Kultur

Die emotionale Beziehung zwischen Mensch und Maschine ist Thema auch von "kinesphere", einem Tanzstück des Staatstheaters Augsburg in seinem Virtual-Reality-Programm. (Foto: Jan-Pieter Fuhr)

26.11.2021

Ein Roboter als Lover?

Beim Bamberger Hegeltag wurde über Liebe in Zeiten der Digitalisierung philosophiert

„Alexander und Caesar und Heinrich und Friedrich die Grossen / Gäben die Hälfte mir gern ihres erworbenen Ruhms / Wenn ich ihnen diess Lager auf eine Nacht nur vergönnte“, behauptete Goethe in seinen Römischen Elegien, nachdem er in der Ewigen Stadt wohl zum ersten Mal eine erotische Begegnung mit dem anderen Geschlecht auf einem „lieb-erwärmeten Lager“ genossen hatte. Dieselbe Erfahrung war Friedrich Schelling in Bamberg, im „fränkischen Rom“ im Jahre 1800, mit Caroline Schlegel vergönnt, die er später heiratete.

Aber wurden die Herren wirklich von der wahren Liebe erwärmt oder überwältigte sie vielleicht nur das Erlebnis der körperlichen Vereinigung? Was ist das überhaupt: wahre Liebe? „Sprecht, ist es Liebe, was hier so brennt?“, fragte schon der Cherubino in Mozarts Hochzeit des Figaro.

Neue Liebesspiele

Immer wieder heißt es, man könne über die wahre Liebe nicht sprechen, man müsse sie erfahren. Das mag wohl sein, trotzdem gibt es kaum ein Thema, über das mehr gesprochen, geschrieben und seit neuerer Zeit in digitalen Medien diskutiert wird, wie über die Liebe. Auch die Wissenschaft beschäftigt sich seit jeher gern mit der Liebe, wie der Bamberger Philosoph Christian Illies in seiner Eingangsrede zum diesjährigen Hegeltag darlegte. Kaum gäbe es neue Kommunikationsmöglichkeiten für das Liebesspiel – vom Telefon über Computer bis zu Smartphones –, schon würden Wissenschaftler*innen deren Verwendung umfassend analysieren.

Der Bamberger Hegeltag hatte sich also unter dem Motto „Smart Love – Liebe in Zeiten Künstlicher Intelligenz“ der neu entstandenen Probleme in Sachen Liebe angenommen. Dass es statt der traditionellen „Hegelwoche“ nur ein einziger Abend mit zwei über Live-Stream gehaltenen Vorträgen wurde, lag nicht daran, dass man nicht genügend Stoff gehabt hätte, sondern an der pandemischen Lage, welche die Veranstalter zur Reduzierung zwang. Dessen ungeachtet traf man sich wie üblich in der altehrwürdigen Aula der Universität, im hochgotischen Schiff des ehemaligen Dominikanerklosters, das manch einen vielleicht darüber reflektieren ließ, wie es denn die Mönche mit der Liebe – zu Gott, zum Nächsten oder wem auch immer – gehalten haben mögen.

Angesprochen wurden jedoch andere Themen. Christian Illies etwa, der sich als Lehrstuhlinhaber für Philosophie in Bamberg um die inhaltliche Gestaltung des Hegeltags gekümmert hatte, betonte zu Beginn das synthetische Denken Hegels, der kurz in Bamberg lebte. Im Grunde erklang das Schöne, Wahre und Gute aus seinen Worten, als er sagte, dass Liebe im Herzen der menschlichen Existenz wohne, wo idealerweise deren natürliche, geistige und moralische Dimensionen zusammenkämen.

Genau nach diesen Zusammenhängen fragte die Philosophie-Professorin Katrien Schaubroeck aus Antwerpen). Besonders auf der Höhe der Zeit waren ihre Analysen, als sie sich mit der Frage auseinandersetzte, inwieweit – aus Sicht der aktuellen Forschung – Partnervermittlungsseiten im Internet für die Erfüllung der Liebessehnsucht geeignet seien. Am Ende wurde klar, dass die vielen Millionen Nutzerinnen und Nutzer, die einiges an Geld investierten, letztlich wohl genauso wenig Befriedigung finden könnten wie beim Gebrauch eines Roboters für erotische Zwecke.

Auch außerhalb des Internets spielten bei der Liebeswahl zwar die Vorgaben des Gehirns, das biologisch-genetische Kriterien stark gewichte, eine überraschend große Rolle, andererseits hätten kulturelle und gesellschaftliche Vorstellungen einiges dabei mitzureden, was zum Beispiel die sexuelle Ausrichtung betreffe. Liebe sei nichts rein Privates, denn den Partnerinnen und Partnern sei gesellschaftliche Anerkennung wichtig.

„Ich wünsch dir Liebe ohne Leiden“, sang Udo Jürgens, doch die gibt es bekanntlich nicht. Liebe sei aber aktiv formbar, tröstete Schaubroeck, da helfe ein romantisches Abendessen manchmal mehr als ein Medikament gegen Depressionen. Zuhören, Geduld, sich Zeit nehmen, weniger Ego – das klingt selbstverständlich, kann aber wohl nicht oft genug wiederholt werden. Außerdem: Liebe sei eben kein Produkt, auch wenn das die Konzerne, welche die Dating-Sites betreiben, aus Gewinnstreben so verkaufen. Die Nutzerinnen und Nutzer müssten sich klarmachen, dass es letztlich nicht einmal konkrete Gründe gibt, warum man jemanden liebt, was auch Charlotte Casiraghi in ihrer charmanten Kleinen Philosophie der großen Gefühle betonte.

Maschinen bleiben doof

Dorothee Halcour zeigte, dass immerhin schon 20 Prozent der Deutschen glaubten, Liebesbeziehungen zwischen Menschen und Maschinen mit künstlicher Intelligenz seien künftig normal. Sie müssten sich jedoch darüber klar werden, dass Maschinen weder intelligent seien noch über ein autonomes Bewusstsein verfügten. Beides sei aber nötig, weil wir danach suchten, in Bindung sein zu können und gleichzeitig als eigenständige Menschen „beantwortet“ zu werden. „Das würde bedeuten“, so Halcour, „dass der perfekte Partner einen liebevoll begleitet, aber eben auch seine Eigenheiten und eigenen Bedürfnisse hat – sowie mir meine zugesteht.“ Diese Aufgabe klingt vielleicht selbstverständlich, wird aber von einer künstlichen Intelligenz niemals zu bewältigen sein. (Andreas Reuß)

 

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