Kommunales

Anders als große Universitätskliniken funktionieren kommunale Kreiskrankenhäuser häufig wie ein Familienbetrieb. (Foto: dpa)

19.08.2016

Immer nah dran am Patienten

Warum kleine Kreiskrankenhäuser im ländlichen Raum oft besser für die Medizinerausbildung sind

Die Klagen über fehlenden Mediziner-Nachwuchs und den Mangel an Ärzten im ländlichen Raum mehren sich. Jetzt hat sich Chefarzt Franz Schreiner vom Klinikum des Landkreises Freyung-Grafenau zu Wort gemeldet. Der Gefäßchirurg bricht eine Lanze für die kleinen Krankenhäuser und deren Vorteile für die Ausbildung junger Ärzte. „Ein Einser-Abitur qualifiziert noch nicht zum Arztberuf“, sagt Chefarzt Schreiner: „Wichtiger ist, dass man verantwortungsbewusst mit Menschen umgehen kann und für deren Gesundheit arbeiten will, nicht nur für die eigene Karriere.“

Der erfahrene Mediziner hat gerade Wochenend-Dienst im niederbayerischen Freyung und an einem eher ruhigen Samstagnachmittag Zeit für ein Gespräch im Krankenhaus der Bayerwald-Kommune: „Ich kann nur als Chirurg sprechen, aber ich denke, in anderen Fachbereichen ist es ähnlich: Natürlich ist Intelligenz notwendig, aber nicht nur! Wer nicht über manuelle Fähigkeiten und Feinmotorik verfügt, ist für Chirurgie unge-eignet, kann aber trotz-dem ein guter Arzt sein.“

Schreiner will junge Mediziner ermutigen, nach dem Studium in kleinen Grundkrankenhäusern zu arbeiten, statt nur in Großkliniken: „Ein Vorteil ist, dass sie da von uns Ausbildern früh beraten werden und nicht so viel Zeit vergeuden. Hier sind die hierarchischen Strukturen viel flacher: Als Chefarzt ist man doch bei uns nur ein Abteilungsleiter. Wir arbeiten wie im Familienbetrieb: Auch junge Mediziner können da ihre Ideen einbringen.“
In der Chirurgie im Klinikum Freyung-Grafenau dürfen sie 24 Monate Basisausbildung machen plus 24 beziehungsweise 36 Monate für ein Spezialgebiet: „Für alle, die weiterkommen wollen, ist die Zeit nicht verloren!“

Alles dabei: Von Blinddarm- und Leistenbruch-Operationen
über Wundversorgung bis zu Krampfadern-Behandlung


Einen weiteren Vorteil sieht der Chefarzt darin, dass junge Mediziner in kleinen Kreiskrankenhäusern mit moderner räumlicher und technischer Ausstattung dennoch alle Probleme kennen lernen, die in einer großen Uniklinik kaum noch vorkommen – von Blinddarm- und Leistenbruch-Operationen über Wundversorgung bis zu Krampfadern-Berhandlung. Schreiner: „Hier bekommen sie die Basis noch zu sehen, sind überall dabei, dürfen viel mehr tun und erwerben in einer breiten Ausbildung die notwendige Routine. Das ist die beste Voraussetzung für eine eigene Hausarzt-Praxis oder geplante Spezialisierung.“

Dass kleine Krankenhäuser im ländlichen Raum eine Karriere-Sackgasse seien, hält der Chefarzt für eine Legende: „Zu meiner Zeit haben sich hundert junge Mediziner um eine Assistentenstelle beworben, heute kann ein Assistent unter 100 Angeboten wählen.“

Wenn sein Chirurgen-Team bei der Chefvisite antritt, sieht das aus wie eine Ostblock-Konferenz: ein Pole, ein Ungar, eine Rumänin. Schreiner: „Wir bekommen in der Grenzlage keinen deutschen Oberarzt oder Assistenzarzt mehr. Die einen wollen nach der Fachausbildung an der Uni nur noch Chefpositionen, die anderen erkennen das Potential kleiner Kliniken nicht.“

Dazu gehören auch Zusatzförderungen, niedrigere Mieten und Kosten, sowie höhere Lebensqualität. Chefarzt Schreiner: „Die meisten, die zu uns kommen, wollen nie wieder weg! Die Vernetzung mit den Unikliniken könnte zwar noch besser sein. Aber alle, die sich weiter spezialisieren wollen, erhalten jede Hilfe durch unsere persönlichen Kontakte zu Professoren.“ (Hannes Burger)

Kommentare (2)

  1. Markus am 19.08.2016
    Wir meinen, dies ist ein interessanter und bemerkenswerter Artikel über kleine Kreiskrankenhäuser
    im ländlichen Raum.
    Interessant, weil:
    1. mehrere tausend Arztstellen im stationären Bereich nicht besetzt werden können.
    2. Krankenhäuser, insbesondere im ländlichen Raum sich etwas einfallen lassen müssen,
    um junge Ärztinnen/Ärzte auf Dauer für sich zu gewinnen.

    Bemerkenswert, weil:
    1. das Klinikum Freyung–Grafenau eine sehr gute technische Ausstattung und (sowie genauso
    wichtig) einen sehr guten Ruf bei Patientinnen/Patienten und der einheimischen Bevölkerung
    hat.
    2. die ärztliche Leitung des Klinikums Freyung-Grafenau erkannt hat, dass junge Ärztinnen/Ärzte
    eigentlich mit relativ einfachen Mitteln frühzeitig an das Klinikum zu binden sind.
    3. hier erkannt wurde, das für junges medizinisches Personal das Menschliche immer
    mehr an Bedeutung gewinnt (z.B. wenn beispielsweise der Chef persönlich auf eine E-Mail
    antwortet, werde dies sehr geschätzt).
    4. die jungen Ärztinnen/Ärzte am Klinikum Freyung-Grafenau werden nicht als funktionierende
    Rädchen im System gesehen, sondern als Menschen wahrgenommen.
  2. Sebastian am 19.08.2016
    Endlich einmal ein positiver Bericht über die kommunalen Krankenhäuser im ländlichen Raum. Davon sollte es mehr geben, denn die Vorteile fallen tatsächlich andauernd unter den Tisch. Auch wenn kommunale Krankenhäuser noch viel Bedarf an Effizienzsteigerungen haben, bietet gerade dies jungen Talenten eine große Chance sich einzubringen und zu gestalten sowie wertvolle Erfahrungen zu sammeln. Und das in einem wunderbaren Umfeld zum Leben und für die Freizeit!
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