Kultur

Als Anhänger von Darwin war die Suche nach den gemeinsamen Vorfahren von Affe und Mensch auch für Gabriel von Max ein spannendes Thema. (Foto: Lenbachhaus)

05.11.2010

Der Meister des Komisch-Sinistren

Gabriel von Max im Münchner Kunstbau

Die Damen der Gesellschaft waren in Tränen aufgelöst, heißt es. Und das alles wegen der gemalten Märtyrerin am Kreuz, die da, züchtig gewandet und selig lächelnd, vor graublau-versiegeltem Himmel theatralisch dahingeschieden scheint. Im Jahre 1867 wurde Gabriel von Max (1840 bis 1915) mit diesem kryptoblasphemischen Deflorationssehnsuchts-Altarbild schlagartig berühmt. Der Spross einer Prager Künstlerfamilie, der an der Münchner Akademie Meisterschüler (und dann Nachfolger) des Historienmalers Piloty war, traf den verklemmten Nerv der Gründerzeit und reüssierte mit seinem akademischen Boudoir-Kitsch in Deutschland ebenso wie in Paris und Amerika.
Heute ist der einst gefeierte, am Ende des 19. Jahrhunderts ungeheuer erfolgreiche (und deshalb reiche) „Maler-Star“ Gabriel von Max eher vergessen. Seine handwerklich virtuosen Bilder, die passgenau den damaligen Zeitgeschmack artikulieren, können als Musterbeispiele künstlerisch unbedeutenden Fin-de-Siècle-Schwulstes gelten.

Effektvolle Salonmalerei

Stilistischer und thematischer Synkretismus sind die Hauptmerkmale dieser melodramatischen Salonmalerei, die, instinktsicher auf den Effekt hin kalkuliert, untergründig-schwüle Erotik, bittersüßes religiöses Geschmachte und das Spiel mit den Schauern des Morbiden verschmilzt.
Gabriel von Max’ Gemälde sind nicht ästhetisch relevant, sondern nur noch als kulturgeschichtliche Quellen, weil sie, wie die Werke anderer „Künstler-Fürsten“ jener Zeit, bloß die vorherrschende Stimmung der Epoche reproduzieren, ohne ihre inneren Widersprüche zu spiegeln. Letzteres gelang Gabriel von Max vielmehr ungewollt durch seine Hobbys, wie eine sorgfältig gestaltete Ausstellung über diese faszinierende Gründerzeit-Persönlichkeit im Kunstbau des Münchner Lenbachhauses zeigt. Denn fast scheint es, als habe der Maler mit seinen marktkonformen Bildern nur den Kunst-Affen Zucker gegeben (Affen als Kunstrichter heißt sein heute bekanntestes Bild), um sich seinen Leidenschaften widmen zu können: der Naturkunde und dem Spiritismus.
Bilder von Seherinnen, Medien, Stigmatisierten bilden einen Teil seines malerischen Œuvres. Aber wenn Max nicht gerade an Seancen teilnahm, beteiligte er sich als Anhänger Darwins an der Suche nach dem „missing link“, dem letzten gemeinsamen Vorfahren von Mensch und Affe. Aus diesem Grund, aber auch aus Tierliebe hielt sich der Maler, der neben seinem Münchner Stadthaus ein Anwesen am Starnberger See besaß, zeitweilig eine ganze Affenhorde, deren Angehörige er in technisch gekonnten, aber thematisch eher komisch-sinistren Gemälden verewigte (Affe am Klavier).
Doch vor allem legte er eine der bedeutendsten naturkundlichen und ethnologischen Sammlungen der Zeit an, von der Teile im Kunstbau zu sehen sind. Da gibt es Wandschränke voller Menschenschädel, Vitrinen mit Tierskeletten, aztekischen Götterstatuen, geschnitzten Holzkeulen von Südseeinsulanern oder Fischhautschuhen sibirischer Ureinwohner.
Repräsentiert Gabriel von Max mit der kuriosen Verbindung von Künstlerruhm, Okkultismus und Naturwissenschaft also mustergültig den Geist der Gründerzeit, indem er dessen Bizarrerien ins Extrem trieb? Oder eignet er sich nur besonders gut als Projektionsfläche für die bizarren Vorstellungen, die wir uns von dieser Epoche machen, so dass er indirekt als Spiegel unserer eigenen Vorurteile dient? Das ist die spannende Frage, die sich angesichts der Ausstellung erhebt. (Alexander Altmann)

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