Kommunales

In München soll das Straßenbahnnetz erweitert werden. (Foto: MVG/Kerstin Groh)

02.08.2024

"Die CSU zeigt eine große Technikfeindlichkeit"

Die Verkehrswende kann Fachleuten zufolge nur gelingen, wenn Bayerns Kommunen verstärkt auf Straßenbahnen setzen - doch in mehreren Städten versuchte die zuletzt CSU Tram-Neubauten zu verhindern.

Für die Streckenplaner der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) war es eine Hiobsbotschaft: Die Staatsregieurng zog im März dieses Jahres überraschend ihre 2017 unter Vorbehalt gegebene Zustimmung zum Bau einer Straßenbahn durch den Englischen Garten zurück.

Offiziell stört man sich in der CSU an einer angeblichen Verschandelung des Englischen Gartens, falls die Tramtrasse gebaut würde. Doch so mancher bei SPD und Grünen unterstellt der CSU reine Destruktionsgelüste an der Münchner Verkehrswende – schließlich sollten nach den Plänen der Münchner Verkehrsgesellschaft auf der etwa 800 Meter langen Strecke nur Trams mit Akku und ohne Oberleitung verkehren.

Grün-Rot in München wollen den ÖPNV ausbauen

Für die Pläne von Grün-Rot in München, den ÖPNV massiv auszubauen, ist das Aus für das Projekt ein herber Schlag. Schließlich ist die Strecke, die die Stadtteile Neuhausen und Bogenhausen verbinden sollte, Teil der für einen leistungsfähigeren Nahverkehr dringend notwendigen Nordtangente. Nikolaus Gradl, verkehrspolitischer Sprecher der SPD/Volt-Fraktion im Münchner Rathaus, ärgert sich im BSZ-Gespräch: „Es ist bitter, dass die CSU statt auf moderne Verkehrspolitik zu setzen, das goldene Kalb namens Auto auf dem Thron durch die Stadt trägt.“ Er verweist darauf, dass Straßenbahnen schneller und zuverlässiger als Busse sind und der Streckenbau ein Vielfaches günstiger als der von U-Bahnen ist. Gradl findet es ärgerlich, dass im Fall der E-Garten-Tram „mehrere Millionen Euro an Steuergeldern für die Planungen dank der CSU in den Sand gesetzt wurden“.

Eine Anfrage der BSZ bei der CSU-Stadtratsfraktion blieb urlaubsbedingt unbeantwortet. Klar ist: Seit Jahren machen die Münchner Christsozialen gegen Trambahnprojekte mobil – so etwa gegen den Bau der Westtangente. Die Westtangente soll Pendlerinnen und Pendler schneller aus dem Nordwesten in den Südwesten Münchens bringen. Die CSU warnt vor angeblichen Nachteilen für Anwohnende und Autofahrer*innen. SPD-Stadtrat Gradl verweist dagegen darauf, dass die bislang neu gebauten oder reaktivierten Trambahnlinien in München bei der Fahrgastzahl stets die Prognosen sogar noch übertroffen hätten.

Auch Pro Bahn wirft der CSU vor, sich vor allem aus ideologischen Gründen gegen Straßenbahnprojekte in München zu positionieren – und nicht nur dort. So ärgert sich der Fahrgastverband darüber, dass die örtliche CSU in den vergangenen Monaten sowohl in Regensburg als auch in Erlangen im Rahmen von Bürgerbegehren massiv Stimmung gegen geplante Stadtbahnprojekte machte. „Man hat den Eindruck, dass sobald man in der Partei ein Straßenbahngleis sieht, ein Abwehrreflex ausgelöst wird“, sagt Norbert Moy, stellvertretender Landesvorsitzender von Pro Bahn, der BSZ. Die Christsozialen wollten nicht, dass dem Autoverkehr Platz weggenommen werde. „Doch gerade in mittelgroßen Städten führt kein Weg an Straßenbahnen vorbei“, so Moy. Er verweist darauf, dass Untergrundbahnen oft extrem teuer seien. Nicht nur in München stehen aktuell angedachte Erweiterungen des U-Bahn-Netzes angesichts der miesen Haushaltslage deshalb sogar auf der Kippe.

Keine Stadtbahn in Regensburg

In Regensburg scheiterten im Juni Pläne für eine Stadtbahn an einem von der CSU unterstützen Bürgerbegehren. Die Verantwortlichen im Rathaus wollen nun mehr Busse durch die verstopften Straßen der Domstadt schicken. Der ÖPNV-Ausbau werde so bald an seine Grenzen kommen, heißt es aus dem von einer SPD-Oberbürgermeisterin regierten Rathaus. Gegner hatten vor den Kosten des Ausbaus gewarnt. Weil die SPD für die Stadtbahn geworben hatte, ließen die Genossen aus Ärger über die Schwarzen in der Folge sogar die gemeinsame Koalition im Rathaus platzen.
In Erlangen kämpfte die dortige CSU mit einem Bürgerbegehren gegen eine Stadt-Umland-Bahn, die Nürnberg sowie die Siemens- und Studentenstadt Erlangen und die Adidas-Heimstadt Herzogenaurach miteinander verbinden soll. Große Unternehmen, Gewerkschaften und Naturschutzverbände und auch weite Teile der Staatsregierung setzten sich dagegen für das Projekt ein. Am Ende hatten die Befürworter*innen im Bürgerbegehren im Juni mit 52 Prozent knapp die Nase vorne.

Auch der renommierte Verkehrsforscher Heiner Monheim geht mit den Christsozialen im BSZ-Gespräch hart ins Gericht: „Die CSU zeigt beim Thema Straßenbahnausbau eine große Innovations- und Technikfeindlichkeit. Moderne Elektrotechnik passt ihr nicht ins Konzept.“ Der frühere Trierer Universitätsprofessor berichtet, dass zuletzt zahlreiche Länder ihre Straßenbahnnetze massiv ausgebaut hätten. Er verweist etwa auf Frankreich und insbesondere Paris: „Dort gehen Straßenbahnprojekte oft mit einer Verbesserung des Stadtbilds einher.“ Die Strecke werde begrünt, neue Fußgängerwege gebaut. Auch deshalb ging die Luftverschmutzung in der Olympia-Metropole um 40 Prozent zurück. Monheim verweist darauf, dass durch den Bau von Straßenbahnen auch Jobs entstünden – etwa in der Produktion.

Ein gelungenes Beispiel für den Tramausbau sei auch Karlsruhe, so Monheim. Im Zuge des Karlsruher Modells wurde das Straßenbahnnetz in der badischen Großstadt massiv ausgebaut worden. In der Folge der Stadtbahneröffnung stieg die Zahl der Fahrgäste im gesamten Karlsruher Verkehrsverbund massiv an.

Ein zentraler Pfeiler klimaschonender Mobilität

Doch der Freistaat tut sich mit dem Ausbau des Nahverkehrs traditionell schwer. Die CSU-Parteizentrale ließ eine Anfrage der Staatszeitung, wie man zum Ausbau von Straßenbahnen stehe, bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Das CSU-geführte bayerische Verkehrsministerium betont auf Anfrage: „Für die bayerische Staatsregierung ist ein zukunftsfähiger und attraktiver ÖPNV zentraler Pfeiler klimaschonender Mobilität für Stadt und Land.“ Straßenbahnen seien „ein wesentlicher und attraktiver Bestandteil der ÖPNV-Systeme in Bayerns Ballungsregionen“. Der Freistaat fördere deren Ausbau umfangreich und unterstütze damit die Kommunen nachhaltig bei der Stärkung des ÖPNV in den Städten.

CSU-Chef Markus Söder scheint derweil kein Trambahnhasser zu sein, sondern die Dinge wie in anderen Politikfeldern flexibel und pragmatisch zu sehen. Denn die Stadtbahn im Großraum Erlangen-Nürnberg unterstützte der Franke anders als die Erlanger Christsozialen. Ob der Ministerpräsident seine Meinung zur Tram durch den Englischen Garten angesichts der Probleme, die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen, nicht doch noch einmal ändert, bleibt deshalb womöglich abzuwarten.
(Tobias Lill)

Kommentare (1)

  1. gerdfgermering am 03.08.2024
    Was - im Gegensatz zu einer potentiellen Tram - tatsächlich den Englischen Garten in München zerschneidet und dadurch massiv stört, sind der Föhringer Ring und der Isar-Ring, Teile des Mittleren Rings. Darüber wird aber kein Wort verloren. Es wird als gegebener Fakt hingenommen. Also wird hier mit unterschiedlichem Maß gemessen.
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