Raimund Kneidinger (48) amtiert seit 2020 als Landrat von Passau. Er hatte für die CSU/Bürgerunion kandidiert und wurde im ersten Wahlgang gewählt. Davor hatte der Bankkaufmann und Betriebswirt als Stellvertreter des damaligen Landrats Franz Meyer fungiert.
BSZ: Herr Kneidinger, als Grenzlandkreis zu Österreich ist Passau eine der ersten Anlaufstellen für Geflüchtete und Asylbewerber. Wie ist die Lage aktuell bei Ihnen?
Raimund Kneidinger: Nach dem, was ich von der Bundespolizei und der bayerischen Grenzpolizei höre, ist die Lage aktuell etwas ruhiger.
BSZ: Das heißt, auch bei Ihnen spürt man, dass weniger Geflüchtete kommen und die Zahl der Abschiebungen gestiegen ist?
Kneidinger: Bei den Unterbringungen merken wir das bisher kaum. Die Verteilung der Geflüchteten auf die Länder und dann die Landkreise bemisst sich ja nach dem Königsteiner Schlüssel. Diese Zuweisungen erfolgen nicht direkt von den Grenzübergängen, sondern aus den Ankerzentren und Erstunterkünften. Da bekommen wir den für uns errechneten Anteil, egal wie viele Menschen bei uns an den Grenzübergängen ankommen.
BSZ: Ist die Unterbringungslage noch so angespannt wie vor einem Jahr?
Kneidinger: Es ist nicht mehr so eng wie vor einem Jahr. Aktuell reichen die Kapazitäten in unseren Gemeinschaftsunterkünften aus, es sind keine Turnhallen belegt. Aber das Thema Unterbringung ist weiter auf der Tagesordnung. Zum Glück ist es uns gelungen, den größten Teil der Ukraine-Flüchtlinge in private Unterkünfte zu vermitteln.
BSZ: Wenn Sie sich mit Landratskolleginnen und -kollegen unterhalten – wie schildern die die Lage?
Kneidinger: Für viele ist die Frage der Unterbringung nach wie vor eine Herausforderung. Gerade in Oberbayern sind auch noch Turnhallen belegt und werden Containerlager geplant. Probleme bereiten immer wieder größere Unterkünfte in kleinen Gemeinden. Da ist es mit der Akzeptanz oft schwierig.
BSZ: Die Staatsregierung hat angekündigt, kleinere Einrichtungen vor allem aus Kostengründen zu schließen und die Menschen zentraler in größeren Einheiten unterzubringen. Was halten Sie davon?
Kneidinger: Im Landkreis Passau haben wir diese Strategie schon immer verfolgt. Bei uns haben die Gemeinschaftsunterkünfte im Regelfall um die 100 Plätze. Nach unseren Erfahrungen erleichtert das die Betreuung, weil man in jeder Einrichtung einen Kümmerer einsetzen kann. Wir müssen diese Betreuer deshalb nicht durch den ganzen Landkreis schicken. Auch die beteiligten Sozialverbände tun sich leichter, wenn sie nur wenige zentrale Anlaufstellen zu betreuen haben.
BSZ: Es heißt, in kleineren Einrichtungen sei die Integration leichter und die Kriminalitätsbelastung geringer. Was sagen Ihre Erfahrungen?
Kneidinger: Das kann ich so pauschal für unsere Einrichtungen nicht bestätigen. Es kommt aber auch darauf an, wie man eine große Einrichtung definiert. Bei uns sind 100 Plätze groß, woanders gilt das noch als kleine Einrichtung. Entscheidend ist aus meiner Sicht weniger die Größe, sondern wie die Organisation und Betreuung vor Ort funktionieren und wie die Belegungsstruktur im Einzelfall aussieht.
BSZ: Welche migrationspolitischen Erwartungen haben Sie an die nächste Bundesregierung?
Kneidinger: Wünschenswert wären schnellere Entscheidungsprozesse über Aufenthaltsstatus und Bleiberecht sowie die konsequente Rückführung nicht bleibeberechtigter Personen. Zudem dürfen die Kommunen vom Bund bei ihren Integrationsleistungen finanziell nicht länger im Stich gelassen werden, zum Beispiel beim Ausbau von Kindergarten- und Schulplätzen oder der Durchführung von Sprachkursen.
„Der digitale Bauantrag wird die Verfahren beschleunigen“
BSZ: Bundestag und Bundesrat haben vor Weihnachten die Krankenhausreform verabschiedet. Wie bewerten Sie den Beschluss?
Kneidinger: Aus meiner Sicht hat die Reform die besondere Situation von Flächenlandkreisen wie Passau nicht ausreichend in den Blick genommen. Bei uns braucht es für eine wohnortnahe Versorgung andere Lösungen als beispielsweise in den städtischen Ballungsräumen Nordrhein-Westfalens. Wir haben drei Klinikstandorte über den Landkreis verteilt. Würde ein Standort wegfallen, kommen wir an einigen Orten auf Fahrzeiten von über 45 Minuten. Auf diese Realitäten nimmt die Reform keine Rücksicht. Wir brauchen flächig Anlaufstationen, wo 24 Stunden am Tag eine medizinische Versorgung gewährleistet ist. Wir haben das am Standort Wegscheid testweise eingeführt, aber das ist natürlich defizitär.
BSZ: Wieviel hat der Landkreis Passau 2024 bei seinen Kliniken an Defiziten ausgleichen müssen?
Kneidinger: Zwischen 12 und 14 Millionen Euro.
BSZ: Der Präsident des Landkreistages, Thomas Karmasin, hat die Staatsregierung dafür gerügt, die landeseigene Krankenhausplanung vernachlässigt zu haben. Teilen Sie diese Kritik?
Kneidinger: Ja, denn im Augenblick liegt die Planungslast praktisch allein bei den Kommunen. Wir brauchen da mehr Unterstützung durch den Freistaat, denn die medizinische Versorgung endet nicht an der Landkreisgrenze. Krankenhausplanung muss gesamtbayerisch gedacht werden, sonst geraten vor allem kleine Standorte auf dem Land unter die Räder.
BSZ: Der Sieben-Punkte-Plan von Gesundheitsministerin Gerlach ist also nicht ausreichend?
Kneidinger: Jetzt warten wir mal die im Programm angekündigten Regionalkonferenzen ab. Die ergeben aber nur Sinn, wenn sich der Freistaat selber stärker an der Planung beteiligt.
BSZ: Die Staatsregierung hat ein umfassendes Entbürokratisierungsprogramm angestoßen. Wie zufrieden sind Sie mit den bisherigen Maßnahmen?
Kneidinger: Es ist gut, dass etwas vorangeht. Wir Landkreise haben ja selbst viele Vorschläge für einen Bürokratieabbau unterbreitet. Im Landkreis Passau prüfen wir ständig, was wir dazu selbst beitragen können.
BSZ: Ein Punkt ist die Festlegung der Landkreise als zentrale Anlaufstelle für Bauanträge. Ist das sinnvoll?
Kneidinger: Ja, das reduziert die Wege und den Verwaltungsaufwand. Noch mehr Beschleunigung und Vereinfachung erhoffe ich mir aber vom digitalen Bauantrag. Bei uns sind im vergangenen Jahr von rund 1600 Bauanträgen schon 426 digital eingereicht worden.
BSZ: Was müsste aus Ihrer Sicht unbedingt noch angegangen werden beim Bürokratieabbau?
Kneidinger: Ich nehme mal als Beispiel die Grundsteuerreform. Die Bürger mussten dazu von verschiedenen Behörden die notwendigen Unterlagen einfordern, um nachher die Erklärung abgeben zu können. Das hätte sich aus meiner Sicht ganz einfach mit einem Formblatt lösen lassen, mit dem der Bürger zustimmt, dass seine ohnehin bei den Behörden vorhandenen Daten zusammengefasst werden. So ähnlich könnte man das, auch datenschutzkonform, in vielen anderen Bereichen machen.
BSZ: Für Kritik sorgt oft der weitverzweigte Förderdschungel. Nervt Sie der auch?
Kneidinger: Nur ein Beispiel: Allein im Radwegebau gibt es eine Vielzahl von Förderprogrammen. Ich verstehe sehr wohl, dass für verschiedene Ziele auch unterschiedliche Fördervorgaben bestehen, aber eine gewisse Bündelung der Programme wäre schon wünschenswert. Zudem könnte man überprüfen, ob für einzelne Fördertatbestände mehrere Ministerien oder nachgeordnete Behörden zuständig sein müssen. Da wären manchmal klarere Linien nicht schlecht.
BSZ: Werfen wir noch einen Blick auf die Kommunalfinanzen. Der Freistaat hat seinen Anteil zum kommunalen Finanzausgleich erneut deutlich erhöht, trotzdem hält sich die Begeisterung der Kommunen in Grenzen. Warum?
Kneidinger: Natürlich sind wir darüber froh und dankbar. Was uns aber belastet, ist die Übertragung immer neuer staatlicher Aufgaben auf die Kommunen. 2 von 3 Euro, die der Landkreis Passau ausgibt, liegen im Sozialbereich. Das beruht hauptsächlich auf Ausgabepflichten vor allem aus Bundesgesetzen. Allein bei der Jugendhilfe sind unsere Ausgaben dadurch von 2019 bis heute von 12 auf 25 Millionen Euro angestiegen. Dafür bekomme ich keine Entschädigung. Das Gleiche gilt für die wachsenden Betriebskostendefizite in den Krankenhäusern oder für den 2026 startenden Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder. Wir brauchen auch für bundesgesetzliche Aufgabenübertragungen ein Konnexitätsprinzip, wie wir es in Bayern schon haben. (Interview: Jürgen Umlauft)
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