Kommunales

Bernd Sibler (CSU) ist seit 15. Mai 2022 Landrat des Landkreises Deggendorf. (Foto: dpa/Tobias Köhler)

20.12.2024

"Man muss auch Widerspruch aushalten"

Der frühere Kultusminister Bernd Sibler (CSU) ist seit zwei Jahren Deggendorfer Landrat – wie fällt seine Bilanz aus?

Nach Staatsprotokoll hat ein Minister höheren Rang als ein Landrat. Hört man dagegen Bernd Sibler (CSU) zu, dem Landrat von Deggendorf, dann hat man den Eindruck, sein Amt sei wegen der Vielfalt der Aufgaben im Landkreis nicht nur schöner, sondern dank der größeren Bürgernähe auch befriedigender; er kennt beide Seiten der Medaille. Seit 1998 war Sibler Abgeordneter im Bayerischen Landtag, Staatssekretär und Minister für Unterricht und Kultus, zuletzt für Wissenschaft und Kunst. Weil Landrat Christian Bernreiter (CSU) als Bauminister ins Kabinett berufen wurde, wechselte Sibler auf die Ebene der Kommunen. Im Mai 2022 wurde er in Deggendorf zum Landrat gewählt. Seine Halbzeitbilanz im neuen Amt: „Ich fühle mich hier richtig wohl!“

Der in Straubing geborene, in Plattling aufgewachsene und erst im Lehramt tätige Bernd Sibler hat von Jugend an im politischen Engagement für die CSU seine Begabung zum direkten Kontakt mit den Bürger*innen gezeigt. „I mag hoit d’Leit“, sagt er dazu spontan auf bayerisch: „Aber ma muaß sich halt aa amoi Zeit nehma und nach a Veranstaltung no auf a Halbe Bier zammhocka, amoi an Witz erzähln und redn mitanand!“ Auf hohe Wahlergebnisse der AfD im ostbayerischen Grenzgebiet angesprochen fügt er hinzu: „Aber man muss auch da hingehen, wo es brennt, wo sich die Leute abgehängt fühlen. Und: Man muss auch Widerspruch aushalten!“

In der Kommunalpolitik gehe es eben um konkrete Anforderungen der Bürgerinnen und Bürger: „Der Bus muss laufen, das Krankenhaus funktionieren, Kreisstraßen befahrbar sein und so weiter! Drum fühl ich mich als Landrat hier sauwohl. Mir hätte nichts Bessers passieren können, als dass der Posten hier frei geworden ist!“

„Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele“

Als Beispiel für Brücken vom Ministerium zum Landkreis sieht Sibler den Kunstpreis des Landkreises. Den hat er als neuer Landrat eingeführt und inzwischen zweimal verliehen. Der hat das tiefsinnige, fast therapeutische Motto: „Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele.“ In schwierigen Zeiten wie diesen, sagt Sibler, „muss man im Alltag über Krankenhausreform, Jugendhilfe, Ankerzentren für Flüchtlinge und ÖPNV-Finanzierung reden. Zudem spüren wir eine Enthemmung der Werte in der Gesellschaft. Da braucht man einige angenehme Dinge als Kontrastprogramm zum Ausgleich.“

Als weitere Brücke vom Wissenschaftsministerium nach Deggendorf nennt Sibler die Technische Hochschule, deren Forschungseinrichtungen und Studiengänge auch er weiterentwickelt hat mit inzwischen 15 Außenstellen an Technologie Campi in Kleinstädten und Dörfern. Sibler: „Daran sieht man: auch Wissenschaftspolitik kann Strukturpolitik sein. Praxisbezogene angewandte Forschung ist sehr wichtig, aber zur Wissenschaft haben halt viele Leute wenig Zugang.“ Der Landkreis Deggendorf in der Mitte Niederbayerns ist mittelgroß und mittelständische Betriebe, regional wie international vernetzt, machen seine Wirtschaftskraft aus. Medizinische, psychiatrische und Reha-Kliniken im Landkreis zählen zu Bayerns „Gesundheitsregionen plus“. Was den Landkreis Deggendorf so attraktiv macht, ist laut Selbstdarstellung im Internet „sicherlich die perfekte Lage an Donau, Isar, Gäuboden und Bayerischem Wald.“ Stark geschönt, heißt es dann: „Die überaus günstige Verkehrsanbindung (egal ob mit der Bahn oder auf der Straße) an die Metropolen München, Nürnberg, Prag und Wien. Oder ist´s doch die Nähe zum ‚niederbayerischen‘ Flughafen München?“

Bis das stimmt, müsste an der miserablen Bahn- und Straßenverbindung nach Pilsen und Prag im Nachbarland Tschechien noch viel gebaut werden. Sibler: Das bleibt wohl noch ein Traum.“ Aber immerhin werden 80 Jahre nach dem Krieg auf der Bahnstrecke zwischen Plattling und Landshut auf einer Strecke von 65 Kilometern ganze 13 zweigleisig ausgebaut und elektrifiziert. Auch die Autobahn A 3 soll von Deggendorf nach Hengersberg dreispurig ausgebaut werden. So kämpft der Landrat halt um jeden Kilometer.

Es wurde viel für den Hochwasserschutz getan

Ein wichtiges und vielfältiges Thema ist für Deggendorf, Vilshofen und Plattling auch die Donau: als Schifffahrtsstraße mit Hafen und Güterumschlagszentrum, als reizvolle Flusslandschaft und als Hochwasserbedrohung. Die Donau wird hier mächtig verstärkt von der einmündenden Isar, staut diese aber auch bei Hochwasser zurück. Sie trennt den Landkreis in zwei Teile: der nördliche ist touristisch von Ausläufern des Bayerwalds geprägt, der südliche vom fruchtbaren Gäuboden und dem bayerischen Golf- und Thermenland.

Da Sibler auch gut zwei Dutzend Ehrenämter und Vorstandsfunktionen ausübt, kennt er den Landkreis mit seinen rund 120.000 Einwohner*innen bestens. Gelegenheiten zum Gespräch mit den Bürgern gibt es für den Landrat genug: das geht von der Versammlung des Gartenbauvereins, über den Werkstattbesuch bei der Lebenshilfe bis zu Gedenkfeiern zum Jubiläum der Katastrophe von 2023. Sibler: „Im Gespräch mit damals Betroffenen, den Feuerwehren und vielen anderen Helfern spürt man, wie tief das Hochwasser in den Menschen noch nachwirkt.“

Zum Hochwasserschutz sei inzwischen „viel getan worden und vorangekommen“, räumt Landrat Sibler ein, „aber zum weiteren Ausbau zwischen Vilshofen und Deggendorf hätten wir den Planfeststellungsbeschluss vom Bund gebraucht, damit es weitergeht! Man merkt halt da, wie bei der fälligen Sanierung der Autobahnbrücken, dass der Bund kein Geld mehr hat.“ Darum ist er seinem Vorgänger Bernreiter dankbar, „dass der mir keinen Investitionsstau hinterlassen hat.“

Weniger Sorgen mit Migration als andere

„Bei der Renovierung des Schulzentrums bewegen wir uns auf das Ende zu, beim Klinikum sind wir, was das Bauliche anbelangt, gut unterwegs und beim Ausbau der erneuerbaren Energien kommen wir gut voran,“ stellt Landrat Sibler fest. Mit Migrationsproblemen hat er weniger Sorgen als andere, weil Deggendorf ein Ankerzentrum mit zwei Außenstellen hat und nicht so viel Verteilung auf andere Gebäude im Landkreis. „Das belastet aber Deggendorf und das Landratsamt“, sagt er: „Wir haben im Haus unendlich viel Arbeit bekommen von der Ampel-Regierung mit der Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts. Aber das Thema Migration bewegt die Leute hier schon massiv!“

Noch mehr belastet als die Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan haben Landrat Sibler die zwei geflüchteten Straftäter aus dem Maßregelvollzug der Psychiatrischen Bezirksklinik in Mainkofen und anschließend die vier ausgebrochenen Kriminellen aus der Forensik der Bezirksklinik in Straubing, die alle wieder gefasst wurden. Die Empörung der Bevölkerung betrifft insbesondere den Kinobesuch eines wegen Totschlags verurteilten Mannes in weiblicher Begleitung im Kino von Plattling. Wenn Bürger Angst haben und sich Sorgen machen, suchen sie nicht lang nach dem zuständigen Bezirkstagspräsidenten, sondern wenden sich mit ihren Beschwerden an den Landrat, den sie kennen.

„Die ganze Konstellation des Vorgangs damals war ausgesprochen schlecht, darum wurden auch personelle Konsequenzen gezogen“, erinnert sich Sibler: „Ich gehe aber davon aus, dass das Bezirksklinikum die Lektion gelernt hat und diese ‚Freigänge‘ anders durchführt. In den Gesprächen, zu denen der Innenminister auf meine Bitte zusammen mit der Sozialministerin alle Beteiligten eingeladen hat, haben wir klargemacht, dass das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung künftig ernster genommen werden muss. So etwas darf nicht wieder vorkommen!“
(Hannes Burger)

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