Die Kunsthalle Schweinfurt begeht ihr zehnjähriges Bestehen im ehemaligen Ernst-Sachs-Bad mit einem Knaller: Schon die Präsentation der Kunstsammlungen von Gunter Sachs war ein grandioser Erfolg – und jetzt zeigt sie dessen Kamerakunst. Gunter Sachs (1932 bis 2011) war einer der bekanntesten Vertreter des Jetset im 20. Jahrhundert und machte Schlagzeilen mit seinem extrovertierten Lebensstil. Weniger in den Vordergrund trat dabei, dass sich Sachs, der sprachbegabte Industriellensohn aus Schweinfurt, nach Studium der Mathematik, der Wirtschaft und Kunstgeschichte, auch hervortat als Entdecker, Kenner und Liebhaber der bildenden Künste und Kunstströmungen seiner Zeit. Er baute eine riesige Sammlung auf mit Meisterwerken der Avantgarde der Nouveaux Réalistes und Surrealisten sowie der Pop-Art.
Nun zeigt eine Auswahl von rund 170 Arbeiten, was Gunter Sachs selbst geschaffen hat als herausragender Fotograf und Filmemacher, und was er an Werken anderer berühmter Fotografen zusammengetragen hat für seine Sammlung. Er sagte einmal: „Wenn ich alles bedenke …, ist Fotografie die schönste der ernsten Beschäftigungen in meinem Leben.“
Das Fotografieren betrieb er mit Leidenschaft und Perfektion. Er beherrschte die verschiedensten Techniken. Ab etwa 1980 sammelte er fotografische Arbeiten anderer von den
1930er-Jahren bis in die Gegenwart, ließ sich zu eigenen Fotografien auch anregen durch Werke befreundeter Künstler.
Nur kurz im Filmgeschäft
Die Arbeit mit der Filmkamera begann er 1963 mit kleineren Dokumentationen, so über ein Fischerdorf am Genfer See; er wurde dafür ausgezeichnet beim Festival von Locarno. Aber nach seinem größeren Film Happening in White, der den 1. Preis der Olympischen Winterspiele von Cortina d’Ampezzo 1972 erhielt, gab er das Filmen auf, weil er sich abhängig fühlte vom umfangreichen Filmteam und von den äußeren Bedingungen; er sah sich in seinen künstlerischen Gestaltungsmöglichkeiten eingeschränkt. Immerhin kann der Besucher der Ausstellung einen knapp 30-minütigen Einblick in das Filmschaffen von Sachs nehmen.
Die Schau beschäftigt sich vornehmlich mit den fotografischen Arbeiten von Sachs, seinen Vorbildern, den Werken anderer Fotografen aus seiner Sammlung und Aufnahmen, die seine Künstlerfreunde von ihm gemacht haben. Vier Schwerpunkte werden gesetzt: auf die Themen Porträt, Akt und Erotik, Architektur und Landschaft. In der großen Halle werden mit oft großformatigen Arbeiten thematische Bezüge zu Kunstströmungen hergestellt. Sachs lotete dafür Möglichkeiten der digitalen Fotografie und der Bearbeitung im Photoshop aus.
Wer die Kunsthalle betritt, sieht sich an der Eingangswand einer riesigen Collage gegenüber. Aus Fotos von Sachs selbst, mit Personen aus seinem Umfeld oder zusammen mit Prominenten, auch in witziger Kombination mit Comicfiguren, wurde eine sehr breite Bildergalerie montiert: Es ist quasi ein Querschnitt durch ein bewegtes Leben „im Kamerablick“. Er selbst war oft Fotomotiv für andere Künstler, so für die Multiple-Serie von Andy Warhol oder für ein Unikat, ihm gewidmet von Will McBride.
Claudia Schiffer im Fokus
Der Rundgang führt die Besucher zuerst in die Abteilung mit Porträts, und hier schon erweist Sachs seiner Passion als „Liebhaber schöner Frauen“ alle Ehre. Gleich begegnet man seinem Lieblingsmodell Claudia Schiffer; sie wird inszeniert in verschiedenen Verkleidungen und Posen, als Darstellerin spezieller Frauenrollen: als Jeanne d’Arc, Mata Hari, Nonne oder Kleopatra. Durch die Glätte, Perfektion, Klarheit der Darstellung ergibt sich ein Spiel mit der Künstlichkeit, mit der Distanz zum Alltäglichen. Ähnliche Effekte zeigen die farbintensiven Modefotos.
Auch der unterschiedliche Gesichtsausdruck interessiert Sachs, wenn er Claudia Schiffer als Lara, mit Tränen und umhüllt von Pelz, oder als Juliette mit herausforderndem Blick und geöffnetem Mund fotografiert, in gespielten Stimmungen oder in historischer Art dekoriert als Verkörperung der Jahreszeiten.
Fotocollagen, etwa mit Models auf schwebendem Würfel oder Schachbrett vor Gebirgslandschaft, ironisieren spielerisch die Irrealität der Modewelt.
Dass Sachs auch als Sammler von Porträtfotos Gespür für Qualität und den herrschenden Zeitgeist bewies, zeigen die Bilder von Will McBride; darunter befinden sich Charakterstudien von Romy Schneider, die entlarvenden Frontalaufnahmen von Joseph Beuys und Andy Warhol oder das schonungslose Altersporträt von Marcel Duchamp durch Christer Stroemholm, aber auch die recht ironischen Schnappschüsse prominenter Zeitgenossen durch Andy Warhol. Dagegen sind die Modefotos von Horst P. Horst beeindruckende Inszenierungen des eleganten Äußeren als Gegenstand der Sehnsucht, ohne dass hier ein Individuum präsentiert werden musste.
Als Fotograf faszinierte Sachs der Reiz des nackten weiblichen Körpers: perfekt, glatt, gazellenschlank, von makellos sanft schimmernder Haut, vor azurblauem Himmel, monochromer Fläche oder entspannt am Wasser liegend, als stilisiertes Denkmal vollkommener Schönheit, ein ästhetisches Ideal, poetisches Stillleben.
Wesentlich erotischer sind dagegen Werke anderer Fotografen, die Sachs sammelte, etwa von Jeff Dunas, ironisch die Akte in Kartons von McBride, geheimnisvoll unklar die experimentell verfremdeten Fotos von Werner Pawlok. Eng war die Beziehung zu den Werken von Andy Warhol, zu verfolgen an den Pop-Porträts von Sachs und Brigitte Bardot, die wiederum abfärbten auf die Serie von Köpfen in derselben Art mit Claudia Schiffer durch Sachs.
Inspiriert von Feininger
Bei den Architekturfotos arbeitete er gerne mit Spiegelungen, etwa bei New York Reflections, orientierte sich auch an Fotografien von Andreas Feininger. Bei den Landschaftsaufnahmen erinnern Sanddünen auch an Oberflächen eines nackten Körpers, und einzelne Baumformen oder vulkanisches Gestein wirken wie Skulpturen. Wasser und seine Erscheinungsformen, als Gischt, glitzernde Fläche oder gefroren, kombiniert Sachs gern mit nackten Körpern.
Sachs ließ sich auch von Farben inspirieren, etwa von Yves Klein, wenn er über einen weiblichen Akt Blau fließen lässt und den Moment des Aufpralls erfasst. Surreale Künstler wie Magritte reizten ihn zu Fotos, die mit Durchblicken oder Spiegelungen ein verwirrendes Spiel treiben oder es wörtlich eher witzig umsetzen. Ironisch gemeint ist das Multiple Ascot, und auch die nackten Bogenschützen oder die Hommage à Christo zeigen nur das Vordergründige. Allen Jones’ Secretary-Wandskulptur findet sich wieder in der Bally-Serie von Sachs, in den rhythmisch wiederholten Stiefeln, erhält aber bei dem hölzernen Beingestell, das rote Schuhe trägt, einen eher negativen Beigeschmack. Surreale Kompositionen von Sachs erinnern an Szenen bei Dalí oder Tanguy, wenn Gegenstände, Buchstaben, Figuren unverbunden, vor leerer, imaginärer Weite aufgereiht sind wie in der Konsalik-Serie oder in Heldenepos.
All dies zeigt: Sachs ging es hierbei nicht um die Abbildung von Realität, vielmehr inszenierte er fotografische Bilder, die ästhetische Reize ausloten. (Renate Freyeisen)
Information: Bis 16. Juni. Kunsthalle, Rüfferstraße 4, 97421 Schweinfurt. Di. bis So. 10-17 Uhr, Do. 10-21 Uhr. www.kunsthalle-schweinfurt.de
Abbildungen:
Andy Warhols Porträt von Gunter Sachs (1972). (Foto: Andy Warhol foundation for visual arts)
Als Skizze für eine Statue bezeichnete Sachs die Inszenierung „Esquisse pour une statue (sans éclair)“ von 1995. (Foto: Estate Gunter Sachs)
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