Kommunales

Sollen E-Autos kostenlose parken? (Foto: dpa)

22.12.2024

Parkgebühren für E-Autos: Die Kommunen wollen selbst entscheiden

Der Widerstand der Städte und Gemeinden gegen Pläne zum kostenlosen Parken von E-Autos wächst

Es ist ein Armutszeugnis für die deutsche Politik: 2023 hat der Verkehrsbereich hierzulande sein Klimaziel das dritte Jahr in Folge verfehlt. Ein Grund für die Misere sind Fachleuten zufolge neben dem nicht nur im Vergleich zu Ländern wie der Schweiz schlechten Bahn- und ÖPNV-Netz die schwachen Absatzzahlen bei Elektroautos. Und die im Vergleich zum Verbrenner relativ geringen Verkaufszahlen bei den E-Autos haben auch volkswirtschaftlich fatale Folgen. Bayerische Autobauer und deren Zulieferer planen, in den kommenden Jahren Tausende Stellen abzubauen oder zu streichen.

Die Staatsregierung wartete deshalb jüngst mit einem umstrittenen Vorstoß auf: Vom 1. April an sollen Elektro-, Hybrid- und Brennstoffzellenfahrzeuge bayernweit auf öffentlichen Verkehrsflächen für drei Stunden kostenlos parken dürfen. Nach dem Kabinettsbeschluss pries Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) die Initiative als „starkes Signal für das Auto ganz generell, aber auch ein Anreiz für mehr umweltfreundliche E-Mobilität“. Er sieht eine „Win-win-Situation“, bei der zudem die Innenstädte von mehr Kunden profitierten.

Pragmatische Lösung

„Wir haben uns für eine unbürokratische und pragmatische Lösung entschieden, die bayernweit einheitlich gilt, um E-Fahrzeuge attraktiver zu machen, gerade in Ballungsräumen“, lobte auch Innenminister Joachim Herrmann (CSU) jüngst. Ein Sprecher seines Hauses betont auf BSZ-Nachfrage, dass sich an dieser Einschätzung trotz anhaltender Kritik seitens des Städtetags nichts geändert habe. Das Innenministerium erhoffe sich „einen Beitrag zur Luftreinhaltung im städtischen Raum und auch für weniger Fahrzeuglärm“.

Doch nicht nur der Städtetag warnt vor aus seiner Sicht möglichen negativen Folgen. Benedikt Weigl, Referent beim Bayerischen Gemeindetag, sagt der Staatszeitung: „Wir sehen diese Regelung sehr kritisch und halten diese für einen nicht angemessenen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung.“ Es sollte die Entscheidung jeder einzelnen Kommune selbst sein, welches Parkraumkonzept sie wählt und ob sie sich das auch leisten könne, so Weigl.

Für den Bayerischen Städtetag ist laut dessen Sprecher Achim Sing ohnehin klar: „Es muss jeder Stadt im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung weiter überlassen bleiben, wie sie die Parkraumbewirtschaftung auch unter Berücksichtigung des Klimaschutzes gestalten möchte.“

In einer Umfrage der Staatszeitung unter diversen großen bayerischen Städten schließt sich der Großteil der Kritik an – so etwa Passau. Die geplante Kostenfreiheit würde in der Donaustadt jährliche Mindereinnahmen in Höhe von rund 250 000 Euro verursachen, ärgert sich Oberbürgermeister Jürgen Dupper (SPD).

Fahrer eines großen SUV würden auf Kosten wichtiger Aufgaben wie Kinderbetreuung subventioniert werden. Ingolstadts OB Christian Scharpf sagt, der Vorschlag der Regierung klinge „erst einmal gut, gerade für uns in Ingolstadt“. Doch er fürchtet, dass die „eh schon klammen Kassen in den Städten und Gemeinden so noch weiter belastet werden“. Doch das scheine „die Verantwortlichen in München nicht zu interessieren“. Der SPD-Mann sagt: „Ich freue mich für die Betroffenen, wenn der Freistaat Wohltaten verteilt. Aber dann soll er doch bitte auch für die Einnahmeverluste aufkommen.“ Er zumindest sei es leid, „dass Bund und Land ständig Aufgaben und Maßnahmen zulasten der Kommunen beschließen und wir nicht mehr wissen, mit welchem Geld wir noch zum Beispiel die Schulen sanieren oder die Krankenhausdefizite finanzieren sollen“.

Darf der Freistaat darf 

Den Vorwurf, die geplante Regelung verstoße gegen das Konnexitätsprinzip, weist ein Sprecher des Innenministeriums zurück. Dies habe eine juristische Prüfung ergeben. Das Prinzip mit dem sperrigen Namen soll sicherstellen, dass keine teuren Aufgaben vom Land oder Bund auf die kommunale Ebene übertragen werden, ohne dass die Städte, Gemeinden und Landkreise für diese Mehrbelastung einen entsprechenden Ausgleich erhalten.

Der Planungs- und Baureferent der Stadt Nürnberg hatte gegenüber der Süddeutschen Zeitung ebenfalls geklagt: „Furchtbar viel“ halte man nicht von der Regelung. Nach einer ersten Schätzung rechne die Stadt mit bis zu 300 000 Euro an wegbrechenden Einnahmen wegen des Wegfalls von Parkgebühren. Auf Nachfrage sagt Planungs- und Baureferent Daniel Ulrich: „Die Stadt Nürnberg begrüßt alle Maßnahmen, die der Förderung der Elektromobilität dienen. Wenn auch E-Autos gleich viel Platz wie Verbrenner einnehmen, so erzeugen sie doch weniger Lärm und Abgase und sind somit die bessere Alternative.“ Wie weit jedoch eine Verbilligung von Parkraum hierbei unterstützen könne, bleibe abzuwarten. „Ebenso bleibt offen, wie zu erwartende Einnahmeausfälle kompensiert werden können“, so Ulrich. Nürnberg wünsche sich „eine Erweiterung der Verordnung in Bezug auf die Kostenobergrenze für Parkgebühren ebenso wie für das Ausstellen von Bewohnerparkausweisen“.

Auch Augsburg kritisierte jüngst einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand und ungeplante Einnahmeausfälle. Ähnliche Kritik gibt es auch aus Bayreuth, Regensburg und Ansbach. In Würzburg wird das Agieren der Staatsregierung dagegen mit Verweis auf die eigenen Klimaziele begrüßt.

Ein Sprecher des Innenministeriums verweist darauf, dass die Regelung bayernweit nur gut 5 Prozent aller Pkw betreffe. Er betont: „Die Regelung hat Vorteile für die Umwelt. Nur deshalb haben Städte wie München ja bereits solche Modelle eingeführt.“ Doch auch vom Mobilitätsreferat der grün-rot geführten Landeshauptstadt kam zuletzt Kritik. Man bedauere etwa, dass den Kommunen damit der Gestaltungsspielraum für die unterschiedlichen Erfordernisse der einzelnen Örtlichkeiten genommen werde. Der Vorstoß widerspreche zudem dem Münchner Grundprinzip der Nachfragesteuerung durch Entgelt. Da es an der Isar bereits eine Regelung zum kostenfreien Parken für E-Autos gibt, rechne man weniger mit einer steuernden Wirkung als mit Mitnahmeeffekten. Wer am Ende recht behält, bleibt abzuwarten.  (Tobias Lill)

Der Artikel erschien am 13. Dezember in der gedruckten Ausgabe der Bayerischen Staatszeitung.

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.