Kommunales

Manche Gemeinden sehen ihre Planungshoheit beim Bau von Windrädern oder Photovoltaikanlagen faktisch ausgehebelt. (Foto: dpa/ Daniel Karmann)

26.11.2024

Kommunen sehen Planungshoheit durch Energiewende gefährdet

Um die Energiewende voranzubringen, hat die Bundesregierung den Bau von Windrädern und Photovoltaikanlagen stark erleichtert. Manche Gemeinden sehen ihre Planungshoheit dadurch faktisch ausgehebelt

Frank Zeitler ist Bürgermeister im oberpfälzischen Nabburg. Trotzdem, so kritisiert er, haben er und seine Stadträte bei einem wichtigen Thema kaum etwas mitzuentscheiden. Er sieht die Planungshoheit der Kommunen beim Bau von Windkrafträdern oder Photovoltaik-Anlagen gefährdet.

Diese Planungshoheit sei eigentlich in Artikel 28 des Grundgesetzes festgelegt. Faktisch jedoch habe seine Kleinstadt kaum noch Einfluss darauf, was auf ihrem Gebiet gebaut werde. Spätestens seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine macht die Bundesregierung Tempo bei der Energiewende. Ab 2022 wurden Gesetze auf den Weg gebracht, die den Bau von Windrädern und Solaranlagen erleichtern. Für Kommunen wie Nabburg hat dies gravierende Folgen.

"In Berlin werden Entscheidungen getroffen, die wir dann vor unseren Bürgern rechtfertigen müssen", sagt der CSU-Politiker. Nabburg im Landkreis Schwandorf hat zwar nur gut 6.300 Einwohner, liegt aber an zwei Autobahnen - der A6 von Nürnberg nach Pilsen und der A93. Dazu kommt die Bahnstrecke Regensburg-Hof.

Bundesgesetz macht Stadtratsbeschluss hinfällig

Im Jahr 2021 hatte der Nabburger Stadtrat entschieden, ein Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen im Stadtgebiet für den Bau von Freiflächen-Photovoltaikanlagen freizugeben. Dieser Beschluss ist inzwischen hinfällig. Nun gelten kilometerlange Streifen entlang der beiden Autobahnen sowie der zweigleisigen Bahnstrecke Regensburg-Hof als privilegierte Flächen für Photovoltaik. Zeitler berichtet, dass die Pachtpreise für diese Flächen deutlich steigen: "Da herrscht Goldgräberstimmung."

Ähnliches berichtet Bernhard Storath (CSU), Bürgermeister im oberfränkischen Ebensfeld. Die Marktgemeinde mit etwa 5.600 Einwohnern im Landkreis Lichtenfels wird von der Autobahn 73 gekreuzt, die von Nürnberg über Bamberg und Coburg ins thüringische Suhl führt. Außerdem führen zwei Hauptstrecken der Bahn durch die Gemeinde: Die Linie Bamberg-Lichtenfels ist wichtig für den Regionalverkehr in Oberfranken und verbindet Franken mit Thüringen. Von dieser Achse zweigt in Ebensfeld die 2017 fertiggestellte ICE-Schnellstrecke Nürnberg-Bamberg-Erfurt ab.

"Gemeindebild ändert sich total"

"Damit sind wir prädestiniert für Investoren, die Freiflächen-Photovoltaikanlagen errichten wollen", sagt Storath. Ein Investor aus dem Landkreis habe einen Bauantrag gestellt, um auf 35 Hektar PV-Anlagen entlang der Autobahn und der ICE-Strecke zu bauen. "Das Gemeindebild ändert sich dadurch total", findet der Bürgermeister.

Wie in Nabburg hatte auch der Ebensfelder Gemeinderat vor der Gesetzesänderung beschlossen, maximal ein Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen für PV freizugeben. "Man hätte den Kommunen ermöglichen sollen, selbst festzulegen, wie viel Prozent sie für Solaranlagen freigeben will", meint Bürgermeister Bernhard Storath.

PV-Anlagen zwischen Wohnhäusern und Autobahn?

Auch in Oberhaid bei Bamberg bereiten die Gesetze zur Energiewende Kopfzerbrechen. Die Gemeinde mit 4.700 Einwohnern liegt an der Autobahn 70, die Bayreuth, Bamberg und Schweinfurt verbindet, sowie an der Bahnlinie Bamberg-Würzburg. "Die Autobahn durchquert Oberhaid auf einer Länge von etwa fünf Kilometern", sagt Bürgermeister Carsten Joneitis (SPD).

Ein Investor wollte zwischen der A70 und der angrenzenden Wohnbebauung PV-Anlagen errichten, wie Bürgermeister Joneitis erzählt: "Das sehen wir sehr kritisch." Der Gemeinderat habe eine Veränderungssperre verhängt, um das Projekt zu stoppen. Ob diese rechtlich Bestand habe, müsse man abwarten, sagt Carsten Joneitis. Er hat einen Brief an Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) geschickt, in dem er die Gesetzesänderung von 2023 als faktischen Entzug der Planungshoheit kritisierte.

Klare Flächenziele für Windenergie

Im Februar 2023 trat das "Windenergie-an-Land-Gesetz" in Kraft, das den Bundesländern Flächenziele für den Bau von Windrädern vorgibt. Bis Ende 2027 sollen 1,4 Prozent der Flächen für Windenergie bereitstehen, bis Ende 2032 zwei Prozent. In Bayern können Windkraftanlagen seit 2022 näher an Wohngebäuden errichtet werden als zuvor. Um den Ausbau zu koordinieren, entscheiden regionale Planungsverbände über Vorrangflächen für Windenergie.

Auch bei der Sonnenenergie tut sich viel: Seit 2023 gelten Zonen innerhalb eines 200-Meter-Korridors entlang von Autobahnen und mehrspurigen Bahnlinien als privilegierte Flächen für Photovoltaikanlagen. Um dort eine PV-Anlage zu bauen, ist kein Bauleitplanverfahren mehr nötig. Dabei gilt die Bauleitplanung als wichtigstes Werkzeug, mit dem Kommunen ihre Planungshoheit ausüben. Die Kommune erstellt einen Flächennutzungsplan für ihr gesamtes Gebiet und Bebauungspläne für Teilflächen. Auf deren Grundlage werden Baugenehmigungen erteilt.

Die Abwägung ist schwierig

Matthias Simon, Pressesprecher des Bayerischen Gemeindetages, bestätigt, dass die Privilegierung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen entlang von Bahnstrecken und Autobahnen viele Gemeinden in Bayern betrifft. "Es ist eine Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers", sagt Simon.

Die Planungshoheit der Kommunen sei eine wesentliche Steuerungsmöglichkeit für das Ortsbild. Diesem verfassungsrechtlich geschützten Grundsatz stehe der Wunsch des Gesetzgebers nach Ausbau erneuerbarer Energiequellen entgegen. Die Bürgermeister von Nabburg, Ebensfeld und Oberhaid betonen, dass sie die Energiewende befürworten - aber eben selbst bestimmen wollen, wie sie diese gestalten. (Philipp Demling, dpa)

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