Kommunales

Tauben in einem Taubenschlag auf dem Gelände der Universität Regensburg. Ein Taubenexperte hat eine spezielle Locktauben-Art gezüchtet, mit deren Hilfe verwilderte Stadttauben gezähmt werden. (Foto: dpa/Armin Weigel)

11.01.2022

Für ein friedliches Nebeneinander

Tauben polarisieren. Für die einen sind sie lästige Dreckmacher, andere haben Mitleid mit den gefiederten "Friedensbotschaftern" und füttern sie. Kommunen versuchen das Taubenproblem auf verschiedene Weise in den Griff zu bekommen

Ein Schwarm Tauben dreht über dem Gebäude der Universität Regensburg einige Runden. Dann flattern die Vögel in eine Voliere auf dem Dach, nach und nach kehren alle Tauben zurück. Hier leben die Tiere, werden versorgt und nisten nicht mehr wild in Tiefgaragen oder auf Fenstervorsprüngen. 2012 startete die Uni nach jahrzehntelangem Ärger mit Taubendreck ein Projekt zur Eindämmung der Taubenplage - das "Regensburger Modell". Mit Erfolg, wie ein Sprecher der Universität nun sagt: "Die Taubenkolonien, die in der Vergangenheit Probleme bereiteten, sind aufgelöst."

Taubenexperte Ferry Wittke aus dem niederbayerischen Bad Abbach hat eigens eine spezielle Locktauben-Art gezüchtet, mit deren Hilfe verwilderte Stadttauben gezähmt werden. Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Frank Wilm aus Baldham bei München hat er auf dem Uni-Dach sein "Regensburger Modell" einst erprobt.

Heute leben jeweils 50 bis 80 Tauben in zwei Volieren. Ansonsten sei das Uni-Areal taubenfrei - abgesehen von einzelnen "Zufliegern". Diese seien kein Problem, schließlich wohnt ein Habichtspaar auf dem Uni-Gelände, das sich ab und an eine Taube schnappt.

Für die Tauben sind die Taubenschläge geradezu Luxus-Wohnanlagen. Hier sind sie geschützt vor Wind, Regen, Schnee und Fressfeinden. Es gibt artgerechtes Futter, frisches Wasser und Bademöglichkeiten sowie Nischen zum Nisten. Eier werden von den Betreuern der Anlage gegen künstliche Eier getauscht, so dass die Tauben zwar brüten, sich aber nicht vermehren können. Lediglich ab und zu darf ein Tauben-Paar seine Eier ausbrüten, um ein Erfolgserlebnis zu haben. Entnommene Eier gehen zum Verfüttern an Zoos und Fuchsaufzuchtstationen.

Locktauben bringen Stadttauben in den Taubenschlag

Die Locktauben haben eine rötlich-beige Färbung, die sie für Stadttauben interessant macht. Die Locktauben-Männchen bezirzen die Weibchen mit markanten Gurrlauten und die Locktauben-Weibchen seien nicht nur monogam, sondern auch sehr gelassen, wie Ferry Wittke erklärt. Seine Zuchttauben lockten jedenfalls erfolgreich die Stadttauben in den Taubenschlag.

"Die Locktauben lehren die Stadttauben quasi mit Messer und Gabel zu essen", sagt Wittke. Die Stadttauben wüssten die Annehmlichkeiten der neuen Behausung schnell zu schätzen und verließen dafür ihre früheren Nistplätze. Nach regelmäßigen Freiflügen kehrten die Tiere freiwillig in den Taubenschlag zurück und brächten manchmal noch Zuflieger mit.

Aus Sicht der Uni sei das Modell mit der Umsiedelung vom Campus in die Taubenschläge als "dauerhaft erfolgreich" anzusehen, bilanziert Martin Postner vom Umweltschutz-Referat der Hochschule. "Wir sind sehr stolz auf die Umsetzung des Konzeptes, weil es einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt, der das Verhalten der Tiere berücksichtigt und selbstverständlich den Tierschutz."

Das ist dem Duo Wittke und Wilm ein besonderes Anliegen. Sie wollen eben nicht nur gegen Taubenplagen vorgehen, sondern auch gegen Tierquälerei. Er habe schon zu viele üble Dinge gesehen, die Hausbesitzer Tauben angetan hätten - kochendes Wasser über Nester gießen oder die Tiere mit einem Messer regelrecht zermetzeln. "Muss das sein?!", fragt Wittke. Und weil er Verständnis hat dafür, dass sich Hausbesitzer über Taubendreck ärgern, bietet er mit seinem "Regensburger Modell" eine Lösung an, wie die Tiere schonend dezimiert werden können. Das Projekt werde auch in anderen Städten umgesetzt.

Bedarf an Taubenschlägen: Kommunen versuchen Hausbesitzer zu gewinnen

Bekannt ist auch das "Augsburger Modell", das ähnlich konzipiert ist wie das Wittkes, jedoch ohne Locktauben und mit geöffneten Taubenhäusern. Der Vorteil des geschlossenen Taubenhauses ist laut Wittke, dass Tauben sich nicht einfach nur am Futter bedienen und dann an ihren angestammten Nistplatz außerhalb zurückkehren können.

In Augsburg sei beispielsweise am Rathausplatz die Zahl der Tauben deutlich gesunken, seitdem die Taubenschläge errichtet worden sind, sagt eine Sprecherin des Tierschutzvereins Augsburg. Auch hier werden die Tauben-Eier ausgetauscht. Die Tiere aber einmal jährlich Eier ausbrüten zu lassen, hält die Sprecherin für notwendig, damit die Tauben nicht mangels Brut-Erfolgserlebnis den Schlag verließen und sich wieder einen anderen Ort zum Nisten suchten.

In der Stadt München stehen 20 Taubenhäuser nach dem "Augsburger Modell", wie der Taubenbeauftragte Reinhard Bodisch sagt. Drei weitere Standorte seien in Planung. Für Hausbesitzer, die einen Taubenschlag auf ihrem Dach errichten wollen, gibt es Fördermittel. Gerade in der Innenstadt sei der Bedarf an weiteren Taubenschlägen groß. Jedoch sei es nicht einfach, Hausbesitzer dafür zu gewinnen. Zum Teil sei es auch schlichtweg aus baulichen oder statischen Gründen nicht möglich, an oder auf einem Haus einen Taubenschlag zu errichten.

Wie viele Tauben durch die Landeshauptstadt flattern, lasse sich schwer schätzen. 1991 habe es eine Studie gegeben, nach der 40 000 Exemplare in München lebten. Bodisch geht davon aus, dass es heute um die 60 000 Tauben sein dürften. Aktuell laufe eine Ausschreibung für eine neue Studie mittels der die Zahl berechnt werden soll.

Ein Problem für die Kommunen seien Tierfreunde, die Tauben fütterten, obwohl dies nicht nötig und teilweise verboten sei, sagt Bodisch. Es gebe "sehr spezielle Taubenfreunde", die fürchten, die Tauben könnten verhungern und die dann nachts loszögen, um Futter auszustreuen. Gerade im Umfeld von Taubenschlägen sei das problematisch, weil die Tauben es dann nicht notwendig finden, in das Taubenhaus zu ziehen.
(Ute Wessels, dpa)

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