Kommunales

Bisher dürfen bei Kommunwahlen in Deutschland nur EU-Ausländer mit abstimmen. Die Ampel-Koalitionäre wollen dieses Recht auf alle alle Zugewandtern ausdehnen. (Foto: dpa/Oliver Berg)

18.10.2021

Bald kommunales Wahlrecht für alle Ausländer?

Die drei Parteien der künftigen Ampel-Koalition fordern das in ihrem Wahlprogramm – aber es gibt Widerstand

Bei Fragen von Migration und Zuwanderung sind die drei Parteien der künftigen Ampel-Koalition in Berlin – SPD, Grüne und FDP – schon ziemlich weit beieinander. Unter anderem plädieren sie übereinstimmend in ihren Wahlprogrammen dafür, das kommunale Wahlrecht auszuweiten auf alle Ausländer, die bereits einen bestimmten Zeitraum in Deutschland wohnen. Bisher dürfen in der Bundesrepublik nur Bürger aus Mitgliedsländern der Europäischen Union bei Gemeinde-, Stadtrats- und Kreistagswahlen beziehungsweise bei der Wahl des Bürgermeisters oder des Landrats mit abstimmen. Das Thema habe zwar „derzeit keine höchste Priorität“, räumt Dieter Janecek (Grüne), der wirtschaftspolitische Sprecher seiner Bundestagsfraktion, auf Nachfrage ein – es stehe aber für den Verlauf der Legislaturperiode auf der Agenda. Doch gegen die rot-grün-gelben Pläne formiert sich Widerstand.

„Das kommunale Wahlrecht sollte nicht auf alle in Deutschland wohnhaften Ausländer ausgeweitet werden“, findet Reinhard Sager, der Präsident des Deutschen Landkreistags und Landrat des Kreises Ostholstein. Ganz grundsätzlich stelle sich die Frage, „warum eine solche Erweiterung notwendig sein soll“. Ein wichtiges Element des gesellschaftlichen Zusammenhalts in den Kommunen sei die örtliche Gemeinschaft, so der Verbandschef auf Nachfrage. „Diese setzt zwingend eine Dauerverbindung von Menschen voraus. Deshalb knüpft das Wahlrecht vollkommen zu Recht an die deutsche Staatsbürgerschaft an.“ Ausländer von außerhalb der EU, die dauerhaft in Deutschland leben, können sich unter bestimmten Voraussetzungen einbürgern lassen und erlangen dann mit der deutschen Staatsbürgerschaft auch das umfassende Wahlrecht“, so Reinhard Sager weiter. „Das erachten wir als ausreichend. Eine Entkoppelung von Staatsangehörigkeit und Wahlrecht würde eher schaden und den dauerhaften Ortsbezug schmälern.“

Hinzu kommt das Ergebnis einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage vom 18. Mai 2021. Dort heißt es, maßgeblich sei „insoweit Art. 20 Grundgesetz (GG), aus dem folgt, dass das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland Träger und Subjekt der Staatsgewalt ist. Dieser Grundsatz gelte … auch für die Länder und Kommunen“. Das Grundgesetz schließe damit die Teilnahme von Ausländern an Wahlen sowohl auf der staatlichen als auch auf der kommunalen Ebene grundsätzlich aus. Rückenwind gibt es dazu auch vom Deutschen Städte- und Gemeindebund: Er habe „verfassungsrechtliche Bedenken“, erklärt auf Nachfrage Uwe Brandl, der Erste Vizepräsident. Auch sei das Wahlrecht in den Mitgliedsländern der EU vergleichbar geregelt; Deutschland würde damit künftig eine Sonderstellung einnehmen, findet Brandl.

"Staatsangehörigkeit das wichtige Bekenntnis zu unserem Staat"
 

Gegen ein kommunales Wahlrecht für Menschen von außerhalb der EU plädiert Volker Ullrich, innenpolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion. „Die bloße Wiederholung dieser Forderung macht diese jedoch nicht besser oder umsetzbarer. Unser Grundgesetz sieht das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland als Träger und Subjekt der Staatsgewalt. Dementsprechend ist das aktive und passive Wahlrecht an die deutsche Staatsbürgerschaft gekoppelt.“ Eine Ausdehnung auf alle Ausländer setze eine Verfassungsänderung voraus, so Ullrich – und „die dafür notwendige Zweidrittelmehrheit ist bereits eine hohe Hürde. Darüber hinaus ist strittig, ob eine solche Änderung grundsätzlich verfassungsgemäß wäre. Gleichzeitig ist die Staatsangehörigkeit das wichtige Bekenntnis zu unserem Staat und demokratischem System – das sollten wir nicht untergraben!“, befindet Ullrich, der vor seiner Wahl in den Bundestag berufsmäßiger Stadtrat und Leiter des Augsburger Ordnungsamts war.

Gefordert wird die Ausweitung des Wahlrechts von der rund 70 Mitgliedsorganisationen zählenden Bundeskonferenz der Migrantenorganisationen Es gehe darum, „unser Selbst­ver­ständ­nis als Ein­wan­de­rungs­ge­sell­schaft zu stär­ken, um Schrit­te für wirk­li­che Teil­ha­be und um Schutz vor ras­sis­ti­scher Dis­kri­mi­nie­rung“, er­klär­te die Spre­che­rin der Kon­fe­renz, Ga­li­na Ort­mann. Da 25 Prozent der in Deutschland wohnenden Menschen einen Migrationshintergrund hätten, müsste sich dieser Anteil auch in den Gemeinderäten und Kreistagen wiederspiegeln, fordert Ortmann. Sie kritisiert, die politischen Gremien seien „immer noch überwiegend weiß und männlich“, damit müsse nun Schluss sein.

Integrationsbeauftragte der Bundesregierung hat Kontakte zu Islamisten


Unterstützung erhält die Bundeskonferenz von Aydan Özoguz (SPD), der noch amtierenden Integrationsbeauftragten der Bundesregierung. Özoguz möchte das Stimmrecht ausweiten auf Volksabstimmungen auf Landesebene. Generell dürfe das aber nur ein erster Schritt sein, so die Hamburger Sozialdemokratin. Langfristig müsse es zu einer „Absenkung der Mindestaufenthaltsdauer bei der Anspruchseinbürgerung und einer gezielten Nutzung der Spielräume bei der Ermessenseinbürgerung kommen“. Aydan Özoguz ist im Gespräch als Nachfolgerin von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, steht aber wegen ihrer Teilnahme an einer von Hisbollah-Aktivisten organisierten Israel-feindlichen und antisemitischen Demonstration in Hamburg sowie wegen Kontakten zu einer islamistischen Moscheegemeinde in der Kritik.

Vor allem muslimische Zuwanderer – und ganz speziell solche aus der Türkei – müssten dann bei Kommunalwahlen auch nicht unbedingt auf traditionelle Parteien zurückgreifen. Angesprochen werden sie beispielsweise vom Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit (BIG) – einer 2010 gegründeten Partei, die als deutscher Ableger der AKP des türkischen Staatspräsidenten Erdogan gilt. Derzeit ist die BIG kommunalpolitisch vor allem in Köln aktiv. Und kann als lokalen Erfolg unter anderem verzeichnen, dass Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reeker kürzlich die Erlaubnis erteilte, dass in der Domstadt fortan immer freitags laut der Muezzin-Ruf („Allahu akbar“ – „Gott ist groß“) erfolgen darf. (André Paul)

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