Kultur

Joana Tscheinig, Mira Fajfer und Isabel Arlt (von links). (Foto: Ludwig Olah)

22.03.2016

Antike Anzüglichkeiten

Jacques Offenbachs "La belle Hélène" am Stadttheater Ingolstadt

 Auf dem Zwischenvorhang vögelt, wenn man das so sagen kann, Zeus als Schwan die nackte Leda. Daraus soll dann Helena entstanden sein, später der Preis für Paris beim Wer-ist-die-Schönste-im-ganzen-Land-Contest. Kurz: Die halbe griechische Mythologie lebt von ihr, und Jacques Offenbach hat eine seiner schönsten und bissigsten Operetten über sie geschrieben: La belle Hélène. Aber weil nicht alle Theater ein Orchester und Sänger haben, hat der umtriebige Peter Hacks vor Jahrzehnten schon eine überall dankbar gespielte „Operette für Schauspieler“ daraus gemacht. Was nicht heißt, dass Antje Rietz aus dem Ensemble des Stadttheaters Ingolstadt nicht mit girrend-erotischen Tönen eine wunderbare Helena singen würde.

Schönheitspreis für Venus

Getreu der Mythologie fängt alles mit dem Apfel-„Urteil des Paris“ auf der Vorderbühne an. Ergebnis ist der Schönheitspreis für Venus, die revanchiert sich mit Helena-Belohnung in schwarzen Schlafzimmerkissen. Egal, dass die schon verheiratet ist, mit dem Tattergreis Menelaos von Sparta. Dort spielt dann auch Offenbach/Hacks’ Stück und der in Offenbachiaden geübte Regisseur Folke Braband aus Berlin verlegt die Satire um den „Apfelmann“ durchaus berechtigt ins Second Empire und ins Belle-Epoche-Paris. Die politisch-gesellschaftlichen Anspielungen von damals versteht heute niemand mehr, Braband widersteht aber glücklicherweise der Versuchung, plattes 2016er Kabarett zu machen. Die griechische Finanzkrise und den Grexit kann er sich allerdings nicht verkneifen: geschenkt. Jedenfalls gibt es attraktive schwarze Kostüme (Stephan Dietrich) und eine Vespasienne als Bühnenbild, lasziv verschlungene Frauenkörper als Kulisse mit einer Tür für überraschende Chorauftritte.
Dietrich zieht die ohnehin große Ingolstädter Bühne bis über den Orchestergraben ins Publikum: Tuchfühlung mit den Grisetten. Das 8-Musiker-Ensemble unter Stephan Kanyar genügt für guten Offenbach-Klang und als schummrige Begleitung für: „Es ist ein Traum.“ In dem kommen sich Helena und der gut gebaute Paris (ein komödiantisches Naturtalent und offenbar ein Publikumsliebling: Stefan Leonhardsberger) dann näher. Das ganze mythologisch-französische Ensemble setzen Braband und Dominik Büttner in flott choreografierte Bewegung, es gibt melodienselige Momente und anzügliches Knistern der Dialoge. Im attraktiven Licht-Design wirkt nichts verkrampft, verstaubt, Langeweile ist in fast drei Stunden ein Fremdwort und das Publikum aus dem Häuschen. Silvester und Fasching sind längst vorbei, aber der Ingolstädter amüsiert sich auch zu Ostern gern. Über das antike Traumpaar, das wie am Bug der Titanic dem Trojanischen Krieg entgegenfährt. (Uwe Mitsching)

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