Kommunales

Der Aufenthalts- und Schlafraum im ABC-Bunker unter dem Nürnberger Hauptbahnhof: Der Bunker wurde in den 1970er-Jahren während des Kalten Krieges gebaut und sollte den Bürgern Schutz vor Atomwaffen oder auch chemischen und biologischen Waffen bieten. (Foto: dpa/Daniel Karmann)

13.03.2025

Im Kriegsfall hilflos

Die Zahl der Bunker im Freistaat ist extrem niedrig, viele sind verfallen – nur wenige bieten Schutz vor Bomben oder gar ABC-Waffen. Das ergaben Anfragen der BSZ bei zahlreichen Kommunen

Nach Ende des Kalten Krieges galt ein Angriff auf Deutschland als extrem unwahrscheinlich. Viele Bunker wurden dichtgemacht. Seit dem Überfall auf die Ukraine prüfen viele bayerische Kommunen den Zustand ihrer Bunker, wie BSZ-Anfragen ergaben. Klar ist bereits: Im Ernstfall würden sie nur einem Bruchteil der Einwohner Schutz bieten – und das auch nur sehr unzureichend.

Die 155 noch existierenden Bunker in Bayern werden womöglich bald reaktiviert. Viele von ihnen erinnern an die Nazizeit und an den Zweiten Weltkrieg. Bis vor Kurzem dachte man, sie würden nie mehr gebraucht. Darum gab es ein „Rückabwicklungskonzept“.

„Im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine hat das Bundesinnenministerium entschieden, dieses Konzept zu überprüfen und eine Bestandsaufnahme vorzunehmen“, sagt Regensburgs Sprecherin Juliane von Roenne Styra. Mit einem Schreiben von Juni 2022 sei eine Abfrage der Kommunen erfolgt. Während nach dem Zweiten Weltkrieg zivile Luftschutzräume strikt verboten waren, durfte die Bundesregierung nach Verhandlungen mit den Besatzungsmächten im Juli 1955 damit beginnen, ein „vorläufiges Luftschutzprogramm“ aufzulegen.

Einige Städte halten die Standorte geheim

Kommunen wurden damals aufgefordert, alle Schutzbauten mit einer Wandstärke von mindestens 1,10 Meter in Hinblick auf ihre luftschutztaktische Betrachtung sowie die örtliche Luftschutzplanung zu beurteilen. 1964 wurde ein kostspieliges Instandsetzungs-, 1977 ein weiteres „Nutzbarmachungsprogramm“ initiiert.

Nach Ende des Kalten Krieges, in den 1990er-Jahren, stellte die Politik alle Schutzbauprogramme ein. Unter der Internetadresse www.geschichtsspuren.de findet sich eine Datenbank des Historikers Michael Grube mit Zivilschutzanlagen für den Kriegsfall, die ab 1955 zur öffentlichen Nutzung errichtet oder instand gesetzt wurden. Das ist interessant, denn nicht alle Kommunen verraten, wo sich im Stadtgebiet Bunker befinden.

Augsburg zum Beispiel möchte keine Auskunft geben. Michael Grubes Datenbank listet vier Bunker auf Augsburger Gemarkung auf. Es war im Jahr 2007, als man sogar dem reinen Erhalt der Bunker ein Ende machen wollte. Bund und Länder einigten sich darauf, die bis dato existierende Schutzraumkonzeption endgültig aufzugeben und die Bunker aus der Zivilschutzbindung zu entlassen. Darum, so Juliane von Roenne-Styra, gebe es offiziell in Deutschland keine Bunkeranlagen mehr.

Auch die in Regensburg vorhandenen Schutzräume seien weitestgehend geräumt. Unter der Hauptfeuerwache der Berufsfeuerwehr existiert noch ein Bunker für Berufsfeuerwehrler. Eine „Altanlage“ für 2 400 Personen befindet sich unter einer Tiefgarage. Die schützt aber nicht vor atomarer Strahlung.

Man müsse nun wieder, heißt es derzeit täglich, die Truppen verstärken und Bunker reaktivieren. Was die Frage aufwirft: Wie groß wird die Bedrohungslage auf kommunaler Ebene eingeschätzt?

Die Stadt Regensburg, so Roenne-Styra, nimmt als Kommune keine Einschätzung vor. Nach Ansicht von Michael Lehner, Vorsitzender der CSU-Fraktion im Regensburger Stadtrat, „sind wir ganz weit weg von einer akuten Bedrohungslage“. Aber natürlich sei die aktuelle Situation insgesamt bedrohlicher als vor Ausbruch des Ukrainekrieges. Sich auf Bedrohungen einzustellen, ist für ihn auf jeden Fall „immer vernünftig“. Nachdem Frieden jahrzehntelang ein alltägliches Phänomen in den allermeisten Ländern Europas war, haben die Menschen laut Michael Lehner vergessen, Vorsorge für Notfälle zu treffen. Von Panikmache halte er zwar nichts, dennoch meint er: „Vorsorge müsste offensiver propagiert werden.“ Und zwar nicht nur wegen eines möglichen Krieges. Sondern auch mit Blick auf längere Blackouts oder Naturkatastrophen.

Weil die Bedrohungslage eine neue Qualität erreicht hat, werde derzeit von Bund und Ländern ein Schutzraumkonzept entwickelt, weiß man bei der „Münchner Wohnen“. „Inwieweit es Überlegungen gibt, private Wohngebäude, insbesondere Mehrfamilienhäuser, einzubeziehen, ist uns noch nicht bekannt“, so Sprecherin Nadine Kölmel. Aktuell existieren in keinem Gebäude des Unternehmens Schutzräume für den Katastrophenfall. Erst, wenn es spezifische Anforderungen gibt, werde geprüft, ob diese eingerichtet werden können.

München verfügt noch immer über relativ viele Bunker. 16 sind es laut Paul Kubesch von der Branddirektion. Sie bieten Platz für 16.656 Menschen. Die Bausubstanz der Anlagen wurde in den vergangenen Jahren, refinanziert vom Bund, erhalten. „Aktuell wird geprüft, inwieweit bestehende Schutzräume angesichts der im Vergleich zu früher veränderten Gefahren ausreichend Schutz bieten“, so der Brandrat. Prinzipiell sei es möglich, die Bunker wiederherzustellen: „Der baubedingte Zeit- und Kostenaufwand einer Reaktivierung hängt davon ab, welches Schutzniveau die Schutzräume künftig bieten müssen.“

Hier wiederum kommt es darauf an, welcher Risikofaktor betrachtet wird. Man unterscheidet, so Paul Kubesch, vier Schutzniveaus. Demnach gibt es Bunker, die nur vor Trümmern und Splittern schützen. Andere schützen vor atomaren Gefahren. Die Standorte der Schutzräume werden nach seinen Worten derzeit nicht veröffentlicht: „Die Bekanntgabe erfolgt im Krisenfall frühzeitig über die bekannten Warnkanäle.“

Geschichtsspuren.de listet sogar 35 Bunker auf. Das Thema selbst bewegt aktuell die Münchner CSU/FW-Fraktion im Stadtrat. Die appellierte im November 2024, die Landeshauptstadt müsse ihrer Verantwortung beim Thema Schutzräume gerecht werden. „Konkret wurde beantragt, dass für die Münchner Wohnen ein Schutzraumkonzept vorgelegt wird“, so Fraktionschef Manuel Pretzl. Mit rund 70 000 Wohnungen sei die Münchner Wohnen die größte Vermieterin der Stadt: „Sie steht damit in der Pflicht, Schutzräume zu schaffen.“ Auch nach 1945 gab es in Europa Kriege, allen voran jener auf dem Balkan, als Jugoslawien zerfiel. Dennoch dachte niemand daran, Bunker zu reaktivieren. Wobei eine „abstrakte Bedrohungslage“ letztlich immer gegeben ist, meint Stefan Specht, CSU-Fraktionsvorsitzender in Bayreuth. Auch er denkt nicht nur an Kriege, sondern auch an Naturkatastrophen oder Epidemien. Laut der Bayreuther Pressestelle gab es während des Kalten Krieges in der Stadt Bayreuth vier öffentliche Schutzräume. Alle seien inzwischen entwidmet.

München hat noch immer die meisten Bunker

Wie das wohl ist, ohne Fensterscheibe und Tageslicht in so einem Bunker zu hocken und abzuwarten, bis man wieder nach draußen gehen kann? Nur wenige haben das noch erlebt. Die meisten Deutschen sahen, mangels Gelegenheit, niemals einen Bunker von innen. „Auch in unseren Gebäuden gibt es keine Schutzräume“, sagt Sascha Kierner von der Amberger Genossenschaft „Wohnungsbau und Siedlungswerk Werkvolk“. Die prekäre Finanzlage würde dem Bunkerbau auch einen Hemmschuh in den Weg legen. „Schutzräume sind mit Kosten verbunden, die unsere Mitglieder tragen müssten“, so der Prokurist.

Nachdem bezahlbarer Wohnraum noch nie so knapp war wie dieser Tage, stehe die Versorgung der Mitglieder im Vordergrund. „Wir könnten uns bei entsprechenden Fördermaßnahmen jedoch vorstellen, zum Beispiel Tiefgaragen mit entsprechender Ausstattung zu versehen, sodass diese im Ernstfall als Schutzräume dienen könnten“, teilt er mit.

Kierner findet angesichts der angespannten Sicherheitslage, dass es auf jeden Fall Sinn macht, sich mit dem Thema Schutzräume auseinanderzusetzen. Die Gefahr eines Krieges schätzt die Genossenschaft als „durchaus real“ ein. In einem aktuellen, größeren Bauprojekt habe man deshalb darüber nachgedacht, einen Bunker miteinzubeziehen. Der Gedanke werde aber wahrscheinlich wieder verworfen, da politische Vorgaben hinsichtlich Anforderungen, Unterhalts- und Förderungsmaßnahmen fehlten.

In Nürnberg gab es bis zum Ende des Kalten Krieges 18 öffentliche Schutzräume mit insgesamt 15.000 Plätzen. Nach und nach wurden sie laut Pressesprecher Andreas Franke aufgegeben. Die meisten seien entsorgt worden: „Vereinzelt wurden Bunker auch vermietet, etwa an die Bahnhofsmission.“ Der Nürnberger Verein „Felsengänge“ bietet heute Führungen durch den Bahnhofsbunker an. Sämtliche existierenden Anlagen seien völlig veraltet. Sie instand zu setzen, sei finanziell nicht leistbar: „Das würde geschätzt eine hohe dreistellige Millionensumme kosten.“

Konkrete Untersuchungen allerdings liegen nicht vor. Nachdem die Schutzanlagen nicht mehr genutzt werden, existiert laut Pressestelle der Frankenmetropole auch kein Bunker-Leitsystem für die Bevölkerung. Auf Geschichtsspuren.de sind 20 Anlagen für Nürnberg aufgelistet. „Für andere Krisenfälle, etwa Blackouts oder Unwetterlagen, existiert eine Übersicht über sogenannte Katastrophenschutz-Leuchttürme“, so ein Stadtsprecher. Die werden bei einem Blackout durchgehend mit Notstrom versorgt. Wie alle anderen angefragten Kommunen will sich die Stadt nicht dazu äußern, für wie bedrohlich sie die Lage hält. Man verfolge aufmerksam die aktuelle Diskussion.
(Pat Christ)

 

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