Kommunales

Mosaikkünstler Felix Welke zeigt Annette Popp (links) und Sabine Voll von der Würzburger Kulturtafel sein Atelier. (Foto: Christ)

05.10.2018

Kostenlos ins Theater, in die Oper und ins Museum

In vielen Städten Bayerns engagieren sich Ehrenamtliche für das Projekt der „Kulturtafel“

Wer keine Arbeit hat und darum von Hartz IV lebt, für den ist ein Konzert- oder ein Kinobesuch unerschwinglich. Selbst der Eintritt ins Museum kann oft nicht berappt werden. Das wiederum widerspricht der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der zufolge alle Menschen die gleichen Möglichkeiten zur Teilhabe an Bildung und Kultur haben sollen. Kulturtafeln versuchen deshalb seit einigen Jahren überall in Bayern, das Menschenrecht auf kulturelle Teilhabe zu realisieren.

Seit knapp vier Jahren gibt es auch im schwäbischen Günzburg eine Kulturtafel. Die Caritas rief sie ins Leben. „Wir sind der Überzeugung, dass es auch für Menschen mit geringen finanziellen Mitteln einen Zugang zur Kultur geben muss, daher haben wir uns entschlossen, dieses Angebot aufzubauen“, sagt Geschäftsführer Mathias Abel. Aktuell sind 80 sogenannte Kulturgäste an die Kulturtafel angedockt. Kulturgast darf werden, wer auf Hartz-IV-Niveau lebt: „Wobei wir einen Ermessensspielraum nach oben haben.“ Sieben Ehrenamtliche vermitteln die Karten. Bei Bedarf wird das Team von Hauptamtlichen unterstützt.

Alle angesprochenen Einrichtungen machen mit


Die Resonanz der Kulturschaffenden in und um Günzburg ist laut Abel äußerst positiv: „Alle Einrichtungen, die wir angesprochen haben, machen mit.“ Selbst Vereine und Laientheater spendieren kostenlose Tickets zu Veranstaltungen.

Problematisch aber ist in Günzburg – wie auch an vielen anderen Kulturtafel-Standorten – der Weg zum Kulturort. „Wir haben unser Angebot in diesem Jahr auf zwei weitere Gemeinden ausgeweitet und stellen fest, dass der Transfer von einer in die andere Gemeinde fast nicht möglich ist, da die Gäste sehr immobil sind“, sagt Abel. Auch die Würzburger Kulturtafel beklagt schon lange, dass es nur bedingt hilft, kostenlose Tickets für einen Theaterbesuch zu vermitteln, wenn die Menschen kein Geld für den Bus oder die Straßenbahn haben.

Solche Probleme sind Michael Klarner, Pressesprecher der Stadt Ingolstadt, fremd. „Uns liegen keine Rückmeldungen vor, dass Aufführungsorte schwer zu erreichen seien“, versichert er. Sogar Konzertkarten des Bauerngerätemuseums Hundszell, ganz im Süden der Stadt gelegen und mit öffentlichen Verkehrsmitteln eigentlich nicht gut erreichar, seien schnell vergriffen.

Von der Stadt selbst eingeführt


In Ingolstadt wurde die Kulturtafel im April 2013 von der Stadt selbst eingeführt. Das Kulturreferat akquiriert die Tickets von städtischen sowie von externen Kulturinstitutionen. Neben dem Stadttheater und dem Stadtmuseum beteiligen sich unter anderem das Museum für Konkrete Kunst, die Stadtbücherei, das Altstadttheater, der Konzertverein Ingolstadt und der Ingolstädter Motettenchor an dem Projekt. Verteilt werden die gewonnenen Karten über den Verein „Ingolstädter Tafel“.

Im ersten Projektjahr konnten 525 kostenlose Tickets verteilt werden. Bis auf wenige Ausnahmen fanden alle Freikarten einen Abnehmer. 2016 sammelte das Team nahezu 700 kostenlose Karten ein. Bis auf 16 Tickets wurden alle Karten an Menschen vermittelt, für die Kultur unerschwinglich ist. Im ersten Halbjahr 2018 standen bereits rund 300 Eintrittskarten zur Verfügung.

Ebenso alt wie die Günzburger Kulturtafel ist die Kulturtafel in Würzburg. Die Nachfrage nach kostenlosen Tickets ist laut Pressesprecherin Sabine Voll „enorm“: „Unsere 36 Ehrenamtlichen können den Bedarf kaum stemmen.“ Rund 15.000 Karten wurden bisher an aktuell 1000 Kulturgäste vermittelt. Das sind im Schnitt zehn Karten pro Tag. Auch ungewöhnliche Kulturschaffende beteiligen sich – zum Beispiel der Mosaikkünstler Felix Welke, der Armen kostenlose Kunstkurse anbietet.

Geld aufzubringen, ist eine Herausforderung


Finanziert wird die Kulturtafel durch Zuschüsse, Spenden und Mitgliedsbeiträge. Das Geld aufzubringen, stellt eine Herausforderung dar, fallen doch nicht unerhebliche Kosten für die Telefonvermittlung, die Datenbank sowie für Drucksachen an. Nachdem die Verwaltungsarbeiten ehrenamtlich nicht mehr zu bewältigen waren, stellte der Verein im April eine Bürokraft auf 450 Euro-Basis an. Belastet wird das Team durch die Datenschutzgrundverordnung, so Voll: „Wir müssen nun zusätzlich eine Datenschutzbeauftragte bezahlen, Drucksachen anpassen und unsere Mitarbeiter schulen.“ Das koste Zeit und Geld. Dafür und für die Bürokraft müssten aktuell monatlich zusätzlich 700 Euro aufgebracht werden.

In Regensburg wird die vor drei Jahren entstandene Kulturtafel seit November 2017 vom Verein KulTür Regensburg getragen. Es gibt eine Geschäftsführung mit 16 Stunden pro Woche und acht Ehrenamtliche, die 24 Stunden pro Woche tätig sind. Seit Gründung 2015 wurden 20.000 Eintrittskarten vermittelt.

Langfristige Finanzierung bleibt weiterhin unsicher


Sorgen bereitet der Kulturtafel die künftige Finanzierung. „Wir hatten das Glück, dass ein Träger die hauptamtliche Kraft für den Aufbau des Projekts zur Verfügung gestellt hat, doch der Vertrag läuft zum Jahresende aus“, sagt Geschäftsführerin Britta Kutzner. Die Aussichten, dass die Stadt die Stelle ab 2019 finanziert, seien „eher hoffnungslos“. Aktuell bestreitet die Kommune zehn Prozent der Betriebskosten.

Zeitgleich mit KulTür wurde in Regenburg ein sogenannter Stadtpass eingeführt, für den soziale Initiativen jahrelang gekämpft hatten. „Dieser Pass ermöglicht Menschen eine ermäßigte Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel“, so Kutzner. Deshalb kämen sie zu den Kulturangeboten. Zur Zeit werde darüber nachgedacht, auch für den benachbarten Landkreis einen ähnlichen Pass einzuführen. „Gerade dort wäre der Bedarf enorm“, ist die Geschäftsführerin überzeugt.
(Pat Christ)

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