Kommunales

Morgens eine Brezel, mittags Drei im Weckla und abends ein deftiger Schweinebraten? Ja, auch das ist noch immer Nürnberger Kulinarik – aber längst nicht mehr ausschließlich. In und um die Frankenmetrople etablieren sich immer mehr junge Sterne-Köche (wie etwa Andree Köthe vom „Essigbrätlein“), die – durchaus regional-traditionell geprägt – eine moderne, leichte und kalorienarme Küche propagieren. (Foto: Maass)

10.03.2016

Nürnberg greift nach den Gastro-Sternen

Die Frankenmetropole will sich von ihrem Image als Heimat der Wurst-Küche lösen

Wenige deutsche Städte werden so mit Essen assoziiert wie Nürnberg – Bratwürste und Lebkuchen sind neben Albrecht Dürer die Aushängeschilder der Stadt: schmackhaft, aber nicht wirklich kalorienarm. Doch die Küchenchefs der Frankenmetropole wollen künftig nicht nur traditionell und deftig, sondern auch gesund und modern kochen. Frankens Feinschmecker aufgepasst: In den angesehenen Gastro-Reiseführern erlebt Nürnberg aktuell einen Höhenflug wie vorher nur in 1980er Jahren. Der Guide Michelin vergab kürzlich zwei Sterne an das Essigbrätlein und einen Stern an Aumer’s La Vie – und an den Keidenzeller Hof im nahen Fürth-Unterfarnbach. Sieben Restaurants im Nürnberger Umland dekoriert der Guide mit dem Bib Gourmand für sehr gute preiswerte Küche. Der Gault Millau erkor Andree Köthe vom Essigbrätlien bereits 2012 zum „Koch des Jahres“ und bewertet ihn aktuell mit 18 von 20 Punkten, Aumer’s La Vie erhält 17 Punkte, das Wonka (an dem Köthe Teilhaber ist) 16 Punkte.

Wie Christian Wonka kochte auch Diana Burkel im Essigbrätlein – eine gute Schule. Sie wurde jetzt ebenfalls auf 16 Punkte hochgestuft. Felix Schneiders (vorher bei Aumer‘s) Neueröffnung in Heroldsberg ernannte der Gusto Führer zum deutschen Newcomer des Jahres.

Ein Stern bringt 20 Prozent mehr Umsatz

Die Bewertungen dienen nicht nur der Eitelkeit, auch dem Geschäft. Man schätzt, dass ein Stern etwa 20 Prozent Umsatzwachstum bringt. „Ohne die Sterne wären wir nur Exoten. Sie ermöglichen uns erst, das zu machen, was wir wollen“, meint Andree Köthe.

Messebesucher und Nürnberg-Touristen, aber auch nur für den Restaurantbesuch anreisende Gourmets werden dadurch aufmerksam, schließlich bedeuten zwei Sterne branchenintern: „Spitzenküche, ist einen Umweg wert“.

Bemerkenswert: Während viele deutsche Sterne-Restaurants nur als Marketingvehikel von Hotels oder durch Sponsoren überleben, sind Köthe und Andreas Aumer Besitzer ihrer Restaurants und schreiben schwarze Zahlen. Gemeinsam mit seinem Partner Yves Ollesch war Köthe Vorreiter des kulinarischen Aufschwungs in der Frankenmetropole.

Essigbrätlein bedeutet Sauerbraten, eine der Spezialitäten der fränkischen Küche. Die Butzenscheiben, Fachwerk, dickes Gemäuer des Restaurants in der Altstadt passen dazu. Doch fleischlastige Hausmannskost in großen Portionen, die der Franke traditionell gerne isst, gibt es hier nicht. Rote Beete mit Kümmelkaramel war ihr Durchbruch, „geschossener“ Lauch und Grünkohl oder gehobelter Blumenkohl sind ihre Spezialitäten.

Nach dem Erfolg ihrer Gewürzküche (und den Kochbüchern dazu) versuchen sie jetzt, aus den Produkten selber die besten Aromen heraus zu kitzeln. Hilfreich ist dafür die Zusammenarbeit mit dem Biologen und Kräuter- und Gemüsezüchter Peter Kunze, „durch ihn haben wir über 200 Aromen aus der Natur um uns herum neu kennengelernt“, meint Köthe.

Kunze berät auch die meisten anderen lokalen Spitzenköche. Denn die Nürnberger Gourmetköche verbindet, passend zum Standort der weltweit führenden Messe Bio-Fach, das Bestreben um Nachhaltigkeit. Sie verwenden möglichst viele saisonale und regionale Zutaten und auch möglichst alle Teile eines Tieres oder – wie im Essigbrätlein perfektioniert – einer Pflanze. Die Grundlage dafür sind hervorragend und schonend produzierende Bauern im Nürnberger Umland, dem sogenannten Knoblauchsland.

Auch die Tourismus-Zentrale Nürnberg ist auf den Geschmack der Spitzenküche als Teil der neuen Küchenvielfalt gekommen. Sie hat die Kulinarik mit vielen Aktionen zum Jahresthema erkoren – und wirbt dabei erstmals auch für die gehobene Küche. Monatlich wird ein Koch hervorgehoben, viele Aktionen um Essen und Trinken sind geplant.

Anlass des Kulinarik-Jahres in Nürnberg sind 500 Jahre Bier-Reinheitsgebot. Und auch bei Getränken tut sich in Nürnberg einiges. So wird in der Noris neben hervorragendem Craft Beer auch der offiziell beste deutsche Whiskey gebraut. Involviert in die Planungen war der Koch Stefan Rottner. (Romantikhotel Gasthaus Rottner). Obwohl er selbst einen erkochte (bis 2003), fängt für ihn gute Küche nicht erst mit dem Stern, sondern bereits „mit einem guten Presssack oder Schnittlauchbrot an“. Zu seinen Gästen gehört auch der ambitionierte Hobbykoch und OB Uli Maly. Rottner freut das neue Qualitätsdenken der Köche, das er in Sterneküchen ebenso beobachtet wie in Hamburger-Restaurants oder bei den Food Trucks – als deren deutsches Zentrum Nürnberg gilt. Heinzrolf M. Schmitt, der 1966 im „Goldenen Posthorn“ einen den ersten deutschen Michelin-Sterne erkochte, meint: „Die Köche heute sind viel klüger und selbstbewusster.“ Er vermisst bei ihnen allerdings die Ausstrahlung als Gastgeber. Der umtriebige 81-jährige plant gerade ein Edel-Bratwurst-Restaurant in Fürth. Auch die aktuellen Gourmetköche haben keine Berührungsängste mit den Nürnberger Küchen-Klassikern. Andreas Aumer geht gerne mal in eines der Bratwurstlokale am Rathaus. Andree Köthe und Yves Ollesch sind sogar unter die Lebkuchenproduzenten gegangen. Die FAZ kürte ihre Lebkuchen auf Anhieb als Allerbeste. (Florian Maass)

Kommentare (1)

  1. Feinschmecker am 30.03.2016
    Es fehlt der Name des Restaurants von Diana Burkel. Das Würzhaus sollte im 3. Absatz genannt werden...
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