgo über die Vor- und Nachteile der von der Stadt München geplanten Bettensteuer

München möchte, unterstützt vom Bayerischen Städtetag, eine Bettensteuer einführen – was die Staatsregierung ihr verbieten will aus Angst vor wirtschaftlichen Schäden für die Hotellerie. OB Dieter Reiter (SPD) aber will die Abgabe notfalls vor Gericht erzwingen. Matthias Firgo, Professor für Tourismus an der Hochschule München (Foto: HM)  glaubt nicht, dass es allein deshalb zu einem Einbruch im Tourismus kommt.
 

BSZ Herr Firgo, wenn man vom Grundsatz ausgeht, dass die öffentliche Hand neue beziehungsweise zusätzliche Steuern nur bei unvermeidbarem Bedarf kassieren soll: Braucht die Stadt München diese Bettensteuer aus finanziellen Erwägungen tatsächlich so dringend?
Matthias Firgo Wie dringend die Stadt München diese Steuer braucht, kann ich nicht beurteilen. Fakt ist, dass alle Ebenen von Gebietskörperschaften durch die Pandemie enorme Ausgabensteigerungen hatten. Zudem sind Nächtigungssteuern allgemein sehr weit verbreitet – als Bettensteuern in einer Reihe von anderen deutschen Städten beziehungsweise in Form von Ortstaxen in vielen europäischen Ländern. Auch in Bayern gibt es mit der Kurtaxe in Kurorten eine ähnliche Steuer punktuell bereits seit Jahren.

BSZ Warum begeistern sich die Städte so für das Projekt – trotz erheblichen Widerstands?
Firgo Eine Bettensteuer hat aus Sicht der Kommunen jedenfalls den Charme, dass sie zusätzliche Einnahmen bringt – ohne die ansässige Bevölkerung oder Wirtschaft spürbar zu belasten; zumal davon ausgegangen werden kann, dass Gäste aus anderen Regionen beziehungsweise aus dem Ausland den überwiegenden Teil der Steuerlast tragen.

BSZ Mit welchen zusätzlichen Einnahmesummen pro Jahr könnte man ungefähr ausgehen?
Firgo Kolportiert wurden jährliche Einnahmen von 40 bis 60 Millionen Euro, bei zwei Millionen bürokratischem Aufwand. Das entspräche etwa 0,5 bis 0,75 Prozent des Haushaltsvolumens der Landeshauptstadt.

BSZ Durch die Corona-Lockdowns wurden Handel und Hotellerie ja massiv geschädigt: sollte die öffentliche Hand da fiskalpolitisch nicht Zurückhaltung üben?
Firgo Fiskalische Zurückhaltung wird ja dahingehend gelebt, dass für weite Teile der Tourismus- und Freizeitwirtschaft ein ermäßigter Umsatzsteuersatz von 7 statt 19 Prozent gilt. Weder die Erkenntnisse aus der volkswirtschaftlichen Theorie noch die Ergebnisse von Studien zur Wirkung neuer Tourismussteuern in anderen Europäischen Städte- und Kulturdestinationen lassen negative Effekte der geplanten Bettensteuer für den Münchner Tourismus erwarten.

BSZ Gibt es denn positive Beispiele?
Firgo Für eine Reihe von Städten in Italien sowie für Städte wie Paris oder Barcelona finden Studien keinerlei Hinweise auf Rückgänge in den Nächtigungszahlen nach Einführung von ähnlich gelagerten Tourismussteuern. Weiter lassen sowohl Theorie als auch empirische Evidenz darauf schließen, dass in sogenannten ikonischen Destinationen wie München (mit einer Reihe von Alleinstellungsmerkmalen wie Messen, Kultur, Sport, Oktoberfest) Steuererhöhungen und neue Steuern im Tourismus weitgehend auf die Gäste übergewälzt werden können. Die geplante Steuer sollte sich daher vorwiegend in etwas höheren Übernachtungspreisen für Touristen niederschlagen und kaum die Umsätze und Margen der Hotellerie reduzieren.

BSZ Nicht jeder Reisende ist ein Tourist – dürfte man für berufsbedingt Nächtigende eine Ausnahme machen und wenn ja: wie ginge das?
Firgo Als Tourist gilt gemäß der Definition der Vereinten Nationen jede Person, die zu Orten außerhalb ihres gewöhnlichen Umfelds reist – egal zu welchem Zweck. Eine steuerliche Trennung von beruflichen und privaten Nächtigungen würde den bürokratischen Aufwand gegenüber den Steuereinnahmen deutlich erhöhen. Zudem wäre eine solche Trennung auch aus ökonomischer Sicht wenig sinnvoll.

BSZ Warum denn nicht?
Firgo Bei beruflichen Reisen ist die Preiselastizität der Nachfrage typischerweise niedriger als bei privaten Reisen. Zum Vergleich: Bei Preiserhöhungen im Flugverkehr sinkt die Nachfrage nach Economy Tickets stärker als jene nach Business Class Tickets. Das heißt: Im Business-Segment sollte eine Bettensteuer sich noch weniger auf die Nachfrage auswirken und gleichzeitig noch vollständiger in Form von höheren Preisen auf die Gäste übergewälzt werden können, als das im privaten Urlaubersegment der Fall ist.

BSZ Sehen Sie die Gefahr eines Rückgangs des Tourismus – und würde dieser Rückgang die Einnahmen durch die Bettensteuer nicht weitgehend kompensieren?
Firgo Nein, gemäß volkswirtschaftlicher Theorie und den Erfahrungen aus anderen europäischen Städten dürften die Auswirkungen auf den Tourismus in München vernachlässigbar sein. Eine geringfügige Veränderung im Preis-Leistungs-Verhältnis für Nächtigungen ist eben nur eine von vielen Aspekten bei der Destinationswahl. Die gebotene Qualität und die Preise des Kultur- und Freizeitangebots, die Infrastruktur und Erreichbarkeit sowie die Bedeutung als Wirtschaftsmetropole für beruflichen Reisen – all das spielt auch eine entscheidende Rolle. 

(Interview: André Paul)

 

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