Kommunales

Im Rathaus hat der Münchner Bürgerrat viele Fans. (Foto: Tobias Hase/dpa)

01.04.2025

München soll schöner werden - so wollen Bürgerräte die Landeshauptstadt lebenswerter machen

Die Landeshauptstadt hat die direkte Bürgerbeteiligung deutlich ausgebaut – sogenannte Bürgerräte unterstützen dort ehrenamtlich den Stadtrat

Mehr Trinkwasserbrunnen, eine Tauschbörse für Wohnungen und farbig gekennzeichnete U-Bahnhöfe: Das sind drei der 36 Empfehlungen des Münchner Bürgerrats. Das Gremium besteht aus 100 zufällig ausgewählten Personen.

Manfred Heigl hat das ja selbst schon erlebt, zuletzt etwa am Münchner Odeonsplatz. Dort wollte sich der 61-Jährige auf den Heimweg nach Pasing machen, doch beim Weg zum U-Bahnhof konnte er eine Frage nicht auf Anhieb beantworten: Welche Linie fährt hier noch mal ab? Ein Blick zum blauen Schild mit dem weißen U lieferte ihm keine Antwort – dabei liegt genau hier womöglich die Lösung. „Unser Vorschlag wäre“, sagt Manfred Heigl an diesem Nachmittag im Münchner Rathaus, „dass alle U-Bahnhöfe oberirdisch mit dem Stationsnamen beschriftet und auch die Farben der Linien anzeigt werden, die dort verkehren“. Dies würde zu einer besseren Erkennbarkeit der Haltestellen führen, ist Heigl überzeugt. „Das macht den öffentlichen Nahverkehr attraktiver, und vielleicht nutzen ihn dann auch mehr Menschen.“

Manfred Heigl gegenüber sitzt ein Mann, der als Aufsichtsratschef der Münchner Verkehrsgesellschaft durchaus Einfluss in diesen Dingen hat – nämlich Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). Er hat am heutigen Tag den „Bürger*innenrat zur Stadtentwicklung“ ins Rathaus eingeladen, um sich von diesem Gremium aus 100 zufällig ausgewählten Münchnerinnen und Münchnern ihre Ideen für ein besseres Stadtleben präsentieren zu lassen.

Die bunten U-Bahnhöhe sind nur eine von 36 Empfehlungen, die der Bürgerrat an diesem Nachmittag vorstellt – und die er Reiter hinterher in einem gebundenen Buch überreicht. „Wir sind jetzt natürlich gespannt, wie mit unseren Ideen umgegangen wird“, sagt Manfred Heigl. Der Oberbürgermeister jedenfalls verspricht, bis zum Sommer „jeden einzelnen dieser Punkte abzuarbeiten“. Dabei gebe es drei Sätze, die er von seiner Rathausverwaltung keinesfalls hören wolle: „Das haben wir noch nie gemacht. Das haben wir immer so gemacht. Da könnt ja jeder kommen.“

Schließlich ist es der erklärte Auftrag des Bürgerrats gewesen, den die Stadt 2024 ins Leben gerufen hat, neue und frische Ideen zu entwickeln. Um das Gremium möglichst breit aufzustellen, wurden 10 000 Münchnerinnen und Münchner angeschrieben, von denen sich 800 per Fragebogen zurückmeldeten. Aus ihnen wurden dann 100 Personen ausgelost – jedoch so, dass der Bürgerrat nach Geschlecht, Alter, Wohnort, Bildung und Herkunft der Bevölkerung Münchens entspricht. „Das Ziel war ein möglichst getreues Abbild der Stadtgesellschaft“, sagt Projektleiterin Christina Pirner.

Denn der Bürgerrat soll auch diejenigen erreichen, die sich normalerweise nicht auf politischer oder gesellschaftlicher Ebene engagieren. Und dieser Weg der Beteiligung wird hierzulande immer häufiger beschritten, wie der Bericht „Bürgerräte in Deutschland“ zeigt, den der Fachverband Mehr Demokratie und das Institut für Demokratie- und Partizipationsforschung der Universität Wuppertal (IDPF) kürzlich vorgestellt haben. „Nirgends auf der Welt gibt es mehr losbasierte Bürgerräte als bei uns“, betonte Projektleiter Detlef Sack. So sei ihre Anzahl zuletzt sprunghaft gestiegen. Gab es in den 2010ern noch durchschnittlich sechs Bürgerräte pro Jahr in Deutschland, waren es von 2020 bis 2023 fast 30.

Deutschland ist Vorreiter bei der Bürgerbeteiligung

„Deutschland ist Weltmeister der losbasierten Beteiligung“, sagte Claudine Nierth von Mehr Demokratie bei der Vorstellung des Berichts. „Losbasierte Bürgerräte sind beliebt und bewähren sich in der Praxis. Sie liefern Antworten und tragen zur Lösung von politischen Konflikten bei. Bürgerräte ermöglichen konstruktive Prozesse bei kontroversen Themen und erhöhen die Zufriedenheit bei Bürgerschaft und Politik.“ Ganze 80 Prozent der Bürgerräte laufen dabei auf kommunaler Ebene ab, so wie in München. Dort wurden die 100 ausgelosten Personen in verschiedene Gruppen eingeteilt – zu Themen wie „Gutes Klima“, „Nachhaltige Mobilität“ und „Attraktives München“. In der Folge erarbeiteten sie ein Jahr lang in mehreren Workshops und bei Stadtspaziergängen jene 36 Vorschläge, die nun also dem Oberbürgermeister unterbreitet wurden.

Manches davon ist nicht neu – zum Beispiel die Forderungen nach einem flächendeckenden Netz von Trinkwasserbrunnen in der Stadt, Bürokratieabbau im Rathaus, der Öffnung von unterirdischen Stadtbächen oder ein barrierefreier öffentlicher Nahverkehr. Andere Ideen – wie etwa eine Wohnungstauschbörse oder Nachhaltigkeits-Workshops – gebe es bereits, erklärt Dieter Reiter. Jedoch seien diese Angebote offenbar zu wenig bekannt. „Da nehme ich mit, dass wir ein bisschen mehr in die PR gehen sollten“, sagt der Rathauschef.

In dem Buch, das ihm der Bürgerrat überreicht hat, wird Reiter aber auch überraschende Vorschläge lesen. Neben der farbigen Kennzeichnung von U-Bahnhöfen sind dies etwa die Förderung von Inklusion und Ausbildung durch Anreize bei der Gewerbesteuer, ein transparentes Baustellen-Zentralregister im Netz oder ein Gemeindehaus in jedem Quartier als „zentrale Begegnungsstätte“.

Reiter jedenfalls betont, nachdem er die Empfehlungen entgegengenommen hat: „Ich bin begeistert von diesem Prozess. Je mehr wir lernen von den Menschen, die hier leben, desto besser wird auch unsere Politik.“ Derweil hat Heigl die Arbeit im Bürgerrat großen Spaß gemacht, wie er erzählt. „Ich habe den Austausch als sehr positiv empfunden. Außerdem finde ich es gut, wenn man sich als Bürger aktiv einbringen kann.“ Und die Sache mit den bunten U-Bahnhöfen? „Das lässt sich gut umsetzen“, sagt Dieter Reiter. (Patrik Stäbler)

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