Kommunales

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20.10.2024

„Die Kliniklandschaft muss und wird sich ändern“

Allein die kreisfreien Städte in Bayern haben in den vergangenen fünf Jahren mehr als eine halbe Milliarde Euro in ihre Krankenhäuser gepumpt

Hohe Betriebskosten und Inflation machen den Kliniken zu schaffen. Obendrein sorgt das langwierige Ringen um die Reform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für Verunsicherung. Die Ausgangssituation ist unbestritten. In den mehr als 400 bayerischen Krankenhäusern sind zu viele der 74.000 Betten zu selten belegt. Hinzu kommen steigende Kosten und der Mangel an Personal.

Die Folge: Immer mehr Krankenhäuser geraten finanziell in Schieflage. Manche müssen schließen. Laut Bayerischer Krankenhausgesellschaft rechnen acht von zehn bayerischen Krankenhäusern damit, dieses Jahr Verluste zu schreiben.

Die Existenz vieler Krankenhäuser ist akut bedroht, weil die Defizite nicht mehr ausgeglichen werden können. Seit 2019 mussten viele kreisfreie Städte hohe Summen aufbringen, um das Eigenkapital ihrer Kliniken zu stärken. Trotzdem hat sich die Finanzlage der Krankenhäuser weiter verschärft. Viele kreisfreie Städte sind kaum mehr in der Lage, weiterhin die Defizite ihres Krankenhauses finanziell zu tragen. Bei den Landkreisen wirken sich die Mehrbelastungen massiv auf die Kreisumlagen aus: Als Folge entstehen enorme Löcher auch in den Haushalten der kreisangehörigen Städte und Gemeinden.

Geburtshilfe schließen hier, Herzzentrum ausbauen dort

„Die Kliniklandschaft muss und wird sich ändern“, ist sich der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, der Straubinger OB Markus Pannermayr (CSU), sicher. Doch wer entscheidet über das Aus einer Geburtshilfe hier und den Ausbau zum Herzzentrum dort? Pannermayr sieht dabei seine Parteifreundin, Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU), in der Pflicht. Sie dürfe nicht warten, bis womöglich wichtige Kliniken schließen, sondern müsse die Umstrukturierung aktiv gestalten.

Laut Pannermayr hätten allein die kreisfreien Städte in Bayern in den vergangenen fünf Jahren mehr als eine halbe Milliarde Euro in ihre Krankenhäuser gepumpt. Bei den Landkreisen sehe es nicht besser aus. „Das ist ein Versagen der Bundesregierung“, schimpft der Straubinger Oberbürgermeister.

„Bei dieser Planung spielt die kommunale Ebene natürlich eine wichtige Rolle. Wir sind Träger der Krankenhäuser“, sagt der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags. „Aber wir können das nicht alleine tun.“ Die Planung müsse über Landkreis- und Bezirksgrenzen hinweg gehen, so Pannermayr. „Deshalb kann man das nur mit dem Blick von oben auf die Dinge tun. Und Planungsbehörde ist nun mal der Freistaat.“ Tatsächlich ist gesetzlich festgelegt: Die Krankenhausplanung obliegt den Ländern.

Das betont auch der CSU-Koalitionspartner Freie Wähler. „Viel zu zögerlich, zu lethargisch“ sei die Krankenhausplanung in Bayern schon seit Jahren, kritisiert die gesundheitspolitische Sprecherin der FW, Susann Enders. Gerade ländliche Regionen könnten bald unterversorgt sein. Auch sie sagt: Die Ministerin müsse die Planung in die Hand nehmen, „wilde, unkontrollierte Klinikschließungen“ verhindern und dann aber auch „das Rückgrat haben“, unbeliebte Entscheidungen zu verkünden.

Der Präsident des Bayerischen Landkreistags, Landrat Thomas Karmasin (CSU), erklärte, dass Länder und Bund sich so verstritten hätten, dass nichts weiterginge. Diese Blockade führe derzeit deutschlandweit zu monatlich 500 Millionen Euro Erlösausfall. Die Reform würde erst 2027 greifen. Die Krankenhausplanung müsse aber vorher diskutiert werden. Die Landkreise würden ansonsten Monate und Jahre verlieren, die sich in Millionendefiziten ausdrücken.

„Wir können in Bayern nicht abwarten, bis der Bund alles in trockenen Tüchern hat“, sagt Karmasin. „Wir beklagen zu Recht, dass Berlin die Planungshoheit der Länder aushöhlt. Eben diese Planungshoheit müssen wir aber auch nutzen. Wir Landkreise sind reformfähig und reformwillig. Wir brauchen aber die Moderation durch den Staat, der die ganze Kliniklandschaft des Freistaates im Blick hat. Wir brauchen die Krankenhausplanung des Freistaates, damit wir wissen, welche Krankenhäuser gebraucht werden. Dabei geht es nicht darum, dass der Freistaat die Aufgabe übernimmt, Häuser für uns zu schließen. Bayernweit muss Bedarfsgerechtigkeit hergestellt werden. Wir brauchen Kriterien, nach denen wir diese bemessen können. Die Krankenhausplanung muss neu aufgestellt werden“, forderte der Fürstenfeldbrucker Landrat.

Viel Druck also auf Judith Gerlach. Die CSU-Ministerin aber sieht den Bund in der Pflicht und kritisiert Lauterbach: Dass dessen Reform noch nicht ausverhandelt sei, mache die Planungen auf Landesebene unwägbar. Länger warten könne sie aber nicht, sagt Gerlach selbst. Sie habe ein Gutachten in Auftrag gegeben, das einen Überblick über die Versorgungslage in Bayern geben soll, teilt die Ministerin mit. Wo ist Bayern unter-, wo überversorgt? Welche Angebote gibt es zu wenig, welche zu viel? Gerlach verspricht, einen Rahmen vorzugeben, der die konkrete Planung in den Regionen erleichtert. Das Maßnahmenpaket werde sie demnächst im Kabinett vorstellen.

Die Entscheidung über Klinikschließungen müsse aber vor Ort getroffen werden, sagt Gerlach: „Die Krankenhäuser sind keine nachgelagerten Behörden von mir, denen ich kleinteilig vorschreibe, was sie zu tun haben.“ Dafür seien die Träger verantwortlich – egal ob privat, freigemeinnützig oder kommunal. (André Paul)

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