Kommunales

Ein Mann betankt an einer Tankstelle für synthetischen Diesel ein Fahrzeug. (Foto: dpa/Sebastian Gollnow)

30.11.2021

Sauberen Diesel gibt es nicht für alle

Immer mehr Kommunen setzen auf die synthetische Kraftstoffvariante für ihren Fuhrpark – für Privatleute ist er schwer erhältlich

Für die, die ihn nutzen, ist er eine Selbstverständlichkeit und kaum mehr wegzudenken. Für die meisten anderen ist er immer noch unbekannt. Ähnliche Erfahrungen machte auch Anton Baumgartner (Unabhängige Wählergemeinschaft), der Bürgermeister der Gemeinde Breitbrunn am Chiemsee. Als die knapp 1700 Bewohnende zählende Kommune vor rund zwei Jahren ihren Fuhrpark auf synthetischen Dieseltreibstoff umstellte, waren etliche Bürgermeisterkollegen überrascht, dass es Derartiges überhaupt gibt, erinnert er sich.

Und den synthetischen Kraftstoff erhält auch nicht jeder. Dabei sind die Vorzüge gegenüber konventionellem, aus Erdöl gewonnenem Diesel recht eindrucksvoll. Der bekannteste synthetische Dieseltreibstoff kommt von Shell und trägt die Bezeichnung GTL Fuel. GTL steht für Gas to Liquid – Gas zu Flüssigkeit. Hergestellt wird der Treibstoff mit aufwendigen chemischen Prozessen. Er ist klar, geruchlos und biologisch abbaubar sowie winterfest bis minus 20 Grad, spezielle Versionen sogar bis minus 30 Grad.

Und synthetischer Diesel verursacht weniger Ablagerungen von Bakterien und Pilzen als der konventionelle Diesel – gegenüber dem er auch eine geringere sogenannte Wassergefährdungsklasse aufweist. Bis auf die geforderte Mindestdichte erfüllt er die Qualitätsanforderungen der Kraftstoffnorm DIN EN 590. Und die Mindestdichte wird auch als Grund angegeben, warum behördlicherseits die Verbreitung des synthetischen Dieseltreibstoffs streng reglementiert wird.
 

Große Zufriedenheit in Breitbrunn


In Breitbrunn ist man nach den ersten zwei Jahren mit dem Shell GTL hochzufrieden. Fünf Fahrzeuge laufen mit dem Treibstoff, der vom Lieferanten frei Haus geliefert wird und in eigenen Tanks lagert. Die sind aber relativ klein, sodass es im Winter, wenn wegen des Einsatzes der Schneeräumfahrzeuge der Bedarf steigt, zu Engpässen kommt. Kein großes Problem, denn der synthetische Diesel kann mit dem herkömmlichen Pendant beliebig gemischt werden. Preislich liegt der GTL derzeit noch etwa zehn Cent über dem normalen Diesel.

Nur ein paar Kilometer von Breitbrunn entfernt auf dem Chiemsee sind Fähren auch mit dem synthetischen Diesel unterwegs. Ein Referenzkunde in Sachen Shell GTL ist die Bayerische Zugspitzbahn in Garmisch-Partenkirchen. Dort sind rund 20 Pistenraupen im Einsatz, die bislang alle mit konventionellem Diesel betrieben worden sind. Nach umfangreichen Tests entschied man sich, die Pistenraupen mit Shell GTL Fuel Alpine zu betreiben.

Bereits beim Betanken in der Werkstatthalle fiel auf, dass der neue Kraftstoff keinerlei Geruchsentwicklung hat. „Keine Geruchsentwicklung mehr beim Tanken, kein wahrnehmbarer Säuregeruch während der Fahrt – das ist wirklich angenehm“, sagt der Werkstattleiter Christian Edenhofer.

Weitere Vorteile sind das Leistungsverhalten und der ruhige Lauf speziell bei kalten Temperaturen. Die Kältestabilität hat auch wirtschaftliche Aspekte, denn bei dem neuen Kraftstoff ist die Gefahr von Verstopfungen in den Kraftstofffiltern deutlich geringer.
Das Fazit ist positiv. Shell GTL verbrennt sauberer und erzeugt entsprechend weniger lokale Emissionen wie Stickoxide und Partikel. Er ist nicht giftig, geruchsarm, leicht biologisch abbaubar, enthält praktisch keinen Schwefel und keine aromatischen Verbindungen und weist eine höhere Cetanzahl als der bekannte Dieselkraftstoff auf.
 

Schwere Batterien am Berg ungeeignet

Gerade im Skigebiet wichtig: die geringere Wassergefährdungsklasse WGK1. In Zukunft will man bei der Bayerischen Zugspitzbahn alle mineralischen Energieträger auf Shell GTL Fuel umstellen. E-Mobilität scheint bei den Planungen keine Rolle zu spielen. Das Handling der schweren Batterien oben am Berg ist offensichtlich das Ausschlusskriterium.

Gerade für Kommunen ist der synthetische Diesel eine willkommene Option, um die oft recht betagten Fahrzeuge mit hohen Verbrauchs- und Emissionswerten wesentlich umweltfreundlicher zu betreiben. In Dießen am Ammersee wurde für den Einsatz des GTL-Diesel eine eigene Zapfstation installiert, soll der Fuhrpark entsprechend mit dem Treibstoff betrieben werden und damit eine deutliche Reduzierung von Feinstaub und Stickoxid erreicht werden. In Stuttgart fahren die Busse der Stuttgarter Straßenbahnen SSB seit zwei Jahren nur noch mit dem synthetischen Diesel.

Shell GTL ist nicht der einzige synthetische Treibstoff, welcher der Kraftstoffnorm 15940 entspricht. Während Shell GTL mit Erdgas produziert wird, werden die sogenannten Care-Diesel aus Abfall- und Reststoffen wie Speiseöl und ohne Mineralöl rein regenerativ hergestellt. Als dritte Gruppe gibt es noch HVO-Diesel, die aus hydrierten Pflanzenölen gewonnen werden.

Millionen Verbrennerautos auf deutschen Straßen


Diese Treibstoffe sind aber nicht für alle verfügbar, sondern nur für einen eingeschränkten Nutzerkreis. Dabei ließe sich mit der flächendeckenden Verbreitung des synthetischen Diesel viel erreichen. „Millionen Verbrennerautos sind auf deutschen Straßen unterwegs und haben noch eine lange Lebensdauer vor sich. Wenn die Klimaschutzziele im Verkehr erreicht werden sollen, braucht es eine Lösung für diesen Bestand“, sagt der Technikpräsident des ADAC, Karsten Schulze.

Wie das aussehen kann, demonstrierte Bosch mit einem Prototyp eines VW Golf, der mit Care-Diesel angetrieben wird und speziell beschichtete Bremsscheiben bekam. Heraus kamen laut Bosch 90 Prozent weniger Feinstaub bei den Bremsen, weniger als zehn Milligramm Stickoxid pro Kilometer und ein CO2-Ausstoß von 46 Gramm pro Kilometer. Das sind 65 Prozent weniger CO2 als beim herkömmlichen Golf TDI.

Eine Zulassung gab es für den Dieselkraftstoff, den Bosch einsetzte und der von einem finnischen Hersteller kam, allerdings trotzdem nicht. Der Care-Diesel darf nicht an deutschen Tankstellen verkauft werden – was das Umweltbundesamt damit begründete, dass es ja „mit Elektroautos bereits Alternativen“ geben würde. Das berichtete die Stuttgarter Zeitung. (Georg Weindl)

 

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