Seit 18 Jahren ist der Neumarkter Oberbürgermeister Thomas Thumann (FW) im Amt. Trotzdem hat Thumann eine Premiere erleben dürfen. „Ich sitze zum ersten Mal auf der Anklagebank“, gestand der 58-Jährige zum Prozessauftakt wegen Untreue in zwei Fällen vor dem Amtsgericht in Nürnberg. Nicht beim Bau des schönen Schlösserbads, noch bei der Errichtung der neuen Universität soll Thumann seine Pflichten verletzt haben. Vielmehr soll der langjährige Rathauschef, der im Herbst seine vierte Amtszeit anstrebt, zwei engagierten Mitarbeitenden aus der Verwaltung etwas mehr Geld „gegönnt“ und laut Meinung der Staatsanwaltschaft – trotz besseren Wissens – sogenannte stufengleiche Höhergruppierungen genehmigt haben. Genau 18 583,90 Euro soll die Große Kreisstadt in der Oberpfalz durch das angeblich pflichtwidrige Verhalten des Oberbürgermeisters verloren haben.
Beinahe wäre Thumann die unliebsame Premiere vor der Richterin erspart geblieben. Zunächst hatte das Amtsgericht abgewunken und erst auf Geheiß des Landgerichts die Hauptverhandlung nach den seit 2017 laufenden Ermittlungen zugelassen. Mit konzentrierter Miene sitzt Thumann im blauen Zwirn vor der Richterin, während der Staatsanwalt die relativ kurze Anklageschrift verliest. 2014 und 2015 soll Thumann die Höhergruppierungen der beiden Verwaltungsmitarbeiter genehmigt haben. Die Anklage moniert nicht, dass beispielsweise die Standesbeamtin nach erfolgreicher Weiterbildung einen deutlichen Sprung auf der Entgeltgruppenleiter höher klettern durfte. Allerdings hätte die Erfahrungsstufe im Rahmen der Höhergruppierung abgesenkt und eben nicht stufengleich erfolgen dürfen. Eine Amtsleiterin hatte sogar gegen die beiden Beförderungen des Oberbürgermeisters mit Hinweis auf die geltenden Regelungen des Tarifsystems im Öffentlichen Dienst offiziell Widerspruch eingelegt und auf die Unzulässigkeit einer Verkürzung der Stufenlaufzeit hingewiesen.
"Selbst Juristen wie ich verstehen das Tarifsystem des Öffentlichen Diensts kaum noch"
Um seine Entscheidung zu begründen, holt Thumann weit aus. Die relativ brisante Frage der stufengleichen Höhergruppierungen hätten erst die hauptamtlichen Feuerwehrmitarbeiter*innen ins Rollen gebracht. Diese hätten – wohl aus Frust über geringe Bezahlung – ebenfalls stufengleiche Höhergruppierungen gefordert. Über diese Frage hätte es regelrechten Streit innerhalb der Verwaltung gegeben. Konkret sollen der Leiter des Personalamts und der Chef des Rechtsamts über diese Frage über Kreuz gelegen haben.
Zum Wohl der Stadt und zum Erhalt des bestehenden Feuerwehrwesens habe Thumann „ein Zeichen setzen und den hauptamtlichen Feuerwehrlern mehr Geld geben wollen. „Ich habe mir die Entscheidung nicht einfach gemacht“, sagt der Oberbürgermeister. Per Flurfunk hätten wohl auch die beiden Mitarbeiter aus der Verwaltung von der stufengleichen Höhergruppierung der städtischen Feuerwehrkräfte erfahren. Unter Berufung auf Gleichbehandlung hätte Thumann daher auch diese beiden Anträge auf stufengleiche Höhergruppierung genehmigt. Mit der Entscheidung habe er, so der Rathauschef, den teilweise „erbitterten Zwist“ um die Streitfrage der stufengleichen Höhergruppierungen endlich vom Tisch haben wollen“. Außerdem habe der Rathauschef die engagierten Mitarbeitenden „langfristig in der Verwaltung langfristig halten“ wollen. Beide hätten schließlich „gute Arbeit geleistet“.
Den Präzedenzfall hätte die Höhergruppierung der hauptamtlichen Kräfte der Freiwilligen Feuerwehr geliefert. Diese seien seinerzeit kurz davor gewesen, den Dienst zu quittieren. In einem Schreiben hatte der damalige Rechtsdirektor sogar vermerkt, dass sich die hauptamtlichen Kommandanten „bitterlich darüber beschweren“ würden, dass beispielsweise „Sekretärinnen & Co.“ deutlich mehr verdienen, als die Lebensretter und Zugführer (durchgehend Männer) von mehr als 50 Feuerwehrkräften.
OB Thumann kritisierte im Rahmen des Verfahrens das komplexe Tarifsystem des öffentlichen Diensts, das selbst Juristen wie er kaum noch verstehen könnten. Die Verteidigung wies darauf hin, dass nicht erst seit 2017 stufengleiche Beförderungen möglich seien. Der Oberbürgermeister hätte Verständnis für den nachvollziehbaren Wunsch nach Höhergruppierung gezeigt, sagte die beförderte Standesbeamtin am Mittwoch im Zeugenstand. Thumann betonte, dass Neumarkt über 20 Millionen Euro für Personal ausgebe. Er habe, so der langjährige Rathauschef habe mit den berechtigten Höhergruppierungen der verdienten Mitarbeiter der Stadt „keinen Schaden zufügen, sondern einen Dienst erweisen wollen“. Für das Verfahren sind bislang zwei Verhandlungstage angesetzt. Das Urteil soll in zwei Wochen gesprochen werden. (Nikolas Pelke)
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