Kultur

Rätselhaft bleibt Mozarts (Peter Neustifter, liegend) tod bis heute. Hatte Salierie (Erwin Windegger) ihn auf dem Gewissen? (Foto: Pogo Zach)

30.07.2021

Wer hat Amadeus auf dem Gewissen?

Das Gärtnerplatztheater beschließt seine Saison mit "Mozart muss sterben". Eine Antwort auf die Frage, wer das Genie getötet hat, gibt es aber auch diesmal nicht

Sein Rollstuhl steht schon auf der weit offenen Bühne: als Zitat. Wer Peter Shaffers „Amadeus“ gesehen hat, weiß: In dem wird gleich Antonio Salieri sitzen. Und das musikalische Zitat, mit dem am Münchner Gärtnerplatztheater „Mozart muss sterben“ beginnt, ist auch von dem.

Intendant Josef E. Köpplinger konnte am letzten Tag der Spielzeit, bei der letzten Premiere nicht der Versuchung widerstehen, das letzte Wort zum ewigen Rätsel zu sprechen: Wer hat wie, wieso, wann Mozart umgebracht?

Es sollte ein finales Statement sein, eine „theatralische Behauptung“, ob’s der eifensüchtige Hofdemel und Mann einer Mozart-Schülerin war, der gräfliche Besteller des Requiems, ein ungeduldiger Gläubiger oder doch das in Wien 1792 verbreitete rheumatische und entzündliche Fieber. Schon Stunden nach dem Tod Mozarts am 6. oder 7. Dezember begannen die Gerüchte, und das schönste ist bis zu diesem Abend am Gärtnerplatz seit Shaffers Stück und Formans Film geblieben: Salieri war’s , der mächtige Konkurrent und Hofkapellmeister, der 30 Jahre später sich im Irrenhaus und Rollstuhl die Kehle aufschlitzt, dass es nur so spritzt, und den Mord zugibt: Virtuos führt das Erwin Windegger auf der Bühne vor.

Würde man denn nun bei Köpplinger in exakt 90 TV-Krimi-Minuten erfahren, ob das stimmt? Jedenfalls verwandelt sich dort Salieri zunächst in den musikalischen Lebemann und lombardischen Hofschranzen von 1781, der mit sowas Erfolg hatte wie dem „Rauchfangkehrer“. Und der bei Köpplinger mit zwei kurzen Musikstücken abgespeist wird - der kindisch kichernde Mozart aber 20 Nummern bekommt.

Denn das war der eigentliche Sinn dieser theatralischen Investigation: Mozarts Musik mit dem ganzen Gärtnerplatzensemble, mit Chor und Orchester, auf der Drehbühne (Heiko Pfützner) mit ein paar Stühlen und Projektionen attraktiv durcheinander gewirbelt, mal chronologisch, mal mit Logik und Witz aneinander gereiht.Da werden mit Mozart als Dirigent, dem dauergähnenden Kaiser Josef II. und der Weberschen Constanze die Noten der „Entführung“ gestochen scharf von Jennifer O’Loughlin gezaubert oder gleich darauf Donna Elviras Enttäuschung über den treulosen Liebhaber Giovanni. Mit einem Wort: es ist ein Mozart-Wunschkonzert, es sind die „geläufigen Gurgeln“ des Hauses, die kräftig-strammen Männerstimmen, die von Anthony Bramall  als Kapellmeister ins Treffen geführt werden. Dafür gab es viel Applaus.

Da busselt Mozart, kasteit sich Salieri auf dem Betschemel, und die Wut kocht in ihm hoch. Mit seinen „sündigen Gedanken“ wäre er gerne auch so ein Serenaden singender Don Giovanni gewesen, aber ins Bett hat er die selbstbewusste Frau Mozart nicht gekriegt. Das kommt zwar hereingefahren, aber drin sitzt schon Cherubino (sehr wandlungsfähig: Anna-Katharina Tonauer) und singt „Non so piu“ aus dem „Figaro“ - einer der witzigsten Einfälle des Abends. Der bietet neben viel Stimmen- manchmal auch eindrucksvollen Bühnenzauber: wenn beim Kyrie aus der c-moll-Messe die Notenblätter aus dem Schnürboden rieseln. Oder wenn Constanze in den Armen Mozarts gerade ihr 6. Kind bekommt und an der Rampe Papagena/Papageno ihr erstes basteln.

„Stirb endlich, Mozart !“, geifert Salieri, „wir sind beide vergiftet worden, ich von dir, du von mir.“ Gewaltig klingt am Gärtnerplatz das „Lacrymosa“ aus dem „Requiem“ zu Mozarts Todeskampf, dessen Details von innerer Auflösung bis zur unmöglichen Leichenschau uns die Aufführung erspart und Mozart (jetzt ohne Perücke: Peter Neustifter)  von seinem Schreibtisch einfach ins Grab gekippt wird. Bevor Salieri wieder im Rollstuhl sitzt und zum Messer greift, muss er sich allerdings  vom kleinen Wolferl mit kräftigem Strahl anpinkeln lassen. Und eine riesige Mozartkugel rollt los - und kullert bis heute.

Salieri dagegen bleibt ein Fall fürs Musiklexikon. Ob er’s denn nun war oder nicht: Köpplingers Untersuchung bringt keine neuen Indizien, aber viel schöne Musik. Sicher auch dann, wenn kurz vor Weihnachten „Mozart muss sterben“ wieder auf dem Spielplan steht. (Uwe Mitsching)

 

 

 

 

 

 

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Soll die tägliche Höchstarbeitszeit flexibilisiert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.