Kommunales

Die Grundsteuer wird teurer. (Foto: dpa/Bernd Weißbrod)

04.10.2024

Grundsteuerreform: Explodieren jetzt die Mieten?

Weil die Kommunen kein Geld haben, dürfte die Grundsteuer weiter steigen

Die Grundsteuer für viele Immobilienbesitzer wird teurer. Eigentümer dürfen diese jedoch umlegen. Die Mieten könnten mancherorts als Folge deutlich steigen. Mieterbund und Linke sehen den Gesetzgeber in der Pflicht, Widerspruch kommt von der FDP und vom Verband Haus und Grund.

Nur wenige Themen treiben Immobilienbesitzer*innen derzeit so um wie die Grundsteuer. Kein Wunder: ab 2025 wird diese auf Grundlage neuer Regeln erhoben. Und für viele Hausbesitzer dürfte es dann deutlich teurer werden (BSZ berichtete). Selbst seriöse Nachrichtenmagazine sprechen von „Abzocke“ und „Grundsteuer-Irrsinn“. Kein Wunder: Zahlreiche Eigentümer fürchten quer durch die Republik aufgrund bereits ergangener Bescheide eine Vervielfachung der Grundsteuer.

Eine Familie aus Freiburg soll Medienberichten zufolge ab 2025 für ein Hausgrundstück sowie eine Wiese statt 935 Euro künftig rund 16.800 Euro pro Jahr bezahlen. In Bayern fallen die bisher bekannt gewordenen Erhöhungen im Vergleich dazu eher mild aus – ein Rentnerpaar aus dem Landkreis Fürstenfeldbruck, mit dem die BSZ sprach, muss  künftig nach eigenen Angaben voraussichtlich ein Viertel mehr berappen. Für andere dürfte es dicker kommen. „Manche Immobilienbesitzer zahlen ab kommendem Jahr zwei- bis dreimal so viel wie bislang“, sagt Rudolf Stürzer von Haus und Grund Bayern der Staatszeitung. Viele Hausbesitzer müssen dem Verband zufolge mit mehreren Hundert Euro an Mehrkosten im Jahr rechnen – mitunter kann auch ein vierstelliger Extrabetrag zusammenkommen.

„Nicht zu kräftig zulangen“

Bislang in der öffentlichen Debatte so gut wie unbeachtet blieben die Folgen für die Mieterinnen und Mieter. Eine Sprecherin des Deutschen Mieterbunds Bayern (DMB) sagt auf Anfrage: „Die Grundsteuer kann nach geltendem Recht vom Vermieter auf den Mieter umgelegt werden, wenn das so im Mietvertrag geregelt ist.“ Und im Regelfall würden die Immobilieneigentümer von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, so die Sprecherin. Deshalb sind auch viele Mieter von den drohenden Grundsteuererhöhungen betroffen.

Abgesehen von wenigen Altverträgen würden fast alle Vermieter die Grundsteuer auf die Mieter umlegen, sagt Hausbesitzer-Vertreter Stürzer. Er appelliert deshalb an die Kommunen, „nicht zu kräftig zuzulangen, bei der Festlegung der Hebesätze“. Doch viele Städte und Gemeinden haben kaum eine andere Wahl. Denn während ihre Einnahmen stagnieren, explodieren die Ausgaben.

Kommunen haben wegen klammer Kassen keine Wahl

Nicht zuletzt aufgrund der Flüchtlingskrise werden die Sozialausgaben ein immer größerer Kostenfaktor für die Kämmerer. Die Kommunen sind für die Unterbringung der vielen ukrainischen Bürgergeldbezieher*innen verantwortlich. Auch die Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst und steigende Kosten in anderen Bereichen machen den Städten, Gemeinden und Landkreisen zu schaffen. Wollen die Rathausvertreter auch weiterhin in Straßen, einen vernünftigen ÖPNV, Klimaschutz, Kulturförderung oder der Kinderbetreuung investieren, müssen sie dringend neue Mittel generieren. Im vergangenen Jahr sammelte sich bei den Kommunen ein Defizit von 2,5 Milliarden Euro an – laut Bayerischem Städtetag „ein Rekorddefizit“. Mit 3,7 Milliarden Euro habe das Defizit in den ersten drei Monaten dieses Jahres „das mit Abstand höchste kommunale Defizit in einem Jahresauftaktquartal erreicht“.

Schulden machen dürfen Kommunen allerdings nur in sehr begrenztem Umfang. Da vom Bund und zum Teil auch vom Freistaat aus ihrer Sicht zu wenig Geld kommt, müssen sie an der Steuerschraube drehen. „Die Gewerbesteuer können wir ja kaum erhöhen ohne der lokalen Wirtschaft zu schaden und die Hundesteuer bringt nicht viel“, sagt ein oberfränkischer Kämmerer. Gerne dürfte kaum ein Bürgermeister und Gemeinde- oder Stadtrat die Grundsteuer erhöhen – dennoch wird quer durch die Republik seit einiger Zeit weiter erhöht.

2022 wurde die Grundsteuer bundesweit so stark erhöht wie seit 2016 nicht mehr. Das zeigte eine Analyse der Deutschen Industrie- und Handelskammer. Im vergangenen Jahr erfolgte vielerorts eine weitere Erhöhung. Und Kommunalvertreter gehen hinter vorgehaltener Hand davon aus, dass der Trend anhält und sich 2025 sogar weiter beschleunigen könnte – vor allem kleine Ortschaften wissen sich oft nicht anders zu helfen, um massive Kürzungen oder gar eine Haushaltssperre zu vermeiden. Und so dürfte es mit der eigentlich seitens der Politik versprochenen Ausgabenneutralität für viele Eigentümer nicht allzu weit her sein.

Luxusgut Wohnen

Doch wenn viele Vermieter die Erhöhungen auf die Mieter umlegen, könnte das Luxusgut Wohnen in bayerischen Ballungsräumen künftig noch teurer werden. Das weiß man auch beim Mieterbund. Eine Sprecherin schlägt deshalb vor, die Grundsteuer nicht mehr zu den umlagefähigen Nebenkosten zu zählen. Hierzu müsste die Betriebskostenverordnung (BetrKV) geändert werden. „Grund und Boden gehören dem Vermieter. Dieser schöpft den Wert ab. Warum soll der Mieter für die Grundsteuer aufkommen?“, fragt eine DMB-Sprecherin. Schließlich zahle der Mieter ja schon die Miete.

Rudolf Stürzer von Haus und Grund Bayern widerspricht: „Kurzfristig würden Mieter auf Kosten von Vermietern entlastet werden.“ Er gibt jedoch zu bedenken: „Der Bau und der Erwerb von Immobilien zum Vermieten wird noch unattraktiver, wenn die Kosten für den Vermieter steigen.“ Zudem würden viele Rathauspolitiker, wenn die Erhöhung nicht mehr auch Mieter betreffe, „jede Beißhemmung verlieren“.

Daniel Föst, bau- und wohnungspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, ist ebenfalls sicher: „Weitere Verschärfungen für Vermieter wären Gift für die dringend benötigten Investitionen in den Wohnungsbau.“ Eine Streichung der Grundsteuer aus dem Betriebskostenkatalog würde „besonders kleine Vermieter treffen, die den Großteil des Immobilienbestands stellen“. Der Münchner Abgeordnete prophezeit: „Verlieren wir sie, leiden vor allem die Mieterinnen und Mieter.“

Um den Wohnraummangel zu bekämpfen, helfe es nur, schneller und günstiger zu bauen. „Bauen und Vermieten muss wieder attraktiv werden“, sagt er der BSZ. Föst warnt: „Es ist der falsche Weg, dass Kommunen über die Grundsteuer ihre Haushaltslöcher schließen wollen.“ Die Liberalen forderten seit Jahren eine Reform der Kommunalfinanzierung. Deren Ziel müsse es sein, „den Gemeinden mehr Freiheit zu ermöglichen und sie unabhängiger von schwankenden Steuereinnahmen zu machen“.

Vor finanziellen Belastungen schützen

Zuspruch für die Idee des Mieterbunds kommt dagegen von Bayerns Linken. Deren Landessprecherin Kathrin Flach Gomez hält die Streichung der Umlagefähigkeit für einen „notwendigen Schritt, um Mieter*innen vor zusätzlichen finanziellen Belastungen zu schützen“. Die Grundsteuer betreffe schließlich die Immobilieneigentümer. „Wenn sie auf die Mieter*innen umgelegt wird, ist das ungerecht.“ Es sei „an der Zeit, die Verantwortung dort zu belassen, wo sie hingehört: bei den Eigentümern“, sagt sie der Staatszeitung.

Flach Gomez kann den Wunsch vieler Kommunen, die Gewerbesteuer zu erhöhen, verstehen. „Bund und der Freistaat sind nun in der Verantwortung, die Kommunen finanziell zu unterstützen, damit diese ihre Aufgaben, insbesondere im Bereich der Daseinsvorsorge, erfüllen können.“ Der Bund solle über „neue gerechte Steuern, wie etwa eine Vermögensteuer, Einnahmen generieren und diese an die Kommunen weitergeben“
(Tobias Lill)

 

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