Kommunales

In das ehemalige Postgebäude im Zentrum des Marktes Murnau wird ein hiesiger Medienunternehmer seinen lokalen Sender Radio Oberland unterbringen. Eine Bürgerinitiative scheiterte mit der Idee, in dem denkmalgeschützten Haus einen „Ort der Gemeinschaft und Begegnung für alle Generationen“ einzurichten. (Foto: Markt Murnau am Staffelsee)

22.01.2025

„Schlag ins Gesicht der Demokratie“ – Ärger um Bürgerbegehren spaltet Murnau

Bürgerschaftliches Engagement versus Steuereinnahmen und Arbeitsplätze – im oberbayerischen Murnau wird darüber heftig gestritten

Wenn demokratische Bürgernähe von Dialog und Transparenz lebt, läuft im oberbayerischen Murnau am Staffelsee (Landkreis Garmisch-Partenkirchen) derzeit einiges schief. Der Gemeinderat des schmucken Marktes hebelte hinter verschlossenen Türen ein laufendes Bürgerbegehren aus. Bürgermeister Rolf Beuting (ÖDP) sieht sich mit diesem Schritt auf der rechtlich sicheren Seite, weil infrage stehende Projekte erst mit der Zulassung zum Bürgerentscheid unterbrochen werden: „Die zeitlich unbefristete Unterschriftensammlung für ein eventuelles Bürgerbegehren reicht nicht aus. Der Gesetzgeber hat das so festgelegt.“ Die Initiatoren des Bürgerbegehrens „Bürgerhaus in der Alten Post“ halten diese „Hinterzimmerentscheidung“ durch den Gemeinderat für „einen Schlag ins Gesicht der Demokratie“ (Zitat: Richard Mohr, zweiter Vorsitzender der Murnauer SPD).

Räume mit befristeten Verträgen nutzen

Es geht um die Nutzung des ehemaligen Postgebäudes im Zentrum Murnaus. Das unter Denkmalschutz stehende Haus mit markantem Giebel und Fassadenmalereien aus der Zeit der vorvergangenen Jahrhundertwende steht seit dem Auszug der Deutschen Post schon jahrelang leer. Lediglich eine Wohnung ist vermietet und kleine Gewerbebetriebe konnten in der Vergangenheit die Räume mit befristeten Verträgen nutzen. Das Anwesen gehört der Gemeinde Murnau, die allerdings bislang nichts mit dem Haus anzufangen wusste.

Im Herbst 2023 legte Felix Burger (SPD) dem Gemeinderat seine Idee eines Bürgerhauses in der Alten Post als „Ort der Gemeinschaft und der Begegnung“ für alle Generationen vor. Zu diesem Zeitpunkt bekundeten bereits 20 Träger sozialer Arbeit wie die Caritas und die Diakonie die Bereitschaft, mit ihren Beratungs- und Serviceangeboten in das potenzielle Bürgerhaus mit einzuziehen. Darüber hinaus soll es barrierefreie Veranstaltungsräume geben, vielleicht auch ein Café. Im Dezember 2023 fasste der Hauptausschuss des Gemeinderats einen positiven Grundsatzbeschluss zur Einrichtung des Bürgerhauses; unter der Voraussetzung, die Betriebskosten werden über einen Trägerverein gesichert. Die Kosten für die Innensanierung des Gebäudes – etwa 2 Millionen Euro – obliegen der Gemeinde. „Die Initiative Bürgerhaus hat viel Liebe und Herzblut in ihr Konzept gesteckt. Ich finde das Vorhaben gut“, sagte der Bürgermeister damals.

Kehrtwende hinter verschlossenen Türen

Im Herbst 2024 kam die Kehrtwende. Der Gemeinderat beschloss in nichtöffentlicher Sitzung mit großer, fraktionsübergreifender Mehrheit, von dem Bürgerhaus-Gedanken abzurücken und stattdessen die Alte Post gewerblich zu nutzen. Der Knackpunkt dabei: Der Gemeinderat und die Initiative Bürgerhaus hatten in den Monaten zuvor nicht über das Bürgerhaus-Projekt gesprochen. Es war niemals Thema einer öffentlichen Gemeinderatssitzung oder Bürgerversammlung. Der ablehnende Beschluss fiel quasi ohne Vorwarnung vom heiteren Himmel.

Klamme Gemeindefinanzen

Für den Bürgermeister ist dieser Schritt angesichts der klammen Gemeindefinanzen der richtige Weg: „Wenn ich an die dringend notwendigen Baumaßnahmen der Gemeinde denke – wie an ein neues Feuerwehrhaus und eine neue Kita –, können wir uns das Bürgerhaus schlichtweg nicht leisten.“ Der Gemeinderat gab am 22. Oktober 2024 der Marktverwaltung den Auftrag, entsprechende Schritte zur gewerblichen Nutzung einzuleiten. „Im Rathaus haben wir daraufhin unsere Hausaufgaben gemacht“, so Beuting.

Die Antwort der Initiative Bürgerhaus: Wir machen einen Bürgerentscheid! Die Hälfte der Unterschriften, die im Rahmen des vorausgehenden Bürgerbegehrens zum Antrag des Bürgerentscheids notwendig sind, war Mitte Dezember – binnen einer Woche – beisammen. Dann der Schock: Der Gemeinderat beschloss kurz vor Weihnachten – wiederum in nichtöffentlicher Sitzung und wieder ohne vorab mit den Initiatoren des Bürgerbegehrens zu reden – mit 19 zu drei Stimmen, die Nutzung der Alten Post einem hiesigen Medienunternehmer zu übertragen, der in dem Gebäude den lokalen Sender Radio Oberland einrichten möchte und auch die Sanierungskosten tragen wird. In derselben Sitzung wurden die entsprechenden Verträge unterschrieben.

Bürgerbegehren die Grundlage entzogen

Damit war freilich dem Bürgerbegehren die Grundlage entzogen. Bürgermeister Beuting in einer schriftlichen Stellungnahme: „Die Gemeinde Murnau hat sich nicht gegen ein durchaus wünschenswertes Bürgerprojekt entschieden, sondern vielmehr für ein Plus an Steuereinnahmen und qualifizierten Arbeitsplätzen.“ Bei allem Verständnis, dass eine Kommune mit ihren Immobilien Einnahmen generieren muss, sagt Benedikt Hoechner (SPD und Sprecher der Initiative Bürgerhaus): „Die Art und Weise, wie der Gemeinderat unser Projekt aushebelt, ist enttäuschend und untergräbt das Vertrauen in die demokratischen Prozesse unserer Gemeinde.“

Das hat Bürgermeister Beuting wohl auch erkannt. Anlässlich des Neujahrsempfangs der Gemeinde Murnau bedauerte er, dass das vergangene Jahr mit einem „veritablen Streit“ endete. „In der Sache stehe ich schon hinter dem Beschluss des Gemeinderates, das alte Postamt gewerblich zu nutzen und nicht zum Bürgerhaus umzugestalten. Bestimmte Dinge sind nicht mehr finanzierbar. Vom Stil her hätte man’s vielleicht auch anders hinkriegen können oder vielleicht auch müssen“, so Beuting.
(Günter Bitala)

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