Kultur

Zentraler Blickfang dieser Hatma-Hirz-Halskette aus dem Oman (erste Hälfte des 20. Jahrhunderts) ist das vergoldete und mit aufwendigen Mustern geprägte Behältnis, in das Zettel mit Korantexten eingelegt werden konnten. Aber auch die anderen Teile der Kette sind raffiniert: so zum Beispiel die seitlichen Stränge aus kleinen Silberperlen, die in der Regel von speziellen Handwerkern gedreht wurden. (Foto: Benedikt Feser)

06.04.2023

Die Braut trug Silber

Das Knauf-Museum in Iphofen zeigt faszinierende Finessen des orientalischen Schmucks

Glanz und Geheimnis nennt das Knauf-Museum in Iphofen seine neue Ausstellung. Die Augen mögen einem nur so übergehen angesichts der vielen Geschmeide – auch wenn der Schimmer ein eher verhaltener ist: Denn all das Silber ist nicht hochpoliert oder mit funkelnden Diamanten besetzt, sondern zeigt sogar an mancher Stelle Patina. Die Stücke glänzen vielmehr von innen heraus durch ihre zum Teil höchste Handwerkskunst. Orientalischen Schmuck überwiegend aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, aber auch aus dem 19. Jahrhundert und einiges aus jüngerer Zeit breitet das Museum aus, gesammelt hat ihn der Schweizer Hotelier Peter Martin Hösli, und zwar auf den Märkten und in Läden vor Ort.
Saudi-Arabien, die Levante, der Oman und Jemen: Hösli kennt die Länder auch berufsbedingt recht gut und erzählt im Begleitbuch zur Ausstellung von seiner Begeisterung für die Länder und ihre Menschen, er nimmt einen mit zu den Souks, in die ihn sein Sammlerspürsinn führte und wo er allerdings manchmal auch nach zähem Gefeilsche das eine oder andere Stück zurückließ, weil es den Wert eines Klein-, wenn nicht gar Mittelklassewagens gehabt hätte.

Unantastbare Mitgift

Ja, besonders wertvoll waren diese Schmuckteile schon, bevor sie in den Verkauf gekommen sind. Für ihre früheren Besitzerinnen (nur ganz wenige gezeigte Stücke waren Männerzier) war es oft der einzige persönliche, nicht vom Ehemann einforderbare Reichtum, meist zusammengetragen zur Hochzeit – als Mitgift der Eltern, von Schwiegereltern oder als Liebesgabe des künftigen Ehemanns, wie jene an Hayan Bint Alrkian, eine Kette mit ihrem eingravierten Namen und der Widmung: „Was ist das Land, in dem deine Blumen wachsen? Und was ist dieser Duft? Ich schwöre bei meinen tiefsten Gefühlen, dass die Liebe überwältigend ist und das Herz dich nicht vergessen und ohne dich nicht geduldig sein kann.“

Mit Stolz und erhobenen Hauptes wird wohl manche Braut all das Geschmeide an ihrem Hochzeitstag getragen haben – selbst wenn es sich auf mehrere Kilogramm summierte. Allein eine Halskette konnte bis fast 2 Kilogramm wiegen, ein Gürtel oft noch mehr. Mehrere Pfund konnten auch an den Ober- und Unterarmen, dann noch an den Fußfesseln und zudem auf dem Kopf zusammenkommen – Ohrgehänge hatten des Gewichts wegen oft ein Stützband, das oben über die Ohrmuschel führte, andere wurden an der Kopfbedeckung befestigt. Viele andere Schmuckstücke waren möglich, von denen Hösli erklärt, wie man sie überhaupt anlegte. Solcherart schwer drappiert war das Schaulaufen für die Braut vermutlich keine Bürde: Schließlich ging es der ganzen Familie ums Zeigen, was man hat.

Dabei war natürlich der Materialwert entscheidend, zum anderen die kunstvolle, zeitaufwendige und damit kostspielige Verarbeitung durch ein Meisteratelier, das man sich leisten konnte. Manches Stück ist signiert, bisweilen auch der Silbergehalt eingraviert.

Und welche – je nach Aufwand mehrfach kombinierte – Finessen der Silberschmiedekunst lassen sich an den Exponaten im Knauf-Museum studieren! Geschmiedet, getrieben, gehämmert, geprägt, graviert, gestanzt, gelötet, punziert, ziseliert, granuliert, (feuer-)vergoldet, emailliert ... Bunte Glassteine, facettierte Glasperlen, echte Korallen, Türkise, Bernstein, Perlmutt, Knochenteilchen (vermutlich von Hyänen) ... Verdrehte Silberstäbe, geflochtenes und gestricktes Silber, originell geformte Silberperlen, gegossene Vögelchen, lauter Glöckchen, Seidenquasten und vielfältig raffiniert zusammengefügte Kettenglieder. Dazu besonders gestaltete Hirze: Das sind kleine Behälter, in denen Zettelchen mit Versen aus dem Koran aufbewahrt werden konnten – zur Abwehr von Bösem und Gefahren. Diese Funktion hatten auch die stilisierten „Hände der Fatima“.

Die Muster sind kreativ, bisweilen hochkomplex: Man sieht Geometrisches, Florales, religiöse Inschriften, Moscheen und auch den Felsendom von Jerusalem. Besonders kunstvoll sind Durchbrucharbeiten, die bisweilen farbig hinterlegt sind.

Viele Maria-Theresien-Taler

Und dann staunt man, auf integrierten Münzen auch dem Konterfei der österreichischen Kaiserin Maria Theresia zu begegnen. Gut, dass Peter Martin Hösli in seinem Buch ein Glossar angefügt hat. Diesem zufolge wurde der sogenannte Maria-Theresien-Taler aus Silber seit 1741 geprägt und galt lange Zeit, teilweise bis ins 20. Jahrhundert, auch außerhalb der Habsburgermonarchie als geschätztes Handels- und Zahlungsmittel. An manchem Schmuckstück baumelt nicht nur ein solcher Taler.

Nicht nur was dieses Beispiel angeht, auch bei vielen anderen Details erklärt Hösli, was uns an der Sprache dieses Schmuckes geheimnisvoll vorkommen mag, die in ihrem kulturellen Zusammenhang natürlich auf einen Blick verstanden wird. Und plötzlich ist das nicht mehr der traumhafte Schimmer aus dem gern bei einem solchen Sujet zitierten Tausendundeine Nacht: Nein, hier wird dem Publikum ein Kapitel ganz realer Kulturgeschichte nähergebracht. (Karin Dütsch)

Abbildungen (von oben):
Eine Halskette aus dem Südjemen, 19. Jahrhundert aus der Sammlung Peter Martin Hösli. (Foto: Benedikt Feser)

Information: Bis 5. November 2023. Knauf-Museum, Marktplatz, 97346 Iphofen. www.knauf-museum.de

 

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