Das noch vom früheren Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) aufgelegte Breitbandförderprogramm werde von bayerischen Kommunen kaum genutzt, schimpft der Münchner Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek (Grüne). Es sei zu bürokratisch. Doch daran allein liegt es nicht. Es gibt auch noch das Programm des Freistaats – und die Förderkriterien widersprechen einander mitunter.
Seit 2015 hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur in einem Förderprogramm mehrere Millionen Euro bereitgestellt für den Ausbau des Breitbandnetzes. Doch das Geld wird in Bayern kaum abgerufen, schreibt das inzwischen von Andreas Scheuer (CSU) geleitete Ministerium in der Antwort auf eine Anfrage des wirtschaftspolitischen Sprechers der Grünen-Bundestagsfraktion, des Münchner Abgeordneten Dieter Janecek.
Die Kommunen des Freistaats hätten bisher lediglich 7,2 Millionen Euro – das entspricht einem Anteil von drei Prozent der insgesamt bereitgestellten 234 Millionen Euro – abgerufen. Nur 285 Städte und Gemeinden – insgesamt gibt es in Bayern mehr als 2000 – hätten Geld erhalten. Auch seien davon bisher fast ausschließlich Beratungsleistungen finanziert worden, begonnen habe noch kein einziges der geförderten Bauvorhaben.
Dobrindt und Telekom schweigen zu Vorwürfen
Auch sei im Freistaat, so der Grüne „viel mehr auf Gemeinden als Ausführende gesetzt“ worden. „Diese scheinen mit den technischen Dokumentationspflichten und speziell mit den europaweiten Ausschreibungen für Bauvorhaben überfordert gewesen zu sein. In anderen Bundesländern beantragen vielfach ganze Landkreise gebündelt, was in Bayern seltener der Fall war“, sagt Janecek. Er sieht die Schuld daran hauptsächlich beim früheren Ressortchef Dobrindt. „Er hat das Programm so kompliziert gemacht, dass insbesondere die kleinen Städte und Gemeinden mit den Anträgen und Ausschreibungen überfordert sind.“
Auch gegenüber der Telekom erhebt Dieter Jancek Vorwürfe. „Es gab mehrfach Berichte, dass die Pläne zu bereits verlegten Kabeln nur zeitverzögert an die Kommunen herausgerückt wurden und Planungen überarbeitet wurden, weil die Telekom zwischendurch punktuell ihr Netz ertüchtigt hatte. Und gewinnt die Telekom eine Ausschreibungen, was sehr häufig vorkommt, drückt sie in den Verträgen jahrelange Fristen bis zur Verlegung der Kabel durch.“
Man könne Janeceks Vorwürfe „überhaupt nicht nachvollziehen“, erwidert auf Nachfrage Telekom-Sprecher Udo Harbers. Die geringe Zahl an abrufenden bayerischen Kommunen liege daran, dass „das eigene Programm des Freistaates bereits seit 2014 auf Hochtouren läuft“. Die Telekom habe sich „wie kein anderes Unternehmen“ beim Breitbandausbau in Bayern engagiert, fügt Harbers hinzu.
Von Alexander Dobrindt war dagegen keine Reaktion auf die Kritik zu bekommen. Auf Nachfrage in seinem Bundestagsbüro wurde die Staatszeitung an die Unions-Bundestagsfraktion verwiesen, von dort an das Bundesverkehrsministerium und von dort wieder zurück an das Büro von Dobrindt.
Das bayerische Breitbandförderprogramm wird von den Kommunen dagegen sehr intensiv genutzt, knapp 97 Prozent aller Gemeinden sind dabei aktiv. Allerdings ist die Förderung eben auch gedeckelt; trotz eines Finanzvolumens von 1,5 Milliarden Euro. Für Kommunen mit vielen, über eine große Fläche verteilten Ortsteilen oder einer schlechten Bodenbeschaffenheit reicht es dann nicht aus. Das ursprüngliche Programm sah zwar für die sogenannte Wirtschaftlichkeitslücke – also die Differenz, bis zu der sich für den Netzbetreiber eine Erschließungsmaßnahme noch lohnt – eine Förderung von bis zu 90 Prozent vor; aber eben gleichzeitig auch gedeckelt bis 950 000 Euro, unabhängig vom tatsächlichen Ausbauaufwand.
"Es geht nicht nur um Hilfe für Gemeinden, sondern auch um Profilierung"
An dieser Stelle wurde das Förderprogramm des Bundes interessant für einige Kommunen. Es sieht – neben der Förderung der sogenannten Deckelungslücke – nämlich auch die Umsetzung eines sogenannten Betreibermodells. Der wesentliche Unterschied zu jenem Modell des Freistaats besteht darin, dass die Kommune zum einen die Förderung unmittelbar erhält und zum anderen das neu geschaffene Netz zwar an einen Betreiber vermietet, aber trotzdem weiter der Eigentümer bleibt.
Und deshalb findet auch nicht jeder bayerische Bürgermeister das Bundesprogramm generell zu bürokratisch. Es sei „zwar tatsächlich aufwendiger und enthält durch die Möglichkeit des besagten Betreibermodells auch viel umfassendere technische Vorgaben; auch die notwendigen europaweiten Ausschreibungen bewirken entsprechenden Mehraufwand“, meint Stefan Frühbeißer, der Rathauschef der Stadt Pottenstein im Landkreis Bayreuth. Er ist ein Freier Wähler und muss dem CSU-Mann Dobrindt sicher keinen Gefallen tun. „Und Dank der verständnisvollen und immer sehr bemühten Ansprechpartner seitens des Fördergebers ist das Verfahren aber auch für eine kleine Gemeinde wie unsere mit 5400 Einwohnern lösbar“, ist der Pottensteiner Bürgermeister überzeugt.
Im Sommer vergangenen Jahres hatte der heutige Regierungschef und damalige Finanz- und Heimatminister Markus Söder (CSU) das Problem der weit verstreuten Weiler erkannt und beim Breitbandausbau den sogenannten Höfe-Bonus aufgelegt: weitere 400 Millionen Euro. Eigentlich eine gute Sache – nur eben nicht so richtig kompatibel mit dem Bundesprogramm. Die Bayreuther SPD-Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium, Annette Kramme (SPD) appellierte an das bayerische Finanzministerium, den Höfebonus künftig auch auf die Kofinanzierung des Bundesverfahrens anzuwenden. In einem der Staatszeitung vorliegenden Schreiben des neuen Staatssekretärs Hans Reichhart (CSU) erteilt dieser der Bitte jedoch eine Absage. Die Gewährung des Höfebonus könne nur „im Rahmen eines weiteren Verfahrens nach der bayerischen Breitbandrichtlinie“ erfolgen, so Reichhart.
Bürgermeister Frühbeißer kann darüber nur den Kopf schütteln. Er habe den Eindruck, es gehe den Akteuren im Bundes- beziehungsweise im Landesministerium nicht allein darum, auf maximal mögliche Weise den Kommunen zu helfen, sondern sich mit ihren jeweiligen Programmen auch öffentlich zu profilieren.
Egal ob Bundes- oder Landesprogramme: Bis zu einer wirklichen Versorgung Bayerns mit schnellem Internet – und das beginnt nach einhelliger Meinung technischer Experten eben erst bei 100 Mbit/s und nicht schon bei 50 oder 30 – ist es allerdings noch ein weiter Weg. Nur in 281 bayerischen Kommunen, so eine Studie der vbw – Vereinigung der bayerischen Wirtschaft aus dem vergangenen Jahr, verfügen mehr als drei Viertel der Haushalte über eine solche Übertragungsgeschwindigkeit. Und nur 9,3 Prozent der Haushalte haben einen modernen Glasfaseranschluss. (André Paul)
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