Kommunales

Ins offene Messer der rituell Empörten gelaufen: Lörrachs Bürgermeister Jörg Lutz (links, parteifrei) und der Geschäftsführer der städtischen Wohnungsbaugesellschaft, Thomas Nostadt. (Foto: dpa/Christian Böhmer)

26.02.2023

Gescheiterte kommunale Krisen-PR

Einheimische sollen Wohnungen für Flüchtlinge räumen: Presseabteilung der Stadt Lörrach macht nahezu alles falsch

Baden-Württemberg warb mal für sich als Investitionsstandort mit dem Spruch „Wir können alles. Außer Hochdeutsch“. Doch mit der politischen PR scheint es im Nachbarland auch zu hapern, wie der Fall der Stadt Lörrach zeigte. Langjährig Mietende sollen aus ihren der Kommune gehörenden Wohnungen ausziehen, damit dort Flüchtlinge untergebracht werden können“: Man muss nicht Kommunikationswissenschaft studiert haben, um zu erkennen: Die Botschaft, nur so kund getan, provoziert Ärger. Beim parteifreien Oberbürgermeister Jörg Lutz gehen hunderte Hassmails aus ganz Deutschland ein, Beschäftigte des Rathauses und der kommunalen Wohnungsvermietung werden bedroht.

Beim genaueren Hinschauen zeigt sich: Der Fall ist komplexer. Die besagten städtischen Wohnungen sind alt und in keinem guten baulichen Zustand. Für die Menschen waren schon länger neue und moderne Unterbringungen geplant. Derzeit aber muss die Stadt sparen,deshalb hat man das raus gezögert. Nun muss der Prozess aufgrund des Flüchtlingsansturms beschleunigt werden.

Das städtische Wohnungsunternehmen handelte sogar pragmatisch und wirtschaftlich vernünftig. Denn auch wenn die betroffenen Einheimischen sozial schwach sind –die vollständige Miete muss für diese nicht übernommen werden. Bei den Flüchtlingen aber ist genau das der Fall. Man stelle sich den Aufschrei vor, wenn die Geflüchteten in den moderneren Wohnungen – welche die Kommune auch noch komplett bezahlt hätte – wohnen würden und die Einheimischen dagegen in den betagten Behausungen.

 

"Den Oberbürgermeister aus der Schusslinie nehmen"



Genau das – gut verständlich – zu kommunizieren wäre die Aufgabe der Presseabteilung der Stadt Lörrach gewesen. Sieben Leute leistet man sich in dieser Stabsstelle, ziemlich üppig für eine kreisangehörige Kommune von der Größe Freisings. Im Krisenfall – vorausgesetzt, es geht nicht um sein persönliches Fehlverhalten – müsse die Presseabteilung den Oberbürgermeister aus der Schusslinie nehmen, erläutert Gerd Treffer, fast 40 Jahre lang Pressesprecher von Ingolstadt und noch heute als Fachautor und Berater für kommunale PR tätig. Denn meist sei der OB mit dem konkreten Fall nicht in allen Einzelheiten vertraut und habe sich schließlich auch noch um die übrige Verwaltungsarbeit zu kümmern. Steht aber der Rathauschef öffentlich blöd da, leidet immer auch das Image der Stadt insgesamt.

Als dann die Wellen der Empörung hoch kochten, nahmen die Lörracher PR-Verantwortlichen nicht etwa Druck aus dem Kessel und stellten sich hinter die betroffenen Einheimischen – sondern stimmten in den Chor derjenigen ein, die sich vor allem über den angeblich von „Rechten“ gestuerten Unmut bezüglich der Maßnahme ärgerten. Fazit: Die Presseabteilung der Stadt hat grandios versagt. (André Paul)

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