Kommunales

Wie viel Platz sollen Autos in der Stadt haben? Foto: dpa

17.08.2024

Zoff ums Auto

Die FDP will autofreundlichere Innenstädte – in den Kommunen, bei Verkehrsexperten und beim Koalitionspartner stößt das Konzept auf wenig Begeisterung

Wenn eine Partei von einer Wahlschlappe zur nächsten eilt, versucht sie oft mit tatsächlich oder vermeintlich radikalen Forderungen zu polarisieren. Dieses bekannte Phänomen lässt sich gerade bei den Liberalen beobachten. Bei den meisten Erhebungen zu den anstehenden Landtagswahlen in Teilen Ostdeutschlands wird die FDP aufgrund extrem mieser Umfragewerte schon gar nicht mehr eigens aufgeführt – Zeit zu handeln. Die Liberalen glauben nun, indem sie sich als Sprachrohr der Autofahrer gerieren, insbesondere bei ländlichen Wählern zu punkten.

Die FDP verlangt eine Verkehrspolitik pro Auto und lehnt Umwandlungen von Straßen in Fahrrad- und Fußgängerzonen weitgehend ab. Innenstädte sollen für Autofahrer*innen durch kostenlose Parkmöglichkeiten oder ein günstiges Flatrate-Parken wieder attraktiver werden. Das sieht ein Beschluss des FDP-Präsidiums von dieser Woche vor. „Das Auto dürfe nicht bewusst benachteiligt werden, betont FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai.

„Dann müssten auch Autobahnen für Fußgänger freigegeben werden“

„Ein Kulturkampf einseitig gegen das Auto ist ein Kulturkampf gegen die Lebensrealität der Menschen insbesondere in Ländern wie Brandenburg und ländlichen Regionen“, sagt der brandenburgische FDP-Chef Zyon Braun. Er soll eine zur Verkehrspolitik eingesetzte Arbeitsgruppe der Liberalen leiten. Mit dem Vorstoß für kostenfreies Kurzzeitparken oder ein bundesweites Parkmodell nach dem Vorbild des 49-Euro-Tickets im öffentlichen Nahverkehr wolle man „dem Ausbluten der Städte etwas entgegensetzen“, sagt Braun.

Bei diversen Verkehrsfachleuten kommt der FDP-Vorstoß allerdings nicht gut an. Der renommierte Mobilitätsforscher Heiner Monheim sagt im BSZ-Gespräch: „Der Vorschlag der FDP ist reiner Populismus. Die Partei versucht aufgrund ihrer stark schwindenden Wählerschaft bei extremen Autofans Stimmen zu sammeln.“ Die Vorschläge seien „absurd“. Um die Ziele der Verkehrs- und Klimawende zu erreichen, bräuchten die Städte nicht mehr Autoverkehr, sondern stattdessen einen konsequenten Ausbau des ÖPNV und der Fahrradnetze. Der frühere Trierer Universitätsprofessor lehnt es ab, Fußgängerzonen für Autos freizugeben: „Mit dieser Logik müssten auch Radfahrer und Fußgänger Autobahnen benutzen dürfen – man schließt in bestimmten Bereichen eben oft andere Verkehrsmittel aus.“

Allerdings ist es ohnehin unwahrscheinlich, dass die FDP-Pläne umgesetzt werden. Denn auch FDP-Mann Braun räumt ein, dass der Bund die Kommunen lediglich auffordern könne, solche Maßnahmen zu ergreifen, weil insbesondere das Parkthema in ihre Zuständigkeit fällt. Doch auf kommunaler Ebene führen die Liberalen bekanntermaßen in zahlreichen Regionen ein Exotendasein. Und auch dort, wo man an der Macht ist, sorgt der Vorschlag der Parteizentrale selbst unter den eigenen Leuten nicht unbedingt für Jubel: Jenas FDP-Oberbürgermeister Thomas Nitzsche sagt: „Lebenswert wird eine Innenstadt, wenn Autos nicht im Weg sind.“

Selbst die Münchner FDP hält den Beschluss des FDP-Präsidiums für wenig hilfreich. Michael Ruoff, Stadtvorsitzender der FDP München, sagt: „Auto, Fahrrad, E-Scooter, U-Bahn, Bus und Trambahn sind alles legitime Verkehrsträger. Die Kunst kommunaler Verkehrspolitik besteht darin, diese pragmatisch zu vereinen. Daher lehnen wir die einseitige Fokussierung auf das Fahrrad wie von Grün-rot im Stadtrat betrieben ebenso ab wie die einseitige Förderung des Autos.“ Angesichts knappen Parkraums in Großstädten könne kostenloses Parken in Innenstädten nicht die Antwort einer Partei der Marktwirtschaft sein.

Dass SPD und Grüne wenig begeistert sind, ist derweil wenig überraschend. Nikolaus Gradl, verkehrspolitischer Sprecher der SPD/Volt-Fraktion im Münchner Rathaus, sagt der BSZ, er sei „entsetzt, dass die FDP derart veraltete Konzepte der Verkehrspolitik aus der Mottenkiste holt“. Detlef Müller, stellvertretender Chef der SPD-Bundestagsfraktion, bekräftigt zwar, dass das Auto gerade im ländlichen Raum der „Grundpfeiler der Mobilität“ sei und bleibe. Doch er ergänzt: „Mit ihrem Beschluss spielt die FDP Verkehrsträger gegeneinander aus und zeigt, dass sie verkehrspolitisch wieder in den 1970ern angekommen ist.“ Nötig sei ein „intelligenter Mix aus allen Verkehrsmitteln“. Auch Bayerns Landtags-Vizepräsident Ludwig Hartmann (Grüne) bescheinigt den Liberalen auf Anfrage „an veraltetem Denken festzuhalten“.

Schwieriges Verhältnis der FDP zur Peripherie

Doch nicht alle Punkte des FDP-Ansatzes stoßen auf breite Kritik. So sollen den Liberalen zufolge Grüne Wellen durch Digitalisierung und künstliche Intelligenz effektiver werden. Für Baustellen verlangt die FDP Arbeit auch an Wochenenden und in der Nacht sowie im Dreischichtbetrieb. Ihr Katalog enthält zudem bekannte Positionen wie den Verzicht auf ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen sowie auf angebliche Stilllegungspläne der EU-Kommission für Millionen Dieselfahrzeuge. Allerdings hat Brüssel erklärt, keine solchen Pläne zu verfolgen.

Zum Forderungskatalog der FDP gehört zudem, Jugendlichen ab 16 Jahren das begleitete Autofahren zu ermöglichen. Der ADAC begrüßt zwar diesen Vorstoß und die Forderung nach einer besseren digitalen Verkehrslenkung. Der Automobilclub kann sich aber nicht für die FDP-Idee begeistern, in Innenstädten dem Auto wieder Vorrang etwa vor Fahrrädern zu geben. Fahrradstraßen leisteten einen guten Beitrag, um die Verkehre stärker zu trennen und so die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden zu erhöhen. Und: „Wo heute schon Verkehrsprobleme aufgrund knapper Flächen bestehen, sollten Pull-Effekte für den Pkw vermieden werden.“

Klar ist: Ob der FDP-Vorstoß tatsächlich mehr Wählersympathien bringt, ist höchst zweifelhaft. Denn auf dem Land, wo die meisten Befürworter einer Pro-Auto-Politik leben, spielen die Liberalen in vielen Regionen schon lange keine Rolle mehr als politische Kraft. Dies gilt insbesondere in Ostdeutschland, aber auch in Bayern, wo die FDP kaum über 1 bis 2 Prozent der Stimmen hinauskommt. Da die Partei in anderen Punkten wie der Landwirtschaftspolitik oder der Entwicklung des ländlichen Raumes eine nicht gerade peripheriefreundliche Politik fährt, dürfte ihnen dieser Schritt nichts nutzen – zumal im Freistaat mit der CSU ohnehin eine Partei am Ruder ist, die seit Jahrzehnten so stark pro Kraftfahrzeuge agiert, dass sie das „C“ im Namen problemlos durch ein „K“ wie Kfz ersetzen könnte. Für eine weitere Autofahrerpartei dürfte zumindest in Bayern wohl kein Platz mehr sein. (Tobias Lill)

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