Kommunales

Friedhofspflegearbeiten, die für die Kirchen erbracht werden, können bald nicht mehr unter dem Begriff Beistandsleistung laufen. Auch sie werden künftig umsatzsteuerpflichtig. (Foto: dpa/Holger Hollemann)

14.05.2021

Wenn die Umsatzsteuer bei Kommunen zuschlägt

Gesetzesnovelle des Bundes führt bei Städten und Gemeinden ab dem Jahr 2023 zu Mehrbelastungen

Die ab dem Jahr 2023 umzusetzende Neuregelung der Umsatzsteuer beschäftigt die Kommunen nach wie vor. Durch die Kopplung der Besteuerung an die Körperschaftsteuer waren juristische Personen des öffentlichen Rechts bisher nur in Fällen des Vorliegens eines Betriebs gewerblicher Art umsatzsteuerpflichtig. Dies hat sich durch die Einführung des § 2b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) grundlegend geändert. Die Änderung war erforderlich, um das nationale Umsatzsteuerrecht an europarechtliche Vorgaben der Mehrwertsteuersystemrichtlinie anzupassen. Danach gilt es, den Grundsatz der Wettbewerbsneutralität umzusetzen, der besagt, dass alle von der öffentlichen Hand erbrachten Leistungen der Besteuerung unterliegen, wenn diese im Wettbewerb mit Privaten am Markt angeboten werden.

„Wir haben hier gemeinsam mit den 29 Dienststellen und zwei Eigenbetrieben in einer eineinhalbjährigen Bestandsaufnahme alle Einnahmen der Stadt Erlangen durchleuchtet“, sagt Steuerexpertin Anne-Katharina Keyser von der Kämmerei der Stadt Erlangen. Dabei ging es – und teilweise geht es immer noch – um die Bewertung, ob die dort erbrachten Dienstleistungen insbesondere für die Bürgerschaft zukünftig umsatzsteuerpflichtig werden oder nicht.
„Es muss auch entschieden werden, inwieweit die Umsatzsteuer an die Leistungsempfänger weitergereicht werden kann – weil die Leistungsempfänger vorsteuerabzugsberechtigt sind – oder inwieweit die Stadt Erlangen auf den dadurch entstehenden zusätzlichen Kosten sitzen bleiben wird, weil sie diese nicht auf die leistungsempfangenden Bürger abwälzen will“, erklärt Keyser.

Vorsteuerabzugsberechtigte Leistungsempfänger, an die die Umsatzsteuer weitergereicht werden kann, sind beispielsweise Fotoautomaten-Platznehmer. Diesen gestattet die Stadt die Aufstellung von Speed-Capture-Stationen in den Räumen des Ordnungsamts und erhält dafür ein Gestattungsentgelt.

200.000 Euro mehr pro Jahr

Insgesamt rechnet Keyser durch die Steuerumstellung mit einem zusätzlichen an das Finanzamt abzuführenden Umsatzsteuervolumen von 200.-000 Euro pro Jahr für die Stadt Erlangen. „Die Bemessungsgrundlage – das heißt die Einnahmen der bisher nicht umsatzsteuerrelevanten, aber künftig steuerpflichtigen Leistungen – beträgt 1,1 Millionen Euro“, so die Steuerexpertin der Stadt Erlangen.

Kommunale Leistungen wie Kindertagesstätten, Kindergärten Jugendkunstschule, Musikschule oder der Bücherbus der Stadtbibliothek unterliegen auch weiterhin nicht der Umsatzsteuer. Aber Bürgerreisen in die Partnerstadt Jena zum Beispiel werden umsatzsteuerpflichtig. „Bei diesen Leistungen wird die Stadt jedoch die in der Vorstufe erbrachten Leistungen Dritter – wie zum Beispiel Bus-Charter – netto in der Kalkulation berücksichtigen können, da die Stadt insoweit vorsteuerabzugsberechtigt sein wird“, erklärt Keyser.

Von der Neuregelung erfasst werden auch die Friedhofspflegearbeiten, die für die Kirchen erbracht werden. Diese können nicht mehr unter dem Begriff Beistandsleistung laufen. Auch sie werden künftig umsatzsteuerpflichtig. „Das liegt daran, dass diese Arbeiten ja auch private Dritte, also zum Beispiel Gärtnereibetriebe, übernehmen könnten“, verdeutlicht Keyser.

Keyser ist im engen Austausch mit allen städtischen Dienststellen und gibt Handlungsempfehlungen. Je mehr für die kommunalen Leistungen an Material eingekauft werden muss, umso geringer schlägt danach die Umsatzsteuer bei der Stadt zu Buche. Denn für das Material kann die Vorsteuer abgezogen werden. „Somit läuft der Materialeinkauf steuerlich gegen die erbrachten Leistungen“, erklärt Keyser. Doch bei personalintensiven kommunalen Dienstleistungen funktioniert dieser Mechanismus nicht.

Selbst umsatzsteuerbefreite Leistungen machen Keyser und ihren Kollegen viel Arbeit. Denn bei der Umsatzsteuervoranmeldung müssen auch diese Leistungen mitangegeben werden. Am idealsten läuft es für eine städtische Dienststelle, wenn ihre auf öffentlich-rechtlicher Grundlage erbrachten Leistungen nicht marktrelevant sind – das heißt nur von der öffentlichen Hand erbracht werden können – oder pro Jahr den Wert von 17 500 Euro nicht übersteigen. Denn dann sind diese Leistungen nicht umsatzsteuerrelevant. Bis zum Jahr 2023 hat der Bundesgesetzgeber den Kommunen wegen der Corona-Pandemie noch Schonfrist zur Anwendung der Neuregelung eingeräumt. Da es bei der Vielzahl kommunaler Leistungen aber immer wieder neue Konstellationen gibt, wird Steuerexpertin Keyser auch die nächsten Jahre gut zu tun haben. Denn der eine oder andere Fall wird erst im Laufe der Zeit auftauchen. Und dann ist erneut zu evaluieren, ob es ein Fall für die Umsatzsteuer ist oder nicht. (Ralph Schweinfurth)

 

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