Dank einer All-Parteien-Unterstützung besiegte Christian Herrgott – bisher Generalsekretär der Thüringen-CDU – im Januar seinen AfD-Konkurrenten und wurde neuer Landrat des Saale-Orla-Kreises. Der ehemalige Bundeswehroffizier zeigt, wie man Rechtsradikalen den Wind aus den Segeln nimmt: Herrgott verdonnert bisher untätige Flüchtlinge zu gemeinnützigen Arbeiten – in einer Konsequenz, wie es das bisher noch in keiner Kommune gab.
Es ist eine häufig verbreitete Behauptung aus Teilen der Politik: Asylbewerbende wollten ja gern arbeiten – aber der deutsche Staat lasse sie nicht während des Zeitraums, in dem ihr Antrag bearbeitet wird. Das stimmt jedoch nicht, siehe Paragraf 5 des Asylbewerberleistungsgesetzes: Flüchtlinge dürfen – gegen Bezahlung – für gemeinnützige Arbeiten herangezogen werden. „Wer gesund ist und nicht gehandicapt ist, muss arbeiten. Eine Arbeitspflicht muss her“, fordert Reinhard Sager (CDU), der Präsident des Deutschen Landkreistags.
„Wenn Flüchtlinge arbeitsfähig sind, nicht mehr in die Schule müssen und nicht schon woanders einen Job gefunden haben, dann müssen sie eine Arbeit annehmen, wenn sie ihnen angeboten wird“, heißt es auch aus dem Bundesarbeitsministerium. Wer dem nicht nachkomme, dem könnten auch Leistungen gekürzt werden. Dann erhalte die Person nur noch Leistungen zur Deckung ihres Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege“, erläutert ein Sprecher von Ressortchef Hubertus Heil. Die Bundesländer und Kommunen könnten selbst entscheiden, inwieweit sie diese Regelung anwenden, so das Haus von Ressortchef Hubertus Heil (SPD).
Das Problem: Bisher wurde das kaum angewandt – auch aufgrund kritischer Stimmen, dabei handele es sich um „Zwangsarbeit“. Viele Kommunen scheuten den Konflikt. Dabei gäbe es mehr als genug zu tun in den Kommunen, von dem alle profitieren: „Straßen reinigen, Hecken schneiden, Schnee schippen“, benennt Landrat Herrgott die Tätigkeiten. Zuerst hatte die Bild über seine Maßnahmen berichtet. Die geforderte Arbeitszeit beträgt 4 Stunden pro Tag. Der Stundenlohn beträgt laut Gesetz 80 Cent. Das entspricht 64 Euro pro Monat, die auf die geplante Bezahlkarte überwiesen werden. In Kürze sollen die ersten Asylbewerber*innen die Arbeit aufnehmen. Aktuell sondiert Herrgott die Jobangebote bei Vereinen und kommunalen Eigenbetrieben.
Wer sich weigert, soll sanktioniert werden
Und wenn sich jemand weigert? „Der soll sanktioniert werden“, verspricht der Kreischef. Er will die staatliche Unterstützung dann um bis zu 180 Euro im Monat kürzen. Aktuell erhält ein alleinstehender Erwachsener 460 Euro im Monat. Mehr streichen geht aber auch nicht – dem hatte generell das Bundesverfassungsgericht einen Riegel vorgeschoben.
„Es geht um ein Signal, dass die Menschen, die mit Steuergeld bezahlt werden, etwas an die Gesellschaft zurückgeben müssen und nicht den ganzen Tag auf einer Parkbank sitzen“, erläutert Landrat Herrgott sein Projekt. Mit der Arbeitspflicht will er die Akzeptanz von Asylbewerber*innen in der Bevölkerung erhöhen und deren Integration verbessern. „Für diese Arbeit muss man keine Sprachkenntnisse haben. Vielleicht lernt man durch Arbeit besser Deutsch als im Sprachkurs und kann sich auf reguläre Arbeit vorbereiten“, ist Herrgott überzeugt.
Eher skeptisch fällt dagegen die Einschätzung aus der Wissenschaft aus: Der Ökonomieprofessor Panu Poutvaara vom Münchner Ifo-Institut kann sich eine gemeinnützige Arbeitspflicht vorstellen – aber „nur für Geflüchtete, die weder arbeiten noch an einem Sprachkurs teilnehmen, die sich in keiner Ausbildung befinden oder nicht an einem Integrationskurs teilnehmen“, so Poutvaara neulich in einer Sendung des BR. Nur für diejenigen, die dann noch übrig bleiben, könne gemeinnützige Arbeit sinnvoll sein, ist der Wissenschaftler überzeugt.
In der kreisfreien Stadt Augsburg gab es bereits ein entsprechendes Projekt – und das verlief nach Angaben der Stadt „nicht besonders erfolgreich“. Ursache dafür sei vor allem der große Aufwand gewesen, heißt es. Zum einen habe man die Menschen erst anlernen und später auch überwachen müssen, dass sie auch tatsächlich arbeiten. Mitunter wird auch beanstandet – etwa bei der Pflege der städtischen Grünflächen – dass mit einem Stundenlohn von weniger als 1 Euro die örtlichen Gartenbaubetriebe nicht konkurrieren könnten. „Die Verpflichtung auf 80-Cent-Jobs ist ein populistisches Signal, aber meistens ein großer Flop. Das liegt daran, dass es praktisch schwer umzusetzen ist und die verfügbaren Arbeiten meist eben keinen integrativen Effekt haben“, meint auf Nachfrage Stephan Duennwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat. Geflüchtete bräuchten „zügig Integrationskurse, dann haben sie die Deutschkenntnisse, auch eine ordentliche und bezahlte Arbeit zu finden und auszuüben“.
(André Paul)
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