Kultur

Für Manuela Uhl als Danae gab es stehende Ovationen. Sie war kurzfristig eingesprungen. (Foto: Bayerische Staatsoper/Geoffroy Schied)

14.02.2025

Abgründige Dystopien und sinnlicher Originalklang

Starke Premieren: „Die Liebe der Danae“ in der Staatsoper, „Caligula“ am Volkstheater, „Sankt Falstaff“ am Residenztheater und „Alcina“ am Gärtnerplatztheater

Kunst ist keine Luxus-Deko, sondern lebensnotwendig für freiheitliche Demokratien. Sie klärt auf, bildet und schärft das Bewusstsein. In schwierigen Zeiten wie diesen ist das umso dringender, wie sich auch jetzt wieder zeigte.

Da ist die Bayerische Staatsoper: Nach rund 37 Jahren wurde hier eine neue Liebe der Danae gestemmt. Wer diese vorletzte Oper von Richard Strauss inszeniert, muss sich mit der Werkgenese beschäftigen. Sie ist eng mit dem Zweiten Weltkrieg verbunden. Die geplante Uraufführung 1944 bei den Salzburger Festspielen musste abgeblasen werden wie das gesamte Festival: wegen des Kriegsverlaufs und des Attentats auf Adolf Hitler kurz zuvor.

Dieses Gestern verbindet Regie-Großmeister Claus Guth konzis mit dem Heute. Aus dem Königreich, in dem Pollux, der Vater Danaes, verschwenderisch herrscht, wird der Trump-Tower in New York. Der maßlos prahlende Pollux selber (Vincent Wolfsteiner) ist ein Trump-Verschnitt. Guth führt schnöden Populismus vor, bald bricht die Glitzerwelt in sich zusammen. Am Ende stehen alle an der Rampe und blicken ins Publikum, als wollten sie mahnen: „Wehret den Anfängen!“ Hinter ihnen flimmern historische Filmaufnahmen. Man sieht den alten, resignierten Strauss im Garten seiner Villa in Garmisch und das zerbombte München.

Für die kurzfristige Danae-Einspringerin Manuela Uhl gab es stehende Ovationen. Als Jupiter glänzte Christopher Maltman, einen lautstarken Midas gab Andreas Schager ab, und am Pult des Bayerischen Staatsorchesters übersteuerte Sebastian Weigle bisweilen die Dynamik.

Als Strauss 1938 mit der Arbeit an Danae begann, verfasste Albert Camus das Bühnenstück Caligula. Im Druck ist es 1944 erschienen, dem Jahr der geplatzten Weltpremiere der Danae. Am Beispiel des römischen Kaisers entwirft Camus einen Charakter, der die Absurdität des Daseins erkennt und als Reaktion sämtliche Werte nivelliert, bis er zum Tyrannen mutiert. Als er seine abgründigen Verbrechen erkennt, forciert er die eigene Ermordung. Wie Steffen Link am Münchner Volkstheater diesen Tyrannen gestaltet, die perfiden, zynisch-sadistischen Machtspiele und völlig entfesselte Mord- und Machtlust, das ist ganz großes Theater.

Zwar hätte der Regie von Ran Chai Bar-zvi etwas weniger schrill-bunter Glamour gutgetan, um den Finger noch tiefer in die Wunden unserer Zeit zu legen, aber: Das großartige Spiel von Link verlebendigte eine hochaktuelle Dystopie. Zwischen römischer Machtdekadenz und entfesseltem Naziterror ist es bei Camus nur ein kleiner Schritt, und unser Heute scheint erneut gefährlich aus den Fugen zu geraten.

Das wurde am Volkstheater genauso eindrücklich deutlich wie am Residenztheater. Dort hat Ewald Palmetshofer sich Henry IV von William Shakespeare vorgeknöpft, um eine – auch (fäkal-)sprachliche – Aktualisierung vorzulegen. Ein Sankt Falstaff ist herausgekommen, in dem zwischenmenschliche Begegnungen ins Toxische mutieren. Die Königstragödien von Shakespeare sind bekanntlich reich an pervertiertem Machtmissbrauch.

Die Regie von Alexander Eisenach spiegelt wirkungsvoll die teils derbe Sprache. Es ist geradezu schauerlich, wie Palmetshofer und Eisenach einer Gesellschaft buchstäblich auf das Maul schauen. Sie ist durchwegs verroht durch Demagogie und Populismus. Großartig Steven Scharf als John, der am eiskalten Harri von Johannes Nussbaum buchstäblich zerbricht: ein starkes Duo.

Vor dem Hintergrund dieser Horror-Dystopien ist die Händel-Oper Alcina von 1735 am Gärtnerplatztheater eine wohltuende Abwechslung. Magdalena Fuchsberger inszeniert das Stück als üppig-barockes Gesamtkunstwerk. Die Choreografien von Karl Alfred Schreiner mögen bisweilen etwas aktionistisch wirken, füllen aber unterhaltsam die Zwischenmusiken. Die Stimmen könnten stilgerechter sein, dafür aber glänzen das Gärtnerplatz-Orchester und das Continuo-Ensemble unter Rubén Dubrovsky mit einem sinnlichen Originalklang: ein kurzweiliger Abend. (Marco Frei)
 

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Sollen Bayerns Kommunen eine Verpackungssteuer einführen?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.