Angesichts der verpflichtenden kommunalen Wärmeplanung stehen alle Städte und Gemeinden vor der wichtigen Frage, ob oder wo der Aufbau einer leitungsgebundenen Wärmeversorgung in ihrem Gebiet sinnvoll ist. Der Weg zur realen Umsetzung eines Wärmenetzes ist jedoch lang und herausfordernd. Wichtige Aspekte, die dabei zu berücksichtigen sind, sind Planungssicherheit, Kosteneffizienz, Versorgungssicherheit, die Beteiligung der Öffentlichkeit und die Fortschreibung durch eine Aktualisierung alle fünf Jahre.
„Am Anfang steht immer die Erstellung eines strategischen Fahrplans für eine nachhaltige und möglichst günstige Wärmeversorgung. Die rechtlich unverbindliche Strategie eröffnet die Chance für Wärmenetze in Bereichen, wo es Sinn macht“, eröffnete Matthias Wanderwitz vom Carmen e. V. die Web-Konferenz „Die kommunale Wärmewende meistern mit Wärmenetzen und Energiegenossenschaften“, zu der Carmen e. V. aus Straubing vor Kurzem eingeladen hatte.
„Die Nahwärme-Genossenschaft hat sich vor allem in den letzten Jahren und mit der Ukraine-Krise zu einem Erfolgsrezept entwickelt“, sagte Frank Anetzberger vom Genossenschaftsverband Bayern. Die Gründung einer derartigen Genossenschaft sei ein längerer Prozess und koste zwischen 3000 und 5000 Euro. Auch ein Wärmeabnehmer müsse zwingend ein Vereinsmitglied sein.
„Der Grundstein für einen effizienten und wirtschaftlichen Betrieb von Wärme- und Kältenetzen wird in der ersten Planungsphase gelegt“, erklärte Marcus Fuchs von der Heatbeat Engineering GmbH aus Nürnberg. In dieser Phase würden oft noch große Unsicherheiten vorherrschen. Um bei Veränderungen mit dem Wärmenetz nicht immer neu anfangen zu müssen, biete sich die Nutzung eines digitalen Zwillings an.
Laut Fuchs steht am Anfang immer eine Bedarfsermittlung durch die Nutzung verschiedener öffentlich zugänglicher Datenquellen und der Ergebnisse der Umfragen bei den Beteiligten. Um von der Datensammlung zu aussagekräftigen Bedarfen zu kommen, erfolge die erste Schätzung über den Flächenschlüssel. Dynamische Gebäudemodelle könnten hier automatisiert erstellt werden und der erste Abgleich auf eventuelles Nutzerfehlverhalten erfolgen. Aus den Ergebnissen lasse sich ablesen, ob sich ein Wärmenetz überhaupt lohne.
Die Ableitung von Wärmebedarfs- und Liniendichten hänge von vielen Faktoren ab, wie die Anzahl der Personen, die sich anschließen lassen, sowie dem Betreibermodell. „Doch machen Sie dieses nicht an den Kilowattstunden fest“, rät Fuchs. Bei dem Vorhandensein von Abwärmepotenzial lohne sich eine Wärmeversorgung auch bei geringer Bedarfsdichte. Die Gegenüberstellung von Potenzialen zur regenerativen Wärmeerzeugung und die Festlegung potenzieller Standorte für die Heizzentrale würden das Bild abrunden.
Die Machbarkeitsstudie erfordere ein realistisches Abbild der Lastgänge. Bereits in dieser Phase würden dazu plausible stündliche Lastprofile individuell für jedes Gebäude erstellt. Dafür würde der Betrieb des Gesamtsystems für den Verlauf eines Jahres in stündlicher Auflösung simuliert. So könnten die zahlreichen Wechselwirkungen im System verlässlich bewertet werden. Durch das Durchspielen aller Optionen mit wechselnden Anteilen könne die wirtschaftlich beste Lösung gefunden werden. Die Veröffentlichung der Ergebnisse und der daraus erfolgende Dialog seien unerlässlich.
„Eine Genossenschaft für die Wärmeversorgung ist oft eine gute Lösung“, bekräftigte Markus Euring von der Enerpipe GmbH aus Hilpoltstein bei Nürnberg. Die Netzinfrastruktur werde über Jahrzehnte ausgelegt, sodass die Energiequelle flexibel anpassbar sei. Diese Technologieoffenheit sei ein riesiger Hebel. In der Region Mittelfranken gebe es viele Wärme-Genossenschaften. Allein der Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen verfüge zum Beispiel über 65 Wärmenetze mit circa 5000 Abnehmern.
Vom Erstkontakt bis zur Umsetzung müsse man circa drei Jahre einplanen, abhängig von den Initiatoren und dem Warten auf Rückmeldungen der Bürger. Am Anfang stehe eine Abendveranstaltung, bei der die Bürger Erhebungsbögen ausfüllen müssten. Ein Trassenplan würde Aufschluss über die Möglichkeiten eines Anschlusses ans Wärmenetz bieten. „Wer zu weit weg wohnt, hat Pech“, so Euring. Wichtig seien die Haus-zu-Haus-Kontakte, um die Anschlussquote zu erhöhen. Durch die Zerstreuung von Bedenken könnten in der Regel noch mal weitere 20 Prozent gewonnen werden.
Für den Anschluss durch den Tiefbau müsste pro Anschluss mit 8000 bis 20 000 Euro gerechnet werden. Doch es gebe hier unterschiedliche Stellschrauben, um die Kosten zu minimieren. Die Schwierigkeit auf dem Land sei eher die Wärmebedarfsdichte.
Weniger Netzverluste und Investitionskosten
Um die Stromversorgung auch bei Dunkelflaute zu sichern, müsse Energie gespeichert werden und bei Bedarf schnell zur Verfügung stehen. Weil Windenergieanlagen und somit auch die Mengen des erzeugten Stroms immer größer werden, bedarf es Speicher mit hoher Speicherkapazität, damit der Durchfluss bedarfsgerecht geregelt werden könne. Wissenschaftler der TU Dresden hätten einen Rotationskinetischen Speicher (RKS) entwickelt, der eine fünfmal höhere Kapazität als das bislang größte RKS-System in Verbindung mit erneuerbarer Energiegewinnung aus Windkraft besitze.
Mit dem dezentralen Pufferspeicherkonzept würden Wärmenetze in Projekten mit geringer Wärmebedarfsdichte schlanker dimensioniert, die Erzeugung optimiert sowie Netzverluste und Investitionskosten reduziert. Planerische Ansätze seien hier die Reduzierung der Spitzenlast mittels dezentraler Pufferspeicher und deren optimale Beladung. Eine weitere Möglichkeit sei die Optimierung der Erzeugung durch die Entkoppelung vom Wärmebedarf und die Erzeugung durch den Pufferspeicher. Dafür müsse ermittelt werden, welche erneuerbare Energien in dem Gebiet generiert werden könnten. Die Grundidee eines saisonalen Speichers sei gut, aber die Kosten zu hoch und mit 40 Prozent Förderung nicht realisierbar.
Auch die Rohrtechnik sei zu beachten. Eine Rohrleitung aus Plastik würde in der Regel mehr als 50 Jahre halten und für niedrige Temperaturen ausreichend sein. Um einen effizienten Betrieb zu erreichen, sollten Visualisierung und Steuerung mit Kennwerten arbeiten. (Antje Schweinfurth)
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