Kommunales

Das Projekt zur Optimierung des Winterdienstes im Bayerischen Wald hat schon Interesse in Japan und Norwegen geweckt. (Foto: Daimler)

29.11.2024

"Einer für alle, alle für einen"

Ein Ideenwettbewerb des bayerischen Digitalministeriums zeigt, was smarte Kommunen entwickeln und wie andere Städte und Gemeinden im Freistaat davon profitieren können

Egal ob hitzeresiliente Kommunen, intelligentes Energiemanagement oder Partizipation auf Augenhöhe – bei der Abschlussveranstaltung des Ideenwettbewerbs „Kommunal? Digital!“ in den Design Offices in München präsentierten Vorreiter aus Bayerns Städten und Gemeinden, wohin die Reise bei der Digitalisierung geht. Von den erarbeiteten Lösungen, die auf künstliche Intelligenz setzen, sollen laut Bayerns Digitalminister Fabian Mehring (Freie Wähler) alle Kommunen im Freistaat etwas haben.'

Sie sollen zum Beispiel von KLIWAS, dem vom Kommunalen Klima-, Informations-, Warn- und Alarmierungssystem aus Ergoldsbach (Landkreis Landshut) profitieren. Das System kann eineinhalb bis zwei Stunden vor einem Starkregenereignis präzise warnen. In dieser Zeit können sich Menschen und Rettungskräfte auf die Situation vorbereiten. „Sogar ältere Menschen haben sich extra ein Handy gekauft, um die App installieren und nutzen zu können“, berichtet Ergoldsbachs Bürgermeister Ludwig Robold (Freie Wähler). „Weil die Oma weiß, was es heißt, den Keller rauszuwischen“, ergänzt er. Gerade in Ergoldsbach komme es immer wieder zu kleinzelligen Gewittern, die 50 bis 70 Liter Regen pro Quadratmeter innerhalb kürzester Zeit ablassen. Erfolgreich gewarnt hat KLIWAS laut Robold bereits dieses Jahr im Ergoldsbacher Ortsteil Langenhettenbach.

Sensoren messen die Bodenfeuchte

Mit Wasser hat auch ein System aus Erlangen zu tun, das die Stadt gemeinsam mit der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg entwickelt hat. Das „StadtGrünDigital“ genannte Projekt sorgt dafür, dass die Bäume im Stadtgebiet gerade in den Hitzesommern mit ausreichend Wasser versorgt werden. Hierzu wurden 70 Bodenfeuchtigkeitssensoren an den Bäumen installiert und 16 Niederschlagsmessgeräte aufgestellt. „Die Sensoren messen in drei unterschiedlichen Tiefen und so können wir unsere Gießtouren optimieren“, erläutert Thomas Reinfelder vom Betrieb für Stadtgrün, Abfallwirtschaft und Straßenreinigung der Stadt Erlangen. Das spare Wasser und Kraftstoff für die Gießfahrzeuge. Aktuell gebe es in Erlangen drei Gießtouren für die rund 20.000 Stadtbäume. 2025 soll laut Reinfelder eine vierte hinzukommen, die nur über diese neue Sensorik gesteuert wird. Wenn das erfolgreich war, soll das System auf allen Gießtouren zum Einsatz kommen. Einsparungen von 60.000 Euro im Jahr seien so möglich.

Wasser ist auch im Bamberger Projekt „BaKIM“ Dreh- und Angelpunkt. Mit einer Drohne wird regelmäßig das Stadtgebiet und der Stadtwald überflogen, um anhand des Zustands der Baumkronen evaluieren zu können, was die Bäume brauchen. „70 Prozent des Bamberger Wassers wird im Stadtwald gewonnen“, erläutert Bambergs Forstamtsleiter Johannes Hölzel. Da Bamberg in einer der heißesten und trockensten Zone Bayerns liege, sei es besonders wichtig, den Zustand des Stadtwalds für die Trinkwasserversorgung im Blick zu haben. Die Drohne liefere präzise Aufnahmen, sodass etwa gegen Parasiten wie Misteln, die es dort verstärkt gebe, vorgegangen werden kann. Wissenschaftler aus China und den USA arbeiten bereits mit den gewonnenen Daten, berichtet Hölzel. Das Projekt wurde in Kooperation mit der Universität Bamberg entwickelt.

Mit Wasser hat auch das Projekt „Lauben Digital“ aus Lauben (Landkreis Oberallgäu) zu tun. Weil in einem Jahr einmal 30.000 Kubikmeter Trinkwasser wegen einer Leckage im Leitungssystem verloren gingen, wollte man die Verluste reduzieren. „Unter Wasserfachleuten gelten 10 Prozent Verlust als normal“, sagt Laubens Bürgermeister Mathias Pfuhl. Aber hochgerechnet auf ganz Deutschland sorge dieser Prozentsatz für einen Wasserverlust in dreifacher Höhe des jährlichen Wasserverbrauchs der Landeshauptstadt München. „Das ist nicht akzeptabel“, so Pfuhl. Darum hat man in Lauben Sensoren ins Leitungsnetz eingebaut, um frühzeitig Kenntnis von eventuellen Wasserverlusten zu erhalten.

Ungewöhnlich hohe Verbräuche detektieren

Gegen Ressourcenverschwendung richtet sich auch die bayernweite Plattform für ein effizientes digitales Energiemanagement, das der Landkreis Ebersberg entwickelt. Damit sollen die Energieverbräuche in den kommunalen Liegenschaften des Landkreises gemanagt werden. Inzwischen hat sich auch der Landkreis München dem Projekt angeschlossen. „Die Solaranlage auf dem Dach des Ebersberger Gymnasiums produziert im Sommer viel Strom, der dort nicht verbraucht werden kann, weil Schulferien sind“, erläutert Landrat Robert Niedergesäß (CSU). Darum werde diese Energie ans Kreisklinikum weitergegeben. Das System kann aber auch ungewöhnlich hohe Verbräuche detektieren. „So gab es einmal am Gymnasium einen Wasserschaden in sechsstelliger Höhe, weil ein paar Schüler am Freitag die Wasserhähne im Toilettenbereich aufdrehten und die Abflüsse verstopften“, berichtet der Landrat. Wäre damals schon das heutige System installiert gewesen, hätte man den ungewöhnlich hohen Wasserverbrauch dank Alarmfunktion früher erkannt und Schäden am Gebäude minimieren können. Niedergesäß betonte, dass alle Projekte von „Kommunal? Digital!“ nach dem Motto der Musketiere funktioniert. „Einer für alle, alle für einen“, betont Niedergesäß. Auf diese Weise können alle Städte und Gemeinden im Freistaat davon profitieren.

Optimierung ist auch das zentrale Element des Projekts „ERWin“ der ILE-Nationalparkgemeinden Neuschönau, St. Oswald-Riedlhütte, Spiegelau, Frauenau, Lindberg und Bayerisch-Eisenstein (Landkreise Regen und Freyung-Grafenau). Mit dem effizienten und ressourcenschonenden Winterdienst sollen laut Spiegelaus Bürgermeister Karlheinz Roth (CSU) Kosten gespart und die Umwelt geschont werden. Denn das System ermöglicht einen optimierten Einsatz von Streusalz. Alle Winterdienstfahrzeuge sind mit GPS ausgestattet, sodass genau nachvollzogen werden kann, ob und wo geräumt oder geräumt und gestreut wurde. Interessierte aus Japan und Norwegen haben sich laut Roth schon über das Projekt informiert.

"Rent a Bauhof"

Mit Fahrzeugen beschäftigt sich auch das Projekt „Rent a Bauhof“ des Marktes Luhe-Wildenau (Landkreis Neustadt an der Waldnaab). Laut Bürgermeister Sebastian Hartl können sich damit benachbarte Kommunen gegenseitig Fahrzeuge ausleihen. „Bestes Beispiel ist der sogenannte Gullyboy“, so Hartl. Dieses Spezialfahrzeug zum Reinigen der Gullys werde nur zweimal im Jahr gebraucht, kostet in der Anschaffung aber je nach Ausstattung bis zu 300.000 Euro. Das müsse nicht jede Kommune vorhalten. „Bisher haben wir uns die Fahrzeuge mittels Telefon und Zettel ausgeliehen“, so Hartl. Mit der digitalen Plattform hätten die Gemeinden jetzt einen präzisen Überblick, wer was zur Ausleihe anbietet. Auf diese Weise müsse das eine oder andere Spezialfahrzeug oder Spezialgerät nicht mehr aus 50 Kilometern Entfernung geholt werden, weil es zum Beispiel die nur 10 Kilometer entfernte Nachbargemeinde hat. Bürgermeister Hartl betont, dass aus Kroatien schon Interesse an der Plattform angemeldet wurde.

Neben diesen Lösungen präsentierten Aschaffenburg, Günzburg und Kempten Möglichkeiten, wie mittels KI die Menschen das kommunale Leben mitbestimmen können. So bietet zum Beispiel die Stadt Aschaffenburg die „Digitale Manufaktur (DiMa)“. Sie ist eine digitale Eingabeplattform für Ideen von Bürger*innen, die einen positiven Gestaltungseffekt des öffentlichen Raumes mit sich bringen. In Günzburg verbindet der CO2-Marktplatz Menschen und Klimaschutz. Er informiert über CO2-Einsparmöglichkeiten und bietet jedem die Gelegenheit, seinen CO2-Fußabdruck mit einem eigens für die Plattform programmierten CO2-Rechner zu bestimmen. Die Stadt Kempten setzt auf das „Digitale Bürgerforum“ und die Begegnungsstätte „Zukunftslabor der Stadt Kempten“. Dadurch sollen die Transparenz und Akzeptanz der digitalen Stadtverwaltung erhöht werden. Die Menschen können über dieses vielseitige Tool Entscheidungen mitbestimmen.

Nicht nur Tech-Giganten sorgen für Digitalisierung

Digitalminister Mehring lobte die Kommunen für ihren Einsatz: „Sie sind die Zukunftsmacher der kommunalen Familie. Sie erschaffen im Schulterschluss mit der Staatsregierung einen modernen Staat und machen den Staat wieder cool“, so der Minister. Damit werde radikalen Kräften, die den Staat am Ende wähnen, der Wind aus den Segeln genommen. Das mit 4 Millionen Euro ausgestattete Projekt „Kommunal? Digital!“ sei bundesweit einzigartig und werde auch in den anderen Bundesländern und beim Bund viel beachtet. Ziel sei es, jetzt nach Projektabschluss nicht nachzulassen. „Wir wollen die Lösungen allen Kommunen im Freistaat zur Verfügung stellen“, so Mehring. Wenn das gelinge, könne er beim Finanzminister 40 Millionen Euro an Förderung lockermachen. „Kommunal? Digital! zeigt, dass nicht nur die US-amerikanischen Tech-Giganten wie Apple, Google oder Microsoft die Digitalisierung voranbringen“, betonte der Minister.
(Ralph Schweinfurth)

 

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