Kommunales

Der Ruf-Bus funktioniert ohne Fahrplan, nur nach tatsächlichem Bedarf. (Foto: Burger)

07.09.2018

Warten auf den On-Demand-Service

Freyung will Vorreiter bei der digitalen Mobilität im ländlichen Raum werden – woran es noch hakt

Als „Weltpremiere im Bayerischen Wald“ war das große Ereignis für Freyung im Internet angekündigt worden: „Stadt und Startup fahren gemeinsam in die Zukunft.“ Wegen der digitalen Zukunft der ländlichen Welt findet die deutsche Sprache dabei kaum Verwendung. Angeblich geht es um „den bundesweit ersten On-Demand-ÖPNV-Service im ländlichen Raum“ – nämlich FreYfahrt-Shuttle per App im Smartphone. Das Projekt wurde vom Technologie-Unternehmen „door2door“ aus Berlin mit Förderung des Freistaats in der Bayerwaldstadt gestartet.

Auf Deutsch heißt das Digital-Kauderwelsch: Auf 229 Hektar Verkehrsfläche der Kreisstadt Freyung kann nun jeder über 18-Jährige der 7224 Einwohner oder Urlauber eine spezielle App auf sein Smartphone laden. Damit kann man einen von zwei Shuttle-Bussen für acht Personen auf 320 Abholpunkten (ohne Haltestellen) fast an seine Haustüre bestellen: nur das Ziel eingeben, wo man abgeholt und abgesetzt werden möchte. Wer sich in gleicher Richtung anmeldet, wird aufgelesen. „Ein intelligenter Algorithmus berechnet im Hintergrund den idealen Weg und die optimale Rideshare“, erklärt door2door. Gemeint ist die Einteilung der günstigsten Route für alle Mitfahrer.

Die Präsentation des Modell-Projekts vor fünf Vertretern der „Weltpresse“ erfolgte im August standesgemäß im Freyunger Technologie Campus. Ihrer Freude, nach einem Jahr Vorbereitung beim Startup dabei sein zu dürfen, gaben nacheinander die fünf Protagonisten am Podium Ausdruck: als Initiator Bürgermeister Olaf Heinrich (CSU), Bayerns Verkehrsstaatssekretär Josef Zellmeier (CSU) als Förderer, sowie Geschäftsführer Tom Kirschbaum von der Firma door2door, Landrat Sebastian Gruber (CSU) und Stefan Prager, Juniorchef der Busfirma, die jetzt hier neben dem City-Bus auch den „FreYfahrt“-Bus betreibt.

Alle erhoffen sich vom Rufbus – ohne Fahrplan, nur nach tatsächlichem Bedarf – eine Verbesserung der Mobilität innerhalb der Dörfer und Ortsteile im Stadtgebiet, sowie einen Beitrag zum Umweltschutz durch Reduzierung des individuellen Autoverkehrs. Mit den Taxi-Unternehmern sei alles abgesprochen, beteuerte Bürgermeister Heinrich, räumte aber Anlaufprobleme ein. Wie recht er hat, stellte sich schnell heraus.

Für die Benutzer des Rufbusses wurde ein eigenes Faltblatt erstellt, in dem das „On-Demand-System“ so einfach erklärt wird wie etwa das Brettspiel „Fang den Hut“. Dieser Flyer, der schon tags zuvor am Seniorennachmittag gleich verteilt worden war, setzt jedoch voraus, dass jeder Mensch in Freyung ein Smartphone besitzt, sich die App herunterladen und damit den Bus bestellen kann. Die Frage, ob es in einer Region, die immer noch an Überalterung leidet, auch Menschen aus vordigitalen Zeiten gibt, hat alle fünf Protagonisten offensichtlich überrascht.

Bürgermeister Heinrich betonte zwar, man könne zumindest am Anfang auch noch ohne eigenes Smartphone über die Rathaus-Zentrale den „FreYfahrt“-Shuttle telefonisch bestellen. Darüber steht jedoch im Flyer weder ein Wort noch eine Telefonnummer. Diese wurde dann erst in der Lokalzeitung bekanntgegeben, aber schon am nächsten Tag gleich wieder geändert: Die Umweg-Vermittlung über Telefon und Rückruf übernimmt das Büro vom „Ferienpark“. Auch der Name „FreYfahrt“ täuscht, denn jede Fahrt kostet einheitlich 2,90 Euro – mehr als der Citybus, aber weniger als ein Taxi. Das mag eher Touristen wundern, die Freyunger kennen das Y als Markenzeichen, mit dem man das „FreYbier“ am Volksfest auch nicht gratis trinkt.

Die Betriebszeiten sind mit einer Ausnahme an Werktagen vormittags von 9 bis 13 Uhr. Da sind die meisten Nutzer von Smartphones am Arbeitsplatz oder in der Schule und eher ältere Leute brauchen einen Transport zum und vom Einkaufen, Busbahnhof, Arzt oder Apotheke. Die absehbar defizitären Betriebskosten von geschätzten gut 30.000 Euro pro Jahr werden immerhin zunächst für drei Erprobungsjahre zu 70 Prozent vom Freistaat gefördert.
(Hannes Burger)

Kommentare (3)

  1. Khopelli am 11.04.2019
    Ja ok
  2. Markus am 09.09.2018
    Das Freyunger Vorhaben „Personenbeförderung bei Anforderung auf Abruf“ könnte bei erster Betrachtung als utopisch bezeichnet werden. Andererseits sind gewisse Anlaufschwierigkeiten bei einem Projekt nie auszuschließen.

    Möglicherweise sind jedoch die dafür vorgesehenen Nutzer vorab nicht ausreichend eingebunden worden.

    Was würde denn dagegen sprechen, die an der Projektteilnahme interessierten Bürger mit den notwendigen technischen Geräten (z.B. Smartphone) kostenfrei auszustatten und sie dann weiter als Probanden zu führen?.
    Die Erfahrungen der Probanden würden dann relativ schnell belastbare Erkenntnisse zu den wirklichen Erfolgsaussichten des Projektes bringen.
  3. Markus am 09.09.2018
    Das Freyunger Vorhaben „Personenbeförderung bei Anforderung auf Abruf“ könnte bei erster Betrachtung als utopisch bezeichnet werden. Andererseits sind gewisse Anlaufschwierigkeiten bei einem Projekt nie auszuschließen.

    Möglicherweise sind jedoch die dafür vorgesehenen Nutzer vorab nicht ausreichend eingebunden worden.

    Was würde denn dagegen sprechen, die an der Projektteilnahme interessierten Bürger mit den notwendigen technischen Geräten (z.B. Smartphone) kostenfrei auszustatten und sie dann weiter als Probanden zu führen?.
    Die Erfahrungen der Probanden würden dann relativ schnell belastbare Erkenntnisse zu den wirklichen Erfolgsaussichten des Projektes bringen.
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