Kommunales

Viele Jahre ging es bei Personalentscheidungen in griechischen Rathäusern nicht vorrangig um Fachkompetenz, sondern um die Versorgung von Freunden und Verwandten mit gutdotierten Posten. Das rächt sich jetzt. (Foto: dpa)

10.06.2016

"Kommunale Selbstverwaltung ist noch unbekannt"

Der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Fuchtel (CDU) über die schwierige Aufbauarbeit in den griechischen Städten und Gemeinden

Auf nationaler Ebene herrscht zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und der linkspopulistischen Regierung des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras nicht das beste Verhältnis. Hoffnungsvoller stimmen die Kontakte der Bürgermeister untereinander. Wir sprachen mit Hans-
Joachim Fuchtel, dem Beauftragten der Bundesregierung für die deutsch-griechischen Beziehungen auf kommunaler Ebene.
BSZ Herr Fuchtel, wie kam es zur Einrichtung Ihres Amtes?
Fuchtel Das liegt schon etwas länger zurück. Im Jahr 2010 haben Bundeskanzlerin Angela Merkel und der damalige sozialdemokratische griechische Ministerpräsident Georgios Papandreou eine verstärkte Zusammenarbeit unterhalb der nationalstaatlichen Ebene beschlossen. Vorbild war die schon lange existierende deutsch-französische Zusammenarbeit – da gibt es ja beispielsweise rund 2000 Städtepartnerschaften. Aber dieses Projekt gedieh nur sehr zaghaft und deshalb entschied die Bundesregierung 2011, einen speziellen Beauftragten dafür zu berufen – mich.

BSZ Wie viele Mitarbeiter umfasst Ihre Mannschaft und wie viel Geld haben Sie zur Verfügung?
Fuchtel Unser festes Team hier im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit umfasst fünf bis sechs Leute – dazu kommen aber noch mal hunderte ehrenamtliche Helfer aus ganz Deutschland, Kommunalpolitiker, Wissenschaftler und Unternehmer, besonders aus dem Mittelstand. Viele sind Ruheständler. Unser Jahresetat beträgt 985 000 Euro.

BSZ Was sind Ihre genauen Aufgaben?
Fuchtel Wir möchten die deutsch-griechische Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene intensivieren – aber jenseits dessen, was man sich unter klassischer Städtepartnerschaft vorstellt. Es geht uns mehr um einen Wissens- und Know-how-Transfer.

BSZ Im Klartext: Sie bringen jetzt endlich mal die griechische Kommunalverwaltung auf Zack?
Fuchtel So würde ich das nicht formulieren – weil dieses „Besserwessi“-mäßige ja schon nach 1990 in den neuen Bundesländern nicht gut ankam. Wir wollen beraten und Hilfe geben, in den konkreten Fällen, wo uns die griechische Seite darum bittet.

BSZ Hakt es denn da so massiv auch unterhalb der Athener Staatsregierung?
Fuchtel Griechenland hat, historisch bedingt, eine komplizierte Verwaltungsstruktur. Da wurde sehr vieles zentral entschieden. Eine kommunale Selbstverwaltung wie in Deutschland ist so nicht bekannt. Auch gibt es viele andere Formen der Zivilgesellschaft – beispielsweise Bürgerbeteiligung und lokale Volksabstimmungen – noch nicht in vergleichbarem Maße. Und bis vor einigen Jahren war die Kommunalstruktur sehr kleinteilig, es gab unter anderem tausende kleine Gemeinde. Diese wurden dann in jetzt 325 kommunale Einheiten zusammengefasst. Wer eine Kommunalgebietsreform in Deutschland schon mal miterlebt hat – beispielsweise in den neuen Ländern nach 1990 oder bei Ihnen in Bayern 1972 – der weiß, dass dies ein langwieriger und schwieriger Prozess ist.

BSZ Aber dieses Hinterherhinken der griechischen Verwaltung hinter dem Rest der EU, etwa das fast völlige Fehlen von Katasterämtern – das muss doch Ursachen haben?
Fuchtel Es war in der Vergangenheit leider oft so, dass nach Wahlen – egal ob auf nationaler, regionaler oder kommunaler Ebene – die neuen Leiter der Administration versucht haben, möglichst viele ihrer politischen Gesinnungsgenossen in öffentlichen Ämtern unterzubringen. Wenn Posten schon besetzt waren, wurden neue geschaffen, die Verwaltung auf diese Weise aufgebläht. Das ist aber nicht nur teuer, sondern auch ineffizient, teilweise behindern und blockieren sie die Behörden sogar gegenseitig.

BSZ Können Sie ein Beispiel nennen?
Fuchtel Ja. Da war eine junge Firma, die wollte in Heraklion ein Wasserkraftwerk errichten, um die Energie der Meereswellen zur Stromgewinnung zu nutzen – eine saubere Form der alternativen Energie, die sich in Griechenland ja anbietet. Das Kraftwerk hat etwa die Ausmaße eines Containers und sollte dort am Hafen installiert werden. Der Bürgermeister hatte bereits zugestimmt, ebenso der Leiter der Hafenbehörde. Es fehlte aber noch die Unterschrift des Ministers für Schifffahrt – und die ließ ewig auf sich warten. Das Problem war nur: Um weitere Fördergelder aus Brüssel zu erhalten, musste die Anlage in Betrieb gehen. Wir haben die Unterschrift schließlich bekommen – aber das Beispiel zeigt gut, wo es in Griechenland noch hakt.

BSZ Wo helfen die Deutschen denn konkret in den griechischen Kommunen?
Fuchtel Ein großer Bereich ist die Abwasserentsorgung und Müllbeseitigung. Wir haben in Deutschland 40 Jahre gebraucht, um auf unseren heutigen technologischen und ökologischen Standard zu kommen. Natürlich liegt Griechenland da noch weit zurück – aber das kann auch eine Chance sein, ich erinnere auch da wieder an die neuen Bundesländer. Die stiegen 1990 auch in einem wesentlich späteren Stadium in diesen Prozess ein und konnten so viele Anfangsfehler der alten Bundesländer vermeiden. Ich sage unseren griechischen Partnern immer, dass sie womöglich eines Tages dabei auch führend in Europa sein können.

BSZ Gibt es noch andere Beispiele?
Fuchtel Sicher – vor allem der Tourismus. Der macht in Griechenland immerhin 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus. Erwirtschaftet werden aber fast alle Einnahmen aus dem Fremdenverkehr in nur drei Monaten im Jahr. Wenn es uns gelingt, diesen Zeitraum auszudehnen, dann würden wir mit jedem zusätzlichen Monat das BIP um ein Zwölftel steigern. Möglich wären hier unter anderem ein Ausbau des Kultur- und Wandertourismus. Grundsätzlich gilt: Was möglich ist in Mallorca, wo ja ähnliche klimatische und topografische Verhältnisse herrschen, das muss grundsätzlich auch in Griechenland möglich sein.

BSZ Ist denn der Ratschlag der Deutschen auch immer willkommen? Als vor einiger Zeit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) anbot, deutsche Finanzbeamte nach Griechenland zu schicken, um die Steuerverwaltung effizienter zu machen, hielt sich die Begeisterung in Athen sehr in Grenzen.
Fuchtel Das mag so sein seitens der Zentralregierung unter Herrn Tsipras. Auf kommunaler Ebene erlebe ich genau das Gegenteil: Die griechischen Bürgermeister suchen geradezu händeringend nach deutschen Partnern, die ihr Wissen und ihren Sachverstand einbringen. Wir können gar nicht alle Anfragen befriedigen, die wir bekommen.

BSZ In Deutschland hört man aufgrund der zahlreichen Probleme oft den Vorwurf, Griechenland hätte nie in die EU beziehungsweise den Euro aufgenommen werden dürfen?
Fuchtel Die Griechen sind nicht fauler oder dümmer als andere Völker in der Gemeinschaft. Das Land ist Mitglied der Europäischen Union. Die Bürger haben die Regierung Tsipras gewählt. Als Demokraten haben wir das zu akzeptieren. Man hört und liest ja leider auch immer nur von den Problemen, selten oder nie von den ebenfalls vorhandenen vielen kleinen Erfolgen. Ja, unser Weg geht in kleinen, manchmal sehr kleinen Schritten voran. Manchem mag das zu langsam sein – aber was, bitteschön, wäre denn die Alternative?

(Interview: André Paul)

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