Die zweite Juli- und die erste Augusthälfte boten zwar eher kühl-nasse Temperaturen. Doch neue brutale Hitzesommer sind nur eine Frage der Zeit und die Kommunen müssen sich drauf einstellen. Straubing ist dabei Vorreiterstadt, wovon sich auch Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) überzeugte. Er betreut das Thema federführend.
Frieren statt Schwitzen war Anfang August in Bayern angesagt – ausgerechnet dann, als sich Gesundheitsminister Klaus Holetschek in Straubing ankündigte, um sich über ein ganz besonderes Modellprojekt zum Thema Hitze zu informieren. Doch die nächste Sahara-Phase kommt bestimmt, und dann sind auch die Städte und Gemeinden besonders gefragt: Der Klimawandel erfordert es, dass sie Konzepte entwickeln, wie sie ihre Bürger bei heißen Temperaturen schützen können. Straubing nimmt hier eine Vorreiterrolle ein.
In der rund 50 000 Bewohnende zählenden Kommune wird das bayerische Hitzeschutz-Modellprojekt HitziG mit dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) und mit der Gesundheitsregion plus Straubing durchgeführt. Über die zahlreichen Maßnahmen informierte sich der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) bei seinem Rundgang durch die Stadt mit Oberbürgermeister Markus Pannermayr (CSU). Die Ergebnisse aus Straubing sollen anderen Städten und Gemeinden zugutekommen und auch wissenschaftlich aufbereitet werden. Der Freistaat fördert das Projekt mit rund 107 000 Euro.
Feiner Sprühregen aus zwei Säulen am Theresienplatz
Bei Holetscheks Besuch war der feine Sprühregen nicht erforderlich, der am Straubinger Theresienplatz aus zwei Säulen kommt und die Bürger erfrischen soll. Normalerweise ist die Sprühnebelanlage auch bei solch einem Wetter ausgeschaltet, doch extra für den Gesundheitsminister gab es trotz des eiskalten niederbayerischen Nieselwetters eine kleine Vorführung der von der Stadt Straubing selbst gebauten Kühlmacher.
Die Anlage ist nur eine von vielen Maßnahmen, welche die Stadt Straubing im Rahmen ihres druckfrischen Hitzeschutzkonzeptes eingeführt wurde. Zuvor wurden auch die Bürger*innen im zurückliegenden Dezember und Januar befragt, was sie sich im Hochsommer wünschen. Rund 450 Straubinger antworteten. Wie Simon Wagner, der mit der Projektumsetzung betraute Mitarbeiter der Stadtverwaltung Straubing, erklärt, sind dadurch einige ursprüngliche Ideen verworfen worden. Sie wurden von den Bürger*innen als nicht relevant eingestuft. Andere sind stattdessen dazugekommen.
„Das entstandene Konzept ist aber dynamisch und kann und wird sich verändern“, erklärt der Rathausbeschäftigte. Vieles ist darin bereits festgeschrieben, gebannt in einen 20 Seiten starken Schnellhefter – und vieles ist auch schon in der Praxis umgesetzt. Ein erster Trinkbrunnen mit kostenlosem Trinkwasser ist derzeit in Betrieb, weitere sollen folgen, auch außerhalb des Zentrums. Es gibt eine Kommunikationskaskade, mit der das Gesundheitswesen und die Lokalpresse informiert wird, dass große Hitze bevorsteht.
Auch die sogenannten Hitzepaten werden dann informiert. Rund 20 Ehrenamtliche haben sich schon beim Freiwilligenzentrum Straubing gemeldet, um für die sogenannten vulnerablen Gruppen, denen heiße Temperaturen gesundheitlich schaden, da zu sein. Eine von ihnen ist Christine Ratgeber. Die Straubingerin kümmert sich um ein älteres Ehepaar. Regelmäßig lässt sie sich einen Einkaufszettel geben, um für die an leichter Demenz leidende Rentnerin und ihr Ehemann, der ebenfalls im Hochsommer nicht so fit ist, einzukaufen. „Das sind so liebenswerte Menschen. Ich rede dann immer noch mit ihnen, wir tauschen Neuigkeiten aus und ich frage sie, ob sie auch genug getrunken haben. Es macht Unmengen von Spaß und ich kann jemandem eine Freude machen“, begeistert sich die Hitzepatin.
"Es kommt auch menschliche Wärme in die Stadt“
„Über das Thema Hitze kommt so auch menschliche Wärme in die Stadt“, lobt OB Pannermayr Ratgebers Initiative. Zwei Bausteine des Handelns sind ihm in Zeiten der Klimaveränderung wichtig: Kohlendioxid einzusparen, um den Klimawandel einzubremsen, aber auch Maßnahmen zu ergreifen, um mit dem bereits erfolgten Temperaturanstieg zurechtzukommen. Dabei wolle Straubing eine Vorreiterrolle einnehmen.
Neben kurzfristigen und mittelfristigen Maßnahmen gibt es auch längerfristige Pläne wie die Begrünung von Fassaden und die Flächenentsiegelung. Das kostet natürlich Geld, räumt Pannermayr, der zugleich auch Präsident des Bayerischen Städtetags ist, freiweg ein. Er nannte daher die Städtebauförderung als enorm wichtig, auch in der Zukunft - ohne sie seien Projekte wie zum Beispiel die über drei Millionen Euro teure Entsiegelung eines Baches im Straubinger Stadtgebiet nicht finanzierbar, die durch ein Bundesprogramm erst in greifbare Nähe gerückt ist.
Es sei längerfristig noch vieles in der Gäubodenstadt geplant – unter anderem Bäume zu pflanzen, mehr Sitzmöglichkeiten zu schaffen und eine Wasserfläche am Stadtplatz mit vier großen Bäumen umzusetzen. Die Rückmeldung der Bürger zu den ersten umgesetzten Bausteinen sei sehr positiv. Das beobachtet auch der Ideengeber des Modellprojekts, Straubings Bürgermeister Albert Solleder (CSU), selbst Arzt. Er betont ferner die Bedeutung der wissenschaftlichen Evaluierung und Begleitung durch das LGL. Caroline Herr, Amtsleiterin Gesundheit beim LGL, führt aus: „Immer wieder bekommen wir die Rückmeldung von Kommunen in Bayern, dass es schwierig falle zu entscheiden, wo man vor Ort beginnen könne. Daher werden wir die Erkenntnisse, die wir im Prozess in Straubing gewonnen haben, als Ergänzung zu unserer Toolbox zur Verfügung stellen.“
Befragung liefert wertvolle Ansatzpunkte
Eine Befragung könne wertvolle Ansatzpunkte liefern und helfen, die Perspektive der Bevölkerung zu berücksichtigen. „Wie eine Befragung aussehen kann und welche Wege es gibt, um eine solche umzusetzen, wird Teil unserer Hilfestellung sein“, sagte sie. Am LGL sei zu diesem Themenkomplex erst eine Arbeitsgemeinschaft, nun ein Kompetenzzentrum gegründet worden. „In Straubing haben wir nun erstmals die Möglichkeit, in die Praxis zu gehen und das ist sehr wertvoll für uns“, urteilt Herr. Es gehe darum, die Teilnehmenden im Gesundheitsbereich zu vernetzen und auszuloten, was überhaupt auf die Region an Auswirkungen des Klimawandels zukomme und welche Maßnahmen dann sinnvoll seien.
Durch das Kompetenzzentrum wird ihren Worten nach einer Vielzahl von Fragen nachgegangen, die der Klimawandel aufwirft - zum Beispiel, wann die meisten Notfalleinsätze stattfinden, welche Pollen nun häufiger vorkommen ob sich dies auf Allergiker auswirkt oder auch, welche neuen Stechmücken auftreten und welche Krankheiten sie übertragen. „In Straubing sehen wir anhand konkreter Maßnahmen, wie diese bei den Bürgern ankommen und was sie nützen.“
Gesundheitsminister Holetschek zeigte sich angesichts des Geschauten begeistert, was in der Stadt bereits umgesetzt wurde: „Es ist beeindruckend, was hier auch mit den Bürgern entstanden ist. Mit so einem Maßnahmenbündel erreicht man mehr als nur eine eindimensionale Wirkung und es bringt viel mehr für den Klimaschutz, als sich irgendwo festzukleben.“, ist er sich sicher. Besonders lobte der Ressortchef auch den kreativen Ansatz in der Stadt durch Projekte wie die selbst gebaute Sprühnebelanlage. Pannermayr ist sich bewusst: „Wir werden dauerhaft mit den Auswirkungen des Klimawandels leben müssen. Das ist gerade auch eine kommunale Aufgabe. Straubing freut sich sehr, hier vordenken zu dürfen.“
(Melanie Bäumel Schachtner)
Bildunterschrift zum Foto im Textu
Christine Ratgeber ist Teil des Hitzeschutzkonzepts, das sie in den Händen hält: Sie kauft als Hitzepatin für ein älteres Ehepaar ein. (Foto: Bäumel-Schachtner)
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