Vielleicht illustriert das Schicksal des alteingesessenen Spielzeugladens Obletter am Stachus das Schicksal der Münchner Innenstadt ziemlich gut: einen Wandel, wo Freude und Leid nah beieinander liegen – und es eben, wie immer im Leben, Gewinner und Verlierer gibt. Während das Traditionsgeschäft – der Inhaber, die Drogeriemarktkette Müller, will den Mietvertrag nicht verlängern – Ende nächsten Jahres schließen muss, können sich Eltern und Kinder darauf freuen, dass der Spielzeughersteller Lego bald seine größte deutsche Filiale in der Kaufingerstraße eröffnen wird.
„Verödet die Münchner Innenstadt?“ – so der Titel einer Veranstaltung des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft in dieser Woche – also tatsächlich?“ Veröden – da denkt man an Bilder wie aus alten Western, wo in menschenleeren Städten ein Dornbusch vom Wind über die Straßen gefegt wird. Doch wer dieser Tage durch die Kaufinger Straße schlendert, der erlebt nicht selten Platzangst angesichts der Menschenmassen; vor den Ladentüren bilden sich Schlangen.
Wolfgang Fischer, Geschäftsführer von CityPartner München, ist fest davon überzeugt, dass lediglich ein für manche Firmen schmerzhafter Umbruch stattfindet. Und verweist darauf, dass beispielsweise auch der Sportartikelhersteller Adidas bald einen Outlet-Laden in der Sendlinger Straße eröffnen wird oder das Pharmaunternehmen Novartis seine kompletten Büroflächen in der Alten Akademie einrichtet.
Vorreiter für andere größere Kommunen im Freistaat
Dass es kriselt, darüber waren sich die Teilnehmenden freilich einig. Rund 30 000 Besuchende weniger pro Tag im Vergleich zur Zeit vor Corona frequentieren aktuell die City der Landeshauptstadt – vor allem die kaufkräftige Klientel. An der Neuhauser Straße wurden kürzlich an zwei Tagen 78 000 Passant*innen gezählt; 2019 waren es noch 122 000. Das Vorgaben-Chaos der bayerischen Staatsregierung für die Eintrittserlaubnis – mal 2Gplus ohne Maske, mal 3G mit Maske –, bei dem irgendwann niemand mehr durchblickte, tat und tut ein Übriges, um potenzielle Kundschaft abzuschrecken.
Doch – auch das ist Konsens – Corona habe Entwicklungen nur beschleunigt, die es schon vorher gab. So reduzierten beispielsweise die meisten internationalen Modeketten ihre Filialen – Homeshopping machts möglich. Und in den restlichen wird die Verkaufsfläche reduziert, erläutert Einzelhandelsexperte Fischer. Ausgefallene Größen kann man ja später daheim online ordern. Und Michaela Pichlbauer, Chefin der Günther-Rid-Stiftung für den bayerischen Einzelhandel, sekundiert, die Stimmung unter den Einzelhandelsbetrieben sei „überraschend zuversichtlich“. Wie immer dürfte die Landeshauptstadt auch hierbei Vorreiter sein für Entwicklungen, die früher oder später auch die anderen bayerischen Großstädte ereilen werden: etwa, dass Läden in Restaurants und Cafés umgewandelt werden.
Soll die öffentliche Hand im Sinne der Vielfalt auch nicht wettbewerbsfähige Anbieter subventionieren?
Natürlich gibt es auch wirklich Verlierer – wie beispielsweise Oliver Fleidl, Geschäftsführer der Tanzschule am Deutschen Theater. Er kann nicht die Preise verlangen, die notwendig wären um die Kosten zu kompensieren – und fordert deshalb eine öffentliche Debatte, welche Vielfalt an Angeboten denn eine Innenstadt vorhalten soll. Das ist aus seiner Sicht legitim. Nur läuft das eben am Ende immer darauf hinaus, dass es Subventionen aus Steuermitteln braucht. Dann sollte man das aber auch von Anfang an offen und ehrlich kommunizieren.
Während die drei anderen genannten Teilnehmenden der Diskussionsrunde konstruktive Beiträge lieferten – auch wenn man nicht jeder These zustimmen muss – beteiligte sich Münchens auch für Wirtschaft zuständige Zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden (Grüne) eher mit Plattitüden und Ideologie. Nachdem sie sich erst mal selbst beweihräucherte („Mein Politikstil ist lösungsorientiert.“) und die Presse schurigelte („Es ist nicht so schlimm, wie in manchen Zeitungsberichten zu lesen.“) verkündete sie, dass eine Innenstadt „nicht nur Konsum und Handel“ bedeute. Zahlreiche bayerische Kämmerer – denen gerade dramatisch die Gewerbesteuer einbricht – dürften dazu eine etwas andere Auffassung vertreten.
Aber gut: Mit ihrer Streichorgie bei öffentlichen Parkplätzen vergällt die Grüne allen Menschen aus nicht bequem an den MVV angebundenen Kommunen Oberbayerns ohnehin gerade den Einkaufsbesuch per Auto. Da können der neue Lego-Laden oder der Adidas-Shop auch XXL sein: Wer die Verpackung des 1,5 x 1,5 Meter großen Piratenschiffs fürs Kind beziehungsweise die Hantelbank für den Sportkeller ernsthaft im propevollen und unpünktlichen Regionalverkehr nach Hause bringen muss – der klickt sich dann wohl doch lieber durchs Internet. Oder wie es Habenschaden in bestem Sozialpädagogendeutsch ausdrückte: „Man muss die Menschen in ihrem Post-Corona-Alltag niedrigschwellig abholen.“ Na dann: gute Fahrt! (André Paul)
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