Als sie 1994 von der Politik ins Leben gerufen wurde, war sie nicht unumstritten: Die sogenannte Sicherheitswacht, bei der Bürger auf Streife gehen und nach dem Rechten sehen. Heute sind bayernweit 870 Angehörige der Sicherheitswacht in insgesamt 131 Kommunen unterwegs, darunter auch rund 300 Frauen. Sie haben sich nach Meinung des bayerischen Innenministeriums bewährt und das ehrenamtliche Bürgerengagement soll sogar ausgebaut werden.
„Bis 2020 wollen wir die Zahl der Sicherheitswachtangehörigen bayernweit auf 1500 aufstocken“, verkündete der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) im September bei einer Landeskonferenz. Auch die Ausrüstung soll verbessert werden. So wird es künftig modernere einheitliche Einsatzjacken geben. Acht Euro Aufwandsentschädigung gibt es übrigens für die Mitglieder der Sicherheitswacht pro Stunde.
Mit dabei bei der Sicherheitswacht ist Josef Eckermann. Der 66-Jährige greift in der Polizeiinspektion 24 am Adenauerring 31 in München-Neuperlach nach seiner blauen Jacke mit der Aufschrift „Sicherheitswacht“ und schlüpft hinein. Sein Kollege Detlef Bräuer (60) wartet schon an der Tür. Noch ein Blick in den Wachraum zu den dort diensthabenden Polizisten, dann sind beide bereit für den heutigen Streifzug durch das Viertel. Draußen wirbelt ein kalter Wind die Blätter durch die Luft. „Ich denke, wir gehen heute mal in diese Richtung“, sagt Eckmann und deutet auf einen Wohnblock, dann geht es los, kreuz und quer durch das Hochhausviertel im Südosten der Landeshauptstadt.
Die Ausrüstung: Ausweis, Handy und Trillerpfeife
Das Team überquert die Straße zu einem der großen Wohnblocks wie es hier im Viertel viele gibt. „Das Reden mit den Leuten ist ungemein wichtig“, erzählt Detlef Bräuer aus seiner Erfahrung, denn: „Unsere Bewaffnung ist unser Mundwerk.“ Ansonsten haben die beiden Senioren auf Streife einen Dienstausweis, eine Trillerpfeife und ein Diensthandy dabei. Damit wird sofort die Polizei gerufen, wenn Gefahr in Verzug ist.
Das Sicherheitsduo kennt sich von früher, sie waren im gleichen Unternehmen beschäftigt. Jetzt ist Bräuer im Vorruhestand und ebenso wie seinem Kollegen geht es ihm um eine sinnvolle Tätigkeit. „Ich war im Vertrieb“, erzählt er, „und kann mit Menschen umgehen.“
Das alleine aber reicht noch nicht aus. „Wer mitmachen will, muss eine Schulung von 40 Unterrichtseinheiten durchlaufen“, erläutert Polizeihauptkommissar Walter Schmitz. Der 54-jährige Beamte ist an der Polizeiinspektion 24 für die Sicherheitswacht zuständig. Derzeit gibt es hier vier „Aktive“, neben den beiden Männern gehen auch zwei Frauen auf Streife. Schmitz macht seit 1999 Dienst an der „PI 24 Perlach“ und kennt das Viertel.
Die Kriminalität ist ähnlich wie in anderen Münchner Stadtvierteln. Es gibt ein paar Ladendiebstähle, Raubüberfälle, Wohnungseinbrüche und aufgebrochene Autos. Der Stadtteil ist geprägt durch die großen Wohnblocks, die hier in den 1970er Jahren im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus errichtet wurden. Und wie oft in diesen Trabantenstädten fehlen Freizeit-Einrichtungen für Jugendliche, Kinos, Kneipen. So entwickelte sich das örtliche Einkaufszentrum zum Treffpunkt und Kommunikationsraum, was zum Beispiel Taschendiebe ausnutzen.
Nicht mehr Rechte als jeder andere ganz normale Bürger
„Aber das ist privates Gelände“, erklärt Josef Eckmann, die Betreiber des Einkaufszentrums haben einen eigenen Sicherheitsdienst. Die Sicherheitswacht soll vor allen in großen Wohnsiedlungen, in öffentlichen Parks und Anlagen, an Bushaltestellen und U-Bahn-einstiegen präsent sein.
Die Rechte der Sicherheitswacht sind zunächst die gleichen wie bei jedem anderen Bürger: Sie dürfen einen auf frischer Tat angetroffenen Straftäter bis zum Eingreifen der Polizei festhalten, wobei aber die „Eigensicherung“ wie Detlef Bräuer sagt, im Vordergrund steht. Über diese Bürgerrechte hinaus dürfen die Angehörigen der Sicherheitswacht Personen anhalten, sie befragen und ihre Personalien feststellen, wenn dies zur Gefahrenabwehr notwendig ist. Außerdem können sie einen Platzverweis erteilen, also einer Person anweisen, sich zu entfernen.
Mittlerweile ist es kurz nach 12 Uhr und das Team ist an der Europäischen Schule in Neuperlach angekommen. Hier lernen Kinder von Mitarbeitern des Europäischen Patentamtes oder der EU. Abseits des Schulgeländes treffen die beiden Männer auf eine Gruppe Schüler, einige rauchen. Das ist der Anlass für Detlef Bräuer, mit den Jugendlichen ins Gespräch zu kommen, er lässt sich auch die Ausweise zeigen. Doch es ist alles in Ordnung, alle Schüler sind über 16 Jahre alt. „Das ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich kontrolliert wurde“, sagt einer der Jugendlichen.
Nach jedem Einsatz ein Meldezettel für die Polizei
Weiter geht die Tour durch den nahen Park. Auf einer Bank sieht Josef Eckmann eine verwaiste Tasche stehen, er kontrolliert den Inhalt. Doch es sind nur Spielsachen drin, „hat wohl jemand vergessen“, folgert er. Spielplätze sind eines der Objekte, die von der Sicherheitswacht kontrolliert werden. Liegen irgendwo gebrauchte Spritzen umher? Denn das Viertel hat mit Drogenproblemen zu kämpfen. „Es wird so ziemliche alles konsumiert“, sagt Polizeihauptkommissar Schmitz.
Doch die Mitglieder der Sicherheitswacht halten auch sonst die Augen offen. „Wir beobachten schon mal Männer, die an den Spielplätzen mit Fotoapparaten herumstehen“, sagt Detlef Bräuer. Auch Radfahrer, die in die falsche Richtung fahren, werden ermahnt. Aber generell gehe es vor allem um die Präsenz, „dass die Leute wissen, wir sind da“, sagt Josef Eckermann.
An der Thomas-Dehler Straße kommt das Team noch an einer kleinen Müllhalde vor einem Wohnblock vorbei. Handwerker haben die Überreste eines alten Heizkessels auf den Grünstreifen gekippt: eine Ordnungswidrigkeit, man wird eine Meldung machen müssen. Noch zwei Stunden werden die beiden Männer im Viertel unterwegs sein. Anschließend werden sie für die Polizei einen Meldezettel mit den Vorkommnissen ausfüllen.
Die beiden Senioren wollen auch künftig gemeinsam auf Streife gehen. Mittlerweile hat das Innenministerium das Höchstalter für Mitglieder der Sicherheitswacht von 65 auf 67 Jahre angehoben. Das Mindestalter beträgt 18 Jahre und man sollte mindestens fünf Stunden pro Monat zur Verfügung stehen. (Rudolf Stumberger)
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