Kommunales

Beliebt ist vor allem so genannte „weiße Ware“: Kühlschränke, Waschmaschinen, Mikrowellen. Aber auch Fernseher, Töpfe und Pfannen werden von den Müllbettlern bei den Bürgern gern abgegriffen. (Foto: Pelke)

21.08.2015

Nürnberg wehrt sich gegen Müllbettler

Aggressive Clans aus Osteuropa und dem Westbalkan belagern die städtischen Wertstoffhöfe

Vor allem für Migranten aus Osteuropa und den Ländern des Westbalkan ist das so genannte Müllbetteln in Nürnberg mittlerweile zu einem richtigen Beruf geworden. Familienclans belagern den städtischen Wertstoffhof und wollen Autofahrer regelrecht abfangen – mitunter rabiat. Die Stadt möchte nun verstärkt dagegen vorgehen. Vor dem Eingang zum Wertstoffhof liegen die Müllbettler auf der Lauer. Sobald ein Wagen um die Ecke biegt, spurtet die Frau mit den Sandalen an den Füßen los. „Anhalten! Anhalten!“, ruft die Mittdreißigerin Maria und wirft sich fast vor die Motorhaube. „Was hast du dabei?“, fragt die Frau und schaut interessiert in den Innenraum der Limousine. Sie komme aus der Slowakei und könne alles gebrauchen, erzählt Maria dem Fahrer und begnügt sich nach kurzer Diskussion mit einer Maus und einer Tastatur, die der Fahrer der Frau in einer großen Plastiktüte durch das Autofenster reicht. Die vier Männer, die im Hintergrund müde auf einer Leitplanke lümmeln, nicken dem Fahrer kurz zu und widmen sich dann wieder ihrer Arbeit. Einer versucht die vorbeifahrenden Autos anzuhalten. Die anderen sortieren die bisherige Beute. An diesem Tag haben sie schon eine Bratpfanne, einen Holzschlitten und einen Kochtopf ergattert. Das ist nicht viel, sagen sie.

„Was sie nicht brauchen, fliegt in die Landschaft“


Aber der Tag sei ja noch lang. Bis 18 Uhr hat der Wertstoffhof, der direkt am Frankenschnellweg liegt, geöffnet. Früher wurden an dieser Stelle Pferde verkauft. Heute entsorgen die Nürnberger hier alles, was nicht in den eigenen Mülleimer passt. Doch als später die Polizei um die Ecke biegt, drehen sich die Müllbettler einfach um und warten bis der Bus mit dem Blaulicht wieder verschwunden ist.
„Wir bekommen pro Woche allein 400 alte Fernseher. Die Leute kaufen jetzt alle Flachbildfernseher“, sagt Andreas Sandeck, der Leiter des Wertstoffhofes am Pferdemarkt. Auf die alten Flimmerkisten hätten es die Müllbettler besonders abgesehen. „Dann hauen sie schon mal auf die Motorhaube, um die Leute anzuhalten.“ Besonders wild würden die Menschen, die vor seinem Wertstoffhof um Müll betteln, wenn „weiße Ware“ im Spiel ist. „Bei Waschmaschinen zum Beispiel können die schon sehr zudringlich und massiv werden“, berichtet Sandeck.
Was die Müllsammler nicht gebrauchen können, würden sie in der freien Natur entsorgen. Im Umkreis des Wertstoffhofes lande immer mehr Müll in der Landschaft, ärgert sich Sandeck. Wohl auch deshalb hat die Stadt jetzt angekündigt, gegen die Müllbettler härter vorgehen zu wollen.
Die bisherigen Versuche, Maria und ihre Kollegen von dem Wertstoffhof zu vertreiben, hätten bislang nicht gefruchtet. Eine Vielzahl von Platzverweisen, vorübergehenden Gewahrsamnahmen, Bußgeldern, Aufenthaltsverboten und Zwangsgeldern hätten nicht dazu geführt, dass die Personen ihr Verhalten grundlegend geändert hätten. Allein im Jahr 2014 seien durch die Polizei 52 Belehrungen durchgeführt und 28 Ordnungswidrigkeiten angezeigt worden, die zu insgesamt 20 Bußgeldbescheiden geführt hätten.

Geld einzutreiben, ist schwierig


Freilich sei es schwierig, gibt die Stadt zu, die Gelder auch tatsächlich einzutreiben. Schließlich haben die Müllsammler selten einen festen Wohnsitz in Deutschland. Deshalb hat sich die Stadt für handfestere Gegenmaßnahmen entschieden. Nun sollen alle Kraftfahrzeuge, mit denen erbettelte und gesammelte Gegenstände abtransportiert werden, abgeschleppt werden. Außerdem hat die Stadt dort jetzt ein allgemeines Verbot zum Betteln und Sammeln von Sachen erlassen.
Doch dass diese neuen Maßnahmen die Müllbettler vertreiben werden, glaubt der Leiter des Wertstoffhofes nicht. Die Transporter werden dann eben ein paar Straßen weiter abgestellt und der Abfall zu Fuß zu den Fahrzeugen getragen. Auch sein Chef hat kaum Hoffnung, dass sich die Müllbettler von der härteren Gangart beeindrucken lassen. „Die lassen sich nicht vertreiben. Vor zehn Jahren hatten wir das gleiche Problem in der Grolandstraße. Das waren genau die gleichen Leute“, ist sich Karsten Kochlowski sicher. Wenn die Müllbettler am Pferdemarkt vertrieben werden, dann würden sie einfach woanders hingehen und sich einen neuen Wertstoffhof suchen.
Schließlich hätten sie allein in Nürnberg freie Auswahl. Insgesamt betreibt das Rote Kreuz im Auftrag der Stadt sechs Wertstoffhöfe in der Frankenmetropole. Vielleicht behalten die Abfallexperten mit ihrer pessimistischen Prognose am Ende recht. Maria macht ganz ehrlich nicht den Eindruck, als dass sie sich einfach abwimmeln ließe. Sie brauche das Geld, sagt sie und versucht mit wilden Handzeichen den nächsten Wagen vor den Toren des Wertstoffhofes zum Anhalten zu bewegen.
(Nikolas Pelke)

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