Kommunales

Bei der Bürgermeisterinnenversammlung in Enkering wurde klar, dass nur 10 Prozent aller Bürgermeister in Bayern weiblich sind. Eine Tatsache, die auch Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Landtags-Grünen (im blauen Kleid), ändern will. (Foto: Schweinfurth)

26.07.2024

Wie der weibliche Blickwinkel hilft

Bayerns Bürgermeisterinnen wollen für mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt sorgen und mehr Frauen für das Spitzenamt in den Rathäusern begeistern

Das gesellschaftliche Klima hat sich verändert – besonders seit Corona“, sagte Kindings Erste Bürgermeisterin Rita Böhm (CSU). Die intakte Dorfgemeinschaft leide unter den sozialen Medien. Dort träfen sich die Menschen anstatt in den Vereinen, beklagt die seit 1990 amtierende Gemeindechefin. „Die Menschen sind in ihrer Facebook-Blase statt am Stammtisch“, beklagte Kathrin Alte (CSU), Erste Bürgermeisterin von Anzing (Landkreis Ebersberg). Wie man den gesellschaftlichen Zusammenhalt wieder stärken kann, diskutierten diesen Mittwoch in Kindings Ortsteil Enkering (Landkreis Eichstätt) 50 Bürgermeisterinnen aus ganz Bayern.

So stellte Kathrin Alte die neue Nachbarschaftshilfe in Anzing mit über 50 Mitgliedern vor. Vorsitzende ist die Zweite Bürgermeisterin Sandra Reim, wodurch eine enge Anbindung ans Rathaus gegeben ist. Die Nachbarschaftshilfe ist ein Netzwerk aus Helfenden und Hilfesuchenden. Damit soll zu einem sozialen Miteinander in der Gemeinde beigetragen werden.

Mit dem Bürgertaxi für Alltagsmobilität sorgen

In Bad Hindelang (Landkreis Oberallgäu) hat man die Bürgerschaft eingebunden. So berichtete Sabine Rödel, Erste Bürgermeisterin der Marktgemeinde, dass auf diese Weise ein kostenloser ÖPNV für Einheimische und Gäste eingerichtet wurde. Klimaneutralität bis 2040 via kommunaler Wärmeplanung, Besucherlenkung, ein intelligentes Parkleitsystem und eine Analyse, wo Einheimische bauen können, sind einige der realisierten Projekte aus dem fast zweijährigen Beteiligungsprozess.

Andrea Rothenbucher, Erste Bürgermeisterin der Gemeinde Hettstadt (Landkreis Würzburg), stellte das dortige Projekt Bürgertaxi und Mehrgenerationenarbeit vor. Seit zehn Jahren gibt es jetzt schon das Bürgertaxi. Rund 20 ehrenamtliche Fahrer*innen haben in diesem Zeitraum bereits 7400 Fahrten durchgeführt. Eine Fahrt kostet einen Euro und sorgt für Alltagsmobiliät in Hettstadt.

Beim Pressegespräch zum Bürgermeisterinnentreffen in Enkering wurde aber auch schnell deutlich, dass mehr Frauen für das Bürgermeisterinnenamt begeistert werden müssten. Denn gerade der weibliche Blickwinkel könne helfen, die Menschen wieder für mehr gesellschaftliches Engagement zu begeistern. Oftmals stemme eine Frau neben Familie und Beruf noch ein Ehrenamt.

Wie ein weiblicher Blickwinkel helfen kann, illustrierte Bürgermeisterin Rita Böhm: „Wir wollten in der Gemeinde einen Wasserspielplatz anlegen. Hierfür haben wir gezielt Frauen angesprochen, um das Projekt zu realisieren.“

"Nur 10 Prozent der Bürgermeister in Bayern sind weiblich"

Frauen auf dem Chefsessel im Rathaus sind in Bayern eher rar, obwohl Frauen die Hälfte der Bevölkerung ausmachen. „Nur 10 Prozent der Bürgermeister in Bayern sind weiblich. Damit sich das ändert, seien gezielte Unterstützung und Ermutigung potenzieller Kandidatinnen nötig“, betonte Bürgermeisterin Kathrin Alte, die auch Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft „Frauen führen Kommunen“ des Bayerischen Gemeindetags ist. Auch in Gemeinde-, Kreis- und Stadträten seien weniger Frauen vertreten als Männer, so Alte, die eine von 204 Bürgermeisterinnen bayernweit ist. „Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, dafür zu sorgen, dass mehr Frauen Bürgermeisterinnen werden.“ Alte fordert Innen- und Sozialministerium auf, dies zu unterstützen.

Anzings Bürgermeisterin verdeutlichte auch, dass Frauen immer noch die meiste Sorgearbeit in den Familien leisten, egal ob Kinderbetreuung oder das Kümmern um pflegebedürftige Angehörige. „Ich habe meiner Familie eingeschärft, mich nur im Notfall anzurufen, wenn ich arbeite. Einmal versuchte mich mein Sohn drei Mal zu erreichen und ich dachte, Wunder was passiert ist. Dabei war er nur auf der Suche nach seiner roten Schwimmbrille. Und mein Mann, der zu Hause war, wusste auch nicht, wo sie ist.“

Keine Sitzungen mehr bis Mitternacht

Mit dieser Anekdote beschrieb Alte, was es heißt, Familie und Beruf unter einen Hut zu kriegen. Damit dies funktioniert, müssten die nötigen Strukturen geschaffen werden. „Ich bin die Chefin im Rathaus und ich kann dafür sorgen, dass Sitzungen nicht bis Mitternacht gehen“, verdeutlichte sie die Gestaltungsmöglichkeiten einer Bürgermeisterin.

Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der Landtags-Grünen, betonte, dass die Landespolitik gefragt sei, Kinder- und Altenbetreuung auszubauen, damit sich mehr Frauen in der Kommunalpolitik engagieren können. „Es müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit Familie, Beruf und Ehrenamt vereinbar sind“, so Schulze.

Somit dürfte dem Siegeszug der Frauen bei der regulären Kommunalwahl am 8. März 2026 – sinnfälligerweise am Weltfrauentag – nichts mehr im Wege stehen. Mit dem Slogan „Bavaria ruft“, richteten Kathrin Alte und Katharina Schulze einen Appell an ihre Geschlechtsgenossinnen, für das Bürgermeisterinnenamt zu kandidieren.
(Ralph Schweinfurth)

 

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