Bereits 2021 stellte Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) den Leitfaden „Wassersensible Siedlungsentwicklung“ vor. Basis für die hier beschriebenen Ansätze und Beispiele ist das Schwammstadt-Konzept. Im Kern geht es darum, Niederschlagswasser nicht mehr möglichst schnell abzuleiten, wie das bisher der Fall war, sondern vor Ort zurückzuhalten, zu versickern oder zu verdunsten.
Das ist ein grundlegender Paradigmenwechsel im Umgang mit Niederschlagswasser, was eine Erklärung für die zögerliche Realisierung von Kommunen und Städten darstellt. Hinzu kommen fehlende finanzielle Mittel, praktische Erfahrungen und DIBt-Zulassungen (Deutsches Institut für Bautechnik) sowie eine große Konkurrenz in der Flächennutzung, außerdem oft unklare Vorgaben, Zielsetzungen und Verantwortlichkeiten.
Sowieso-Projekte als Einstieg
„Damit Kommunen trotzdem Schwammstadt-Maßnahmen umsetzen können, die ja viele Vorteile bringen, empfehlen wir, mit ‚Sowieso-Projekten‘ zu beginnen“, erklärt Annette Bleich, Projektleiterin Siedlungswasserwirtschaft Berlin beim Ingenieurunternehmen Afry. „Wenn sie am Anfang eines dringend erforderlichen Projekts auch den wichtigen Aspekt der Niederschlagswasserbewirtschaftung mitbetrachten, können sie die Schwammstadt-Maßnahmen am schnellsten und kostengünstigsten umsetzen.“ Möglich ist das bei Umbau- oder Erneuerungsprojekten aller Art, bei Infrastrukturmaßnahmen und Neubauten.
Wie das gehen kann, zeigt beispielsweise Aubstadt in Unterfranken. Hier wurde die Ortssanierung genutzt, um das Kanalnetz zu trennen, sodass das Abwasser von Häusern und das Niederschlagswasser von Dächern und Straßen in separaten Systemen läuft. Dadurch ist die Kanalisation bei Starkregen entlastet. „Generell sollten Schwammstadt-Maßnahmen immer evaluiert werden, wenn die hydraulische Auslastung des Kanalsystems bei normalen bis starken Niederschlagsereignissen nicht mehr ausreicht, wenn es häufiger zu Überflutungen kommt oder wenn der Grundwasserspiegel deutlich gesunken ist“, ergänzt Annette Bleich.
Es ist wichtig, schon zu Beginn einer Planung abzuschätzen, auf welcher Ebene der Aspekt der Regenwasserbewirtschaftung den Sowieso-Projekten zugeordnet werden soll. Neben dem Projekt selbst, zum Beispiel dem sanierungsbedürftigen Ortskern oder dem Schulneubau, können als übergeordnete Ebenen auch die unmittelbare Umgebung und das Stadtviertel, die ganze Stadt bis hin zum Landkreis oder der Region einbezogen werden. „Dadurch wird in der Regel ein viel höherer Nutzen für Wohnen und Arbeiten, Mobilität, Wirtschaft, Gesundheit, Bildung und Klimaschutz erzielt“, berichtet Annette Bleich.
Hierfür ist jedoch auch eine enge und transparente Zusammenarbeit aller Beteiligten nötig. Dazu können je nach Größe des Projekts die Stadtverwaltung beziehungsweise der Gemeinderat, das Bauamt, der Wasser- und Abwasserzweckverband, die Verantwortlichen für Landschafts- und Grünordnungsplanung bis hin zu den Bürgern und Bürgerinnen und Gewerbetreibenden gehören.
Für die Umsetzung haben Kommunen eine ganze Reihe an Maßnahmen zur Verfügung. Die Basis sollte immer ein Generalentwässerungsplan oder ein Abwasserkonzept bilden. Außerdem ist zu beachten, wie der Umgang mit Niederschlagswasser in der Satzung der jeweiligen Gemeinde geregelt ist. Möglicherweise ist diese entsprechend anzupassen.
Im ersten Schritt sollte der Fokus darauf liegen, den Abfluss des Niederschlagswassers zu vermeiden oder zu reduzieren. Das bedeutet vor allem einen Verzicht auf Bodenversiegelung. Wo befestigte Flächen nötig sind, können wasserdurchlässige Lösungen genutzt werden, zum Beispiel Rasengittersteine, versickerungsfähige Pflaster oder wasserdurchlässiger Asphalt (Drainasphalt) beziehungsweise Drainbeton. „Damit lassen sich je nach Versickerungsleistung des Bodens die gewöhnlichen Regenmengen, also der Bemessungsregen, meistens gut bewältigen“, so die Expertin für Schwammstadt-Konzepte.
Wo der Boden durch Gebäude versiegelt ist, bieten sich Dach- und Fassadenbegrünungen an. Durch die Verdunstungskühlung helfen sie außerdem, Hitzeinseln zu vermeiden. Indem die Pflanzen CO2 und Staubpartikel binden und Sauerstoff abgeben, verbessern sie die Luftqualität. Niederschlagswasser, das nicht versickern kann, lässt sich kurzzeitig in Bodenvertiefungen wie Mulden, Rigolen oder Mulden-Rigolen-Kombinationen sammeln und kann zeitverzögert versickern oder verdunsten. Baumrigolen kombinieren dies mit der Bewässerung, sodass die Kommune ihren Bedarf an Gießwasser sowie Dürreschäden erheblich reduzieren kann.
Fällt mehr Niederschlag, ist zu verhindern, dass dieser in den Siedlungsraum abfließt. Stattdessen kann er unterirdisch in einer Zisterne gesammelt werden, sodass das Wasser ebenfalls zur Bewässerung zur Verfügung steht. Ist das nicht möglich, sollten oberirdisch Retentionsräume geschaffen werden, in denen das Niederschlagswasser entweder verzögert versickern oder verdunsten kann oder gedrosselt in die Kanalisation geleitet wird. „Außer dem klassischen Regenrückhaltebecken eignen sich hierfür praktisch alle öffentlichen Räume, die bei starkem Niederschlag sowieso nicht frequentiert sind, wie Spiel- und Sportplätze oder Schulhöfe. Damit entgeht man auch dem Problem der Flächenkonkurrenz“, erklärt Annette Bleich. „Zu beachten ist jedoch die Schadstoffbelastung des Niederschlagswassers. Zum Beispiel für Straßenabwasser ist gegebenenfalls eine Filtrationsfläche einzuplanen.“
Kommunen können Förderprogramme nutzen
Die Kosten für eine solche wassersensible Neu- oder Umgestaltung sind im Rahmen von Sowieso-Projekten meist gering. Zudem können Kommunen Förderprogramme nutzen. Bayern fördert zum Beispiel wasserwirtschaftliche Vorhaben nach den Richtlinien für Zuwendungen zu wasserwirtschaftlichen Vorhaben (RZWas 2021) oder Klimaanpassungsvorhaben im Rahmen der Förderrichtlinien Kommunaler Klimaschutz (KommKlimaFöR). Darüber hinaus gibt es Förderprogramme auf Bundesebene.
Gleichzeitig können Kommunen durch Schwammstadt-Maßnahmen langfristige Einsparungen erzielen: Sie benötigen weniger oder keine Maßnahmen für Hochwasserschutz und einen Ausbau der Kanalisation, gleichzeitig entstehen weniger Schäden durch Überflutungen. Der Bedarf an Frischwasser zur Bewässerung von Pflanzen und Grünanlagen sowie für WC-Spülungen in öffentlichen Gebäuden sinkt, Dürreschäden und damit Neupflanzungen werden vermieden.
Hinzu kommt, dass Kommunen damit eine lebenswertere und sicherere Umgebung für ihre Bürgerinnen und Bürger schaffen. Die Lebensqualität steigt und damit der Wohnwert. Außerdem tragen sie aktiv zum Erhalt der Biodiversität bei und wirken der Versalzung des Niederschlagswassers entgegen. (Christine Schulze)
Kommentare (0)
Es sind noch keine Kommentare vorhanden!