Computer und Tablets sind nicht nur zum Spielen da - das lernen Kinder aus dem niederbayerischen Abensberg bereits von der ersten Klasse an. Selbst schreiben lernen die Mädchen und Buben hier digital. Ein Projekt, das nicht nur Befürworter findet.
Als in der Grundschule Offenstetten im niederbayerischen Abensberg der Gong ertönt und die Schulstunde beginnt, holen die 17 Kinder der dritten Klasse statt Stiften und Heften ihre Tablets aus dem Schulranzen. Klassenlehrerin Diana Metz nimmt mit ihnen gerade das Auge durch. Die Mädchen und Buben loggen sich ins virtuelle Klassenzimmer ein und los geht es. Die Grundschule Offenstetten im Landkreis Kelheim nimmt am Schulversuch "Digitale Schule 2020" der Stiftung Bildungspakt Bayern teil. Dessen Ziel ist es, digitale Medien in Lehr- und Lernprozesse einzubinden. Das Projekt erstreckt sich über drei Schuljahre und findet an jeweils zwei Grund-, Mittel- und Realschulen sowie Gymnasien im Freistaat statt.
Wie kann das Auge sehen? Statt mithilfe eines Lehrervortrags erarbeitet sich die Klasse die Antwort weitgehend selbst - und zwar digital. Über sogenannte QR-Codes können die Schüler die jeweiligen Materialien auf ihrem Tablet abrufen. Sie verwenden ein Hörspiel, einen Text und ein Arbeitsblatt, das die Schüler am Tablet selbst ausfüllen. Zum Abschluss müssen sie in eigene Worte fassen, wie der Sehvorgang funktioniert. Dafür kombinieren sie Grafiken, Bilder und Tonspuren zu einem Video. Für Metz ist das eine Möglichkeit zu überprüfen, ob die Kinder den Stoff verstanden haben.
Das Schreiben mit dem Füller wird nicht ersetzt
Das digitale Erstellen eigener Videos, Arbeitsblätter und E-Books haben die Schüler bereits in der ersten Klasse gelernt. Lehrerin Cornelia Wiedorfer-Raith legte den Grundstock dafür. "Spätestens zwei Wochen nach der Einschulung beginnen wir mit der Arbeit an Tablets", erklärt sie. Nach und nach zeige sie den Schülern verschiedene Apps und wie man damit arbeite. Auch Schwung- und Schreibübungen erledigen die ABC-Schützen digital - mit einem speziellen Stift auf dem Tablet.
Wiedorfer-Raith ist von der App überzeugt: "Das Programm kontrolliert die Bewegungsabläufe der Kinder und gibt ihnen sofort Rückmeldung. Das könnte ich als Lehrerin für eine ganze Klasse in diesem Ausmaß nicht alleine leisten." Das Tablet ersetze aber nicht das Schreiben mit dem Füller. Deshalb übe die digitale Klasse auch auf Papier.
Die Nürnberger Medienpädagogin und Sprachentwicklungsexpertin Stephanie Müller kann als ehemalige Grundschullehrerin die Vorteile der Schreiblern-App nachvollziehen, weiß aber: "Tablets und die speziellen Tab-Stifte sind nicht ausgereift genug, um mit Papier und Füller mithalten zu können." Damit Schüler Schrift, Sprache und Zeichen sicher erlernen, müssten das Gehirn und die Muskulatur der Hand viele hochkomplexe Entwicklungsschritte lernen und einüben. Auf diese Weise würden in den ersten zehn Lebensjahren wichtige Denkschneisen im Gehirn erzeugt.
Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands ist skeptisch
Dazu tragen auch Sinneseindrücke beim Führen eines Stifts über Papier und die Stifthaltung bei. "Ein Füller verzeiht mir eine falsche Haltung nicht, Touchpen-Stifte hingegen kann ich halten wie ich will", sagt Müller. Gerade weil Schreibentwicklung auch Gehirnentwicklung sei, plädiert sie für die Beibehaltung der Handschrift, am besten mit Füller auf Papier. "Touchpen und Tippen allein können das nicht leisten." Diese Meinung vertreten auch die Lehrerinnen der Grundschule Offenstetten.
Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, ist ebenfalls skeptisch. "Ich bin der Überzeugung, dass wir die Schüler auf ein Leben in einer immer stärker digitalisierten Gesellschaft und Berufswelt vorbereiten müssen. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass der Einsatz von Tablets und Computern an Grundschulen eher hinderlich ist, Kindern die elementaren Kulturtechniken des Lesens, Schreibens und einfachen Rechnens beizubringen."
Die Einwände sind dem Kollegium an der Grundschule Offenstetten nicht fremd. "Wir lernen stets dazu und sammeln Erfahrungen", sagt Schulleiterin Liane Köppl. Digitale Medien seien sicher nicht an jeder Stelle im Unterricht geeignet, ergänzt Wiedorfer-Raith. "Apps sind kein Allheilmittel und weniger ist oftmals mehr." Im Unterricht setze sie nur wenige, dafür sorgfältig ausgewählte Apps ein. Dass Tablets dennoch bald in allen Grundschulen Einzug halten werden, davon ist Köppl überzeugt: Digitale Medien gehörten zur Alltagswelt der Schüler dazu - und damit auch ins Klassenzimmer. (Claudia Rothhammer, dpa)
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